Netzpolitischer Wochenrückblick KW 13: Überwachung von allen Seiten

Die CSU macht die bayerische Polizei zum Nachrichtendienst und um Cambridge Analytica enthüllt sich ein Beziehungsgeflecht zwischen dubiosen Unternehmen und rechten Politikern. Mehr Überwachung gibt es jetzt auch in den Niederlanden, Polen und in europäischen Neuwagen. Mit der EU-Akkreditierung hat es aber endlich geklappt.

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Mehr Überwachung in Bayern, Polen und den Niederlanden

Der Aufreger dieser Woche ist ein Gesetzesentwurf der CSU in Bayern, durch den die dortige Polizei mit Kompetenzen eines Nachrichtendienstes ausgestattet werden soll. Die bayerische Exekutive darf zukünftig ohne konkrete Hinweise auf eine Straftat ermitteln. Dafür kann sie bald V-Leute in Chats einschleusen, Hardware und Post beschlagnahmen und in Ausnahmefällen Handgranaten einsetzen. Voraussichtlich schon Ende April soll das Gesetz im Landtag verabschiedet werden.

Auch in Polen und den Niederlanden wurden neue Überwachungsgesetze verabschiedet. So können die polnischen Behörden bei der UN-Weltklimakonferenz Ende des Jahres die Daten von Aktivisten sammeln, speichern und weiterverwenden. Einige Umweltschutz-Organisationen raten ihren Mitgliedern von einer Teilnahme ab, um sich vor einer Übermittlung der Daten an die Heimatländer zu schützen. In den Niederlanden war der Protest gegen ein Gesetz zur Online-Überwachung so groß, dass sich das Parlament gar für eine Abschaffung jeglicher Volksbefragungen entschied.

Seehofer äußert sich nicht zum Facebook-Skandal

Unterdessen werden immer neue Details über den Skandal um Cambridge Analytica publik. Whistleblower Christopher Wylie enthüllte nun die Beziehungen der Firma zu rechten Politikern in den USA, Großbritannien und Kenia. Auch der Überwachungskonzern Palantir, dessen Gründer Peter Thiel im Aufsichtsrat von Facebook sitzt, hat bei der Verarbeitung der Nutzerdaten geholfen. Für Überwachungsforscher Wolfie Christl eine effektive Methode der Beeinflussung: „Man kann das ausnutzen und Leute dazu bringen, viel zuverlässiger zur Wahl zu gehen.“ Facebook kündigt nach den Enthüllungen an, die Zusammenarbeit mit externen Datenhändlern zu überdenken. Ein geschicktes Manöver, von dem wir uns aber nicht täuschen lassen sollten, schreibt unser Autor Ingo Dachwitz.

In Deutschland reagierten Politiker sehr unterschiedlich auf den Datenskandal bei Facebook. Digitalministerin Dorothee Bär verwies auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), während Angela Merkel nur schwammig von mehr Datensouveränität spricht. Der zuständige Innenminister Horst Seehofer äußerte sich nicht. Einzig Justizministerin Katharina Barley kündigte an, die hohen Sanktionsmöglichkeiten der Ende Mai in Kraft tretenden DSGVO auch anzuwenden. Indessen zweifelt die Soziologin Zeynep Tufekci an dem darin enthaltenen Recht, die eigenen Daten von sammelnden Firmen einzuholen zu können. Das führe zu einer Hierarchie zwischen „Menschen mit teuren Daten und Menschen mit Trashdaten“.

Auch zeigen sich deutsche Datenschützer besorgt über die Praxis von Facebook, auch für Nicht-Nutzer sogenannte Schattenprofile anzulegen. Markus Beckedahl fordert, die gesetzgeberischen Möglichkeiten zu nutzen, anstatt sich im Ausschuss nur ein Presse-Statement von Lobbyisten vorlesen zu lassen.

Zensur auf Youtube, Protest auf Twitter

Brüssels wichtigster Datenschützer Giovanni Butarelli warnt in einer Stellungnahme vor der Manipulation durch Profiling und Micro-Targeting – zwei Techniken, die im Zentrum des Facebook-Skandals stehen. Geht es nach dem EU-Parlamentarier und Verhandlungsführer Axel Voss soll zudem das Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Rahmen der EU-Urheberrechtsform verpflichtend werden. Sein Vorschlag gefährdet das freie Verlinken im Netz und schafft für Plattformen Anreize, Falschnachrichten zu verbreiten.

Auch die anderen Online-Plattformen haben uns diese Woche beschäftigt: Eine kurze Geschichte der Zensur durch Youtube hat die Vice-Website Motherboard zusammengetragen. Autorin Jilian York meinte darin, Youtube sei nicht mehr bloß eine Technologiefirma, sondern bereits ein Schiedsrichter im Streit um die freie Meinungsäußerung. Ein Meinungsmedium ist auch Twitter. Dort sammelte die Parkland-Schülerin Emma Gonzalez in 10 Tagen mehr Twitter-Follower als die Waffenlobby NRA in 9 Jahren.

EU-Kommission gibt dem Druck der Öffentlichkeit nach

Eine Online-Petition der Initiative „Minority SafePack“ drängt die Europäische Union auf eine Stärkung der Rechte von sprachlichen und ethnischen Minderheiten. Die Vertreter fordern unter anderem die Situation von staatenlosen Minderheiten wie beispielsweise der Roma zu verbessern und ein Förderprogramm für kleine Sprachgemeinschaften aufzubauen. Aufgrund einer neuen EU-Verordnung könnten sich Autos indes bald in rollende Überwachungsgeräte verwandeln: Ab 1. April müssen in allen Neuwagen eSIM-Karten verbaut sein.

Erfolge gibt es aber auch: Unter dem Druck der Öffentlichkeit hat die EU-Kommission uns nun doch eine Jahresakkreditierung bewilligt. Unseren Antrag hatte sie mit der Begründung, netzpolitik.org sei keine Medienorganisation, zunächst abgelehnt. Nach den Kriterien der EU bleibt nicht-kommerziellen Medien eine Akkreditierung verwehrt. Das ist absurd, kritisierte der Deutsche Journalisten-Verband. Ebenso verhält es sich mit dem Recht auf Internet in Deutschland, wie Florian Prokop in der neuen Folge unserer Videoreihe erklärt: Es scheint nicht vorhanden zu sein. Und mit diesem netzpolitischen Oster-Ei schicken wir euch in die Feiertage!

 

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