Reaktionen zum Abkommen zum Roaming und zur Netzneutralität

Netzneutralität CC0 1.0 via flickr/redcctshirt

Hier eine kleine Sammlung der ersten Reaktionen darüber, was das heute beschlossene Abkommen zum Roaming und zur Netzneutralität für die Netzneutralität bedeutet. Obwohl es noch keinen offiziellen Text einer Endversion gibt, kann man jetzt schon sagen, dass die bisherigen Äußerungen der Vertragsaushandelnden von Ungenauigkeiten und mehrdeutigen Begriffsauslegungen geprägt sind, auch was den Digital Single Market betrifft. Die Pressekonferenz konnte auch nicht wirklich Licht ins Dunkle bringen.

derStandard.at

Das ist momentan noch unklar. Semantisch ergaben sich jedenfalls gröbere Erklärungsprobleme. So erklärte die deutsche Abgeordnete Petra Kammerevert, alle Daten („egal ob es das Katzenbild von Oma, ein Spielfilm oder eine E-Mail ist“) sollten gleichbehandelt werden. Gleichzeitig würde es Vorfahrt für bestimmte Spezialdienste geben, solange dadurch nicht die „generelle Qualität“ der Netzgeschwindigkeit beeinträchtigt werde. Eine Neutralität mit Ausnahmen ist allerdings ein absurdes Konstrukt.

Der Spiegel

Niemand soll sich seine Vorfahrt im Internet erkaufen dürfen, sagt die EU-Kommission. Wenn es eng wird, sollen Anbieter allerdings den Datenverkehr regeln dürfen, nur eben normalerweise ohne Ansehen der Inhalte. Sogenannte Spezialdienste wie Telemedizin oder Fernsehen im Internet mit garantierten Bandbreiten soll es trotzdem geben dürfen. Sie sollen herkömmliche Nutzungen aber nicht verdrängen und nur angeboten werden, wenn es genügend Kapazität gibt.

Dennoch macht der Begriff Spezialdienste vielen Kritikern der Regelung Sorgen. Bert Van Roosebeke vom Centrum für Europäische Politik in Freiburg etwa hält „die Auswirkungen der Regelungen für heute noch nicht absehbar“. Die gefundene Einigung lasse zu viele wichtige technische Details offen. Der Grünen-Abgeordnete und Mitunterhändler des Parlaments Michel Reimon zieht einen weit gravierenderen Schluss aus den vagen Formulierungen: „Die Netzneutralität wird de facto abgeschafft.“

Erlaubt bleibt auch sogenanntes Zero Rating, also die Praxis mancher Mobilfunkprovider, für bestimmte Dienste keinen Datenverbrauch abzurechnen, etwa für Musikstreaming von einem bestimmten Anbieter. Die EU-Kommission verspricht, zu beobachten, dass Mobilfunkanbieter diese Methode nicht missbrauchen, um „die Wahlmöglichkeiten der Nutzer bedeutsam zu reduzieren“.

Digitale Gesellschaft

Insgesamt entsteht der Eindruck, dass selbst die Verhandlungsführer keineswegs sicher sind, welchen Inhalt und welche Bedeutung der ausgehandelte Kompromiss zur Netzneutralität eigentlich hat. Exemplarisch wurde dies anhand einer Äußerung von Digitalkommissar Oettinger deutlich: danach gefragt, warum die Kommission der Meinung sei, man habe sich auf die stärkste Gewährleistung der Netzneutralität weltweit geeinigt, erklärte Oettinger, dass die EU-Regelung schneller in Kraft treten werde als die (sehr viel weitreichendere) Lösung, welche die FCC für die USA vorgeschlagen habe; daher werde man in Europa schneller Rechtssicherheit haben. Welchen Inhalt die Regeln haben, scheint für Oettinger hingegen nauf dasicht ins Gewicht zu fallen.

SZ

Thomas Fetzer, Professor für Regulierungsrecht an der Universität Mannheim, hält die bislang bekannt gewordenen Verhandlungsergebnisse für einen Kompromissversuch: „Die EU wollte einen Ausgleich zwischen den Interessen der Verbraucher und denen der Provider schaffen. Strikte Netzneutralität ist nicht festgeschrieben worden, aber das war auch nicht zu erwarten.“ Immerhin habe man allgemeine Blockaden und Drosselungen ausgeschlossen, das sei im Sinne der Nutzer.

La Quadrature Du Net

Last night at 2 am, the trialogue’s negotiators on the Telecom single market Regulation have found an agreement. The text adopted by the three institutions, which has to define the guarantees on Net neutrality, as well as/and the specialised services offered by operators, is disappointing and very little safe for users. Indeed, the definition of Net neutrality has disappeared, even if the text begins by recalling the necessity of an open and non discriminatory Internet and an equal process of all Internet traffic. So why Net Neutrality cannot be clearly enshrined?

Likewise, provisions on specialised services are very blurred and equivocal and may be used by operators and large online services to circumvent Net Neutrality and harm consumers‘ freedom of choice as well as competition and innovation.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

4 Ergänzungen

  1. Aus dem DigiGes Zeil… Wat?

    „Welchen Inhalt die Regeln haben, scheint für Oettinger hingegen nauf dasicht ins Gewicht zu fallen.“

  2. Das gesamte Dokument, was Roaming und Netzneutralität regeln sollte, ist mit soviel Bullshit und Widersprüchen angereichert, dass es am Ende gar nichts regelt. Es bietet dadurch den perfekten Nährboden zur Doppeldeutigkeit und Interpretation, wie sie eben einen gerade so passt. Die ISPs und vorallem die Deutsche Telekom wird wohl schon seit mehreren Stunden die Kronkorken knallen lassen…

    P.S. Wie kann es sein, dass Vollidioten, die absolut keine Ahnung über ein Thema haben, schwerwiegende Entscheidungen diesbezüglich treffen dürfen? Ich leite ja schließlich auch kein Atomkraftwerk!

    1. Ich kenn dich nicht, aber ich glaube, du würdest als Atomkraftwerksleiter eine wesentlich bessere Figur machen als unsere Digitalkommissare in der Netzpolitik. Nur so ein Gefühl.

  3. Liegt eigentlich mittlerweile der gesamte Text der Kompromissvereinbarung öffentlich zugänglich irgendwo vor? Link wäre super.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.