Netzpolitischer Wochenrückblick 13/2014

Klick für die Hörversion. Vielen Dank an Tim Thaler von bln.fm für die Aufzeichnung!

Liebes Internet,

auch diese Woche ist nicht wenig passiert. Außer bei der Bundesregierung. Die 100-Tage-Bilanz der ersten Bundesregierung mit eigenem Internetminister fällt entsprechend dürftig aus.

Dafür benutzt die die Berliner Polizei ab sofort Twitter. Über den Kurznachrichtendienst erfahren die Follower zukünftig nicht nur alles Wissenswerte über Ausflüge der Polizeispitze nach Rumänien oder Informationen über Sperrungen, sondern auch, wie sie sich anständig auf Demos zu verhalten haben. Die Pressesprecher der Polizei twitterten auf den Demos gegen Polizeiwillkür vergangene Woche die Durchsagen der Polizei im Wortlaut. Immerhin: Laut der Polizei ist über Twitter keine Versammlungs-Anmeldung noch das Abgeben von Notrufen möglich.

Außerdem begann in dieser Woche die mehrwöchige öffentliche Online-Konsultation zur Neufassung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages. Der Vorentwurf bzw. der Minimalkonsens der Rundfunkanstalten gleicht leider immer noch dem gleichen Gruselkabinett, welches 2010 durch das Nein der Landesregierung NRW gestoppt wurde. Es wird immer noch unzureichend zwischen „Onlinemedien“ und „Trägermedien“ differenziert, der Jugendschutz soll in erster Linie technisch durch Jugendschutzsoftware durchgeführt werden und Medienbildung bleibt eine unbedeutene Fußnote. Wir laden alle ein, die an wirklich sinnvollen Lösungen bei Fragen des Jugendmedienschutzes interessiert sind am Onlinekonsulationsverfahren teilzunehmen!

Und wo wir schon bei technischen Infrastrukturen für Zensur sind: Die Situation in der Türkei hat sich nicht wirklich gebessert. Mittlerweile sind auch der Google DNS-Dienst und bestimmte URL-Shortener, die eine Umgehung der Twitter-Sperre ermöglicht hätten, durch die Regierung abgeschaltet worden. Außerdem ist seit Donnerstag Youtube gesperrt worden. Zwar hat ein Gericht in Ankara die Sperren für unzulässig erklärt, die Umsetzung des Urteils wird jedoch erfolgreich verschleppt. Das Ergebnis: Eine Bevölkerung mit tiefem Wissen über die Umgehung staatlicher Internetsperren. Bei den kommenden Wahlen am Sonntag wird sich zeigen, wie stabil Erdogans Machtbasis nach diesen Vorkommnissen noch ist.

Ironischerweise hat nahezu zeitgleich das EuGH die Zulässigkeit von Netzsperren erklärt. sofern sie zur Bekämpfung von Urheberrechtsverstößen angewendet werden. Dieses Urteil birgt das Risiko, nun als Argumentationsmuster für weitere Sperren angeführt zu werden, sei es wie in Großbritannien politischer Extremismus oder Pornographie. Inhalte zu löschen statt zu sperren hat sich in mehreren Studien als die effektivere Wahl entpuppt – und das ohne die Grundlagen für eine staatliche Zensurinfrastruktur aufzubauen.

Auf globaler Ebene nimmt der Export von Überwachungstechnologie zu. Was Grenzkontrollsysteme beispielsweise angeht ist die US-Regierung aktuell sehr spendabel und gönnt Pakistan, Malta und der Türkei entsprechende Technologie. Eine Reihe von NGOs, darunter die Digitale Gesellschaft, haben diese Woche eine entsprechende Studie veröffentlicht, in der der aktuelle Stand der Exportkontrollen kritisch betrachtet wird und welche Handhabe die Umsetzung des Wassennaar-Abkommen hätte.

Aber es gibt auch Lichtblicke: In Brasilien ist der erste Schritt zur Internetverfassung Marco Civil erfolgreich hinter sich gebracht worden. Der Entwurf ist nicht perfekt, da er über die Jahre mitunter starkem Lobbydruck ausgesetzt war, aber dennoch ein Signal in die richtige Richtung. Der Anfangstext wurde unter offener Beteiligung der Bevölkerung erstellt, das brasilianische Nachrichtenportal G1 spricht von 2,3 Millionen Beiträgen aus der Bevölkerung seit Beginn des Prozesses.

Übrigens: Vom Zeitfresser 2048 gibt es nicht nur eine Flappy Bird und Doctor Who-Version, sondern auch eine netzpolitik.org Edition, bei der Ihr Euch auf die Suche nach der Digitalen Agenda machen könnt!

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