Call for Papers für Konferenz zu sozialen Bewegungen im digitalen Zeitalter

Herrschaft reagiert auf neue digitale Entwicklungen oftmals ratlos. Zuletzt gut sichtbar beim Rezo-Video, das die große Koalition nicht zu kontern wusste. Auf der anderen Seite verstärkt die Digitalisierung die Möglichkeiten von Überwachung und Repression. Das Institut für Protest- und Bewegungsforschung stellt seine Jahrestagung 2019 ganz unter das Motto des Digitalen.

Junge Menschen protestieren in Köln gegen Uploadfilter und die EU-Urheberrechtsreform. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Mika Baumeister

Die Jahrestagung des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung fokussiert 2019 unter dem Motto „Hashtags, Tweets, Protest“ auf soziale Bewegungen im digitalen Zeitalter. In der Beschreibung der Konferenz, die am 15. und 16. November in Berlin stattfindet, heißt es:

Protest und Gegenprotest, Herrschaft und Widerstand lassen sich heute nur im Kontext der digitalisierten Gesellschaft, ihrer speziellen Möglichkeiten, Dynamiken und Gefahren denken.

Digitale Kommunikation bestimmt unseren Alltag und die Formen, in denen wir uns (politisch) informieren, streiten und ausdrücken. Hashtags, Instagram-Stories und YouTube Videos werden heute nicht nur zur Selbstdarstellung eingesetzt, sondern sind auch zentral für kollektives Han­deln und politisches Engagement. Proteste werden über digitale Dokumentation – Bilder, Tweets, Streams – zumindest potenziell global sichtbar.

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Digitale Interaktionen verändern soziale Beziehungen und damit auch Form und Funktionieren sozialer Bewegungen und Proteste. Um Mobilisierungen zu initiieren, reicht im digitalen Kontext oft ein geringerer Grad an Organisiertheit; um an ihnen teilzunehmen, gar manchmal nur ein Klick. Bewegungen wiederum werden durch ihre digitale Arbeit erst sicht- und ansprechbar – als Massenbewegung bedürfen sie der digitalen Koordination. Dies kann Machtverhältnisse auf den Kopf stellen: So bieten sich Bewegungen wie auch marginalisierten Gruppen neue Chancen für die Artikulation ihrer Ideen und Interessen. Und doch stellt sich die Frage, welche Anliegen und Organisationsweisen vom Digitalen besonders profitieren und auch, was im Kampf um Aufmerksamkeit unterliegt.

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Bis zum 26. Juli läuft der Call for Papers (deutsch/englisch) für die Konferenz. Fragestellungen sind unter anderem:

Wie müssen wir Protest im digitalen Kontext verstehen? Wodurch unterscheiden und wie ergänzen sich Organisierung und Mobilisierung online und offline? Trägt die Struktur digitaler Plattformen dazu bei, dass besonders reaktionäre Bewegungen profitieren? Wie können digitale Räume emanzipatorische Politikansätze stärken? Welche methodischen und empirischen Herausforderungen sind mit der Erforschung von Bewegungen und Protest im Netz verbunden? Mögliche Beiträge umfassen die folgenden Themen, sind aber nicht auf sie begrenzt:

  • Online-Offline Interaktionen: Mechanismen und Prozesse
  • Mobilisierung über Plattformen (Messenger, Imageboards, Videoplattformen, Deep Web)
  • Bewegungsunternehmer*innentum im Netz
  • Visuelle Strategien (Memes, GIFs, Videos)
  • Internetbewegungen und ‚digitale (Bewegungs-)Parteien‘
  • Online-Subkulturen und ihre Beeinflussung des politischen Mainstreams
  • Digitale Repression und Überwachung durch staatliche Akteur*innen
  • Raumproduktion und Raumverständnisse im digitalen Kontext
  • Hassrede, Filterblasen, Echokammer, Algorithmen und deren anti-demokratische Gefahren
  • Zivilgesellschaft 2.0: Digitales Streetwork, Solidarität und Gegenhegemonie
  • Praktiken, die das Digitale explizit ablehnen, und ihre Herausforderungen
  • Methodische Herausforderungen, forschungsethische Fragen und Forschungszugänge
  • Transnationale Gemeinschaftsbildung über digitale Plattformen (Bewegungen und Diaspora-Aktivismus)
  • Gezielte Manipulation von politischen Diskursen und Meinungen
  • Neue Organisationsformen, digitale Repertoires und Kampagnen
  • Theoretische Beiträge zu Protest, Digitalisierung und Überwachungskapitalismus

Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Die Konferenz lädt zu alternativen Darstellungsformen, wie Performances oder Ausstellungen, und aktivistischen Beiträgen ein. Wir ermutigen besonders junge Forschende und Frauen* sich anzumelden.

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