Zahlungsstreik: Protest gegen neuen Rundfunkbeitrag und für ein öffentlich-rechtliches Modell jenseits der Sender

Rundfunkapparat, moderner als die Rundfunkgebühr. Bild: Dirk Becker. Lizenz: Creative Commons BY-SA 3.0.
Rundfunkapparat, moderner als die Rundfunkgebühr. Bild: Dirk Becker. Lizenz: Creative Commons BY-SA 3.0.
Rundfunkapparat, moderner als die Rundfunkgebühr. Bild: Dirk Becker. Lizenz: Creative Commons BY-SA 3.0.

Die öffentlich-rechtlichen Sender sind quotenfixiert, unzugänglich, undemokratisch, kunstfeindlich und unsozial. Vor dem Hintergrund dieser Kritik organisiert die Gruppe Remote Control einen Zahlungsstreik des ab diesem Jahr verpflichtenden Rundfunkbeitrags. Sie unterbrechen die Zahlungen, um zu verhandeln, wie eine moderne mediale Grundversorgung organisiert werden kann.

Seit dem 1. Januar 2013 ist der neue Rundfunkbeitrag für alle Haushalte verpflichtend. Für die „massive Ansammlung von Personendaten der gesamten deutschen Bevölkerung“ gab es einen BigBrotherAward.

Jetzt regt sich auch inhaltliche Kritik an der Steuer, die nicht Steuer genannt werden darf. Auf zahlungsstreik.net schreibt ein Zusammenschluss von Nicht-Fernsehenden, Radiomacherinnen, Künstlern, Schauspielerinnen und Videoarbeitern:

Wir bestreiken eine Institution, die sich über den Auftrag der medialen Grundversorgung legitimiert und sich durch ihre Kritikresistenz von ihrem eigenen demokratischen Grundsatz entkoppelt hat. Die bestehenden öffentlich-rechtlichen Fernsehsender sind alles andere als staatsfern, denn ihre Gremien sind parteipolitisch dominiert. Sie unterscheiden sich nicht mehr von privatwirtschaftlichen Akteuren, denn sie orientieren sich vornehmlich an der Einschaltquote. Strukturell wie inhaltlich erfüllen sie unsere medialen Interessen nicht.

Dem neuen Rundfunkbeitrag kann sich niemand mehr entziehen. Also muss die Gegenleistung auch für alle akzeptabel sein. Wir unterbrechen die Zahlung, um zu verhandeln, wie unsere Beiträge verwendet werden. Wir fordern eine soziale Berechnung der Beitragshöhe. Wir fordern politische und ökonomische Transparenz. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss so plural sein wie seine Nutzer:innen.

Die Kritik wird in fünf Punkten auch nochmal ausführlich dargelegt. Statt nur zu meckern, listet die Seite auch erste Perspektiven für eine mediale Grundversorgung.

Zum jetzigen Zeitpunkt haben sich bereits 183 Streikende und Unterstützer:innen eingetragen, die 23.787,54 Euro Rundfunkbeiträge zurückhalten.

Im derFreitag gibt es auch einen Artikel der Gruppe: Stichwort – No!

Für wen wird dieses Fernsehen produziert? Wer ist der imaginäre Zuschauer, der sich nur über eine Quote definieren lässt? Meine Lebensrealität ist so weit entfernt von dem „ansprechenden Milieu“, das die ARD in ihren Richtlinien einfordert, dass der Bedarf an Schminke größer ist als mein Wunsch, in der Traumwelt des Vorabendprogramms zu spielen. Möchte ich die x-te blonde Dame sein, die Sehnsucht nach Afrika hat, Stürme in Afrika durchlebt oder sonstwie ihren kolonialen Gestus performt? Nein. Der Zynismus der Fernsehmachenden, derjenigen im Apparat, ist – verständlich bis unerträglich. Verständlich, wenn jemand aus einer angestellten Position sagt: Ich beiß doch nicht den Arm, der mir Geld gibt, um nebenher das zu machen, was ich will: gute Filme, tolle Projekte.

Wir fordern ein öffentlich-rechtliches Modell jenseits der Sender. Wir organisieren einen Zahlungsstreik, um zu verhandeln, wie unsere Beiträge verwendet werden. Wir möchten die Kräfte derer bündeln, die einen dritten Weg zwischen dem Status quo der Anstalten und ihrer Abschaffung sehen. Auf unserer Homepage zahlungsstreik.net können Sie Ihren zurückbehaltenen Rundfunkbeitrag der Streiksumme hinzufügen. Nicht zahlen! Besser senden, besser empfangen!

14 Ergänzungen

  1. Eine Demokratieabgabe bei der der Demoktarieabgebegeber keinen Einfluß auf die Gestalltung hat, sollte immer kritisch hinterfragt werden.

    1. Gekonnt ignoriert würd ich mal sagen. Finde es jedesmal erstaunlich wie kackedreist an den Fragen, bzw. berechtigten Anmerkungen, vorbeigeredet wird. Reiht sich immerhin nahtlos in die Schweinerei mit der Zwangsabgabe ein. 18€ im Monat für Musikantenstadl, Fußball und Tatort. Bei anderen Pay-TV Sendern kann ich wenigstens Pakete/Kanäle auswählen die ich auch wirklich sehe…

  2. Eigentlich witzig: Man hat den Eindruck das Programm wird immer mehr auf (imaginäre) ALG-2 Bezieher (die meisten die ich kenne schauen den Mist nicht) zugeschnitten, die zahlen aber gar keine Rundfunkgebühren.

  3. Ein durchaus bedenkenswerter Ansatz, wie ich finde. Zum einen, weil Druck auf die Verantwortlichen Medienpolitiker ausgeübt wird. Diese wissen schon seit über

    z w a n z i g Jahren um den Reformbedarf des derzeiten Rundfunksystems! Einzige Konsequenz daraus führte allerdings zu einer stetigen Mehrbelastung für die nur anfangs noch verständnisvollen Nutzer.

    Die Legitimation des ö.r. Rundfunks, hat durch die Arbeit der Gebührenbeauftragten (früher GEZ), Verschwendung und Korruptionsvorfällen bei den Sendern, durch die Einführung der Rundfunkgebühren für privat oder beruflich genutzte PC’s und einen Quallitätsverlust der Hauptsender, bei einem Teil der Bevölkerung spürbar gelitten! Das Ergebnis, bzw. die Schlussfolgerung der Verantwortungsträger – auch diejenigen zur Finanzierung zu zwingen, welche den ö.r. Rundfunk nicht nutzen zu wollen- tut ein Übriges um diese Legitimationskrise zu verstärken. Nur wenn dem Bürger in einer Demokratie die Wahlfreiheit bei Nutzung und Finanzierung des ö.r Rundfunks gelassen wird, kann der Bestand des ö.r. Rundfunks als gewährleistet betrachtet werden. Diese Aktion vermag unter Umständen ein starkes Signal an die Verantwortungsträger zu senden.

    Zum anderen trifft diese Aktion einen weiteren wichtigen Nerv, den des menschlichen Motivationsschubes . Durch den stetigen Anstieg der ausstehenden Zahlungen wird allen – Nutzern wie Nichtnutzern signalisiert, nicht mit uns! Ihr seid nicht allein mit der Kritik am derzeitigen Rundfunksystem! Durch das Vorenthalten des „Treibstoffes“ Finanzen, trifft man die ö.r. Rundfunkanstalten- bei entsprechend hoher Beteiligung, am empfindlichsten. Und so mag ein Erfolg als Druckmittel die Verantwortungsträger früher oder später doch zum Einlenken bewegen.

  4. Was ich nicht ganz verstehe: Ist die Quote nicht so ziemlich das demokratischste Verfahren? Was gefällt, wird angeguckt. Jetzt kann man natürlich den Elitären raushängen lassen und irgendwas von ALG-II-Niveau faseln – aber das ist nun einmal kulturelle Demokratie. Der Opernbesucher ist da dann auch nicht mehr wert als der Justin-Biber-Fan.

    Wenn nicht über die Quote, wie soll denn dann bestimmt werden, was die Öffentlich-Rechtlichen senden? Ach, ich weiß. Wir fragen einfach die Zahlungsstreikenden. Ich bin mir sicher, die treffen meinen Geschmack – immerhin mögen die den Musikantenstadl ja auch nicht.

    1. Jain, sicher sind Quoten für Spielfilme etc. gut geeignet, aber der wesentliche Themenbereich ist hier doch die sogenannte Grundversorgung, welcher sich (aus meiner Sicht jedenfalls) aus Politik, Bildung, unabhängige Nachrichten etc. zusammen setzt. Und wenn sich z.B. Nachrichten an Quoten oder Geld orientiert, sind es garantiert nur falsche Nachrichten (Propaganda etc.).

      Ich weis das der Begriff „Grundversorgung“ nie näher definiert wurde. Aber wenn man mit dem damaligen TV vergleicht und realistisch betrachtet, was wichtig für das Volk ist und daher auch wichtig für die Programmgestaltung, so sollte man da etwas genaues definieren können. Aber das wirst du nie erleben! Da der örr und die azdb (gez) nie genug Geld bekommen können und sich daher alles um Werbung, Quoten und Geld drehen wird!

  5. ich weiß nicht, ob die Quote das richtige Messinstrument für das öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm ist. Denn gerade wenn man sich dort an der Quote orientiert kommt etwas heraus, dass dem derzeitigen Programm sehr nahe kommt. Und dann wird sicher der Vorwurf erhoben, ARD und ZDF sollten diese Sachen den Privaten überlassen, die wegen der Werbefinanzierung auf die Quoten angewiesen sind.
    Wenn ARD und ZDF dies dann aber tun, wird ihnen vorgeworfen, sie würden Eliten- oder Nischenprogramm machen, dass keiner sehen will. Und dann geht die Beitragsdiskussion wieder von vorne los.
    Das Problem – aus meiner Sicht – ist, dass die öffentlich-rechtlichen vor allem den Programmbereich abdecken sollten, den die privaten nicht liefern (Kultur, Dokumentationen, kritischen Journalismus usw.) Leider sind diese Bereiche, die natürlich ein Nischenprogramm darstellen, auch die, deren Produktion am kostenintensivsten ist.

    Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass man mit den 18 Euro pro Monat nicht nur Das Erste und das ZDF finanziert, sondern auch noch etliche andere Fernseh- und Radioprogramme. Das finde ioch für 60 Cent am Tag recht günstig. Die Bild-Zeitung kostet übrigens auch soviel.
    Und hier noch ein Lesetipp.

  6. @Lutz
    Kultur, Dokumentationen, kritischer Journalismus usw. sind am kostenintensivsten? Spätestens wenn ich diese Ausgaben mit den Geldern die für Fußball ausgegeben werden vergleiche, komme ich arg ins Grübeln. (vergleiche Programmanteile) Wie viel von oben genanntem ist denn im Programm zu finden (Lieblingsthema kritischer Journalismus!)? Genau weil diese Ungereimtheiten überhand genommen haben, gibt es diese Diskussion.
    Zu Recht, wie ich meine.

  7. Die GEZ soll sich von Schaüble doch ein paar Milliarden geben lassen
    dann haben wir um so schneller unsere geliebte DM wieder.Ehrliche
    Politiker haben wir heute nicht mehr.was die heute sagen, wissen die
    Morgen nicht mehr,Wer heute in die Poltik geht, der muß drei Egenschaften beherschen.:1.er muß gut Lügen können 2. er muß
    besteschlich sein und 3.er muß Koruppt sein.Aber es gibt Menschen
    denen werden diese 3 Eigenschaften schon in die Wiege gelekt.

  8. Habe sogar radio abgschafft, weil ich zudem eine Zwangsneurose bekommen habe, und selbst den inzwiaschen angewiderten Deutschlandradio-Knopf nicht mehr on herunter zu drücken, fertig bringe.

    . Meine Rente = 395,-E
    Ich soll überdies genauso viel (18,-pro mt.) zahlen wie die Hochrentenempfänger. -Wo sind wir eigentlich hingekommen?
    Ihr schreibt immer so verschraubt so viel von Quoten und Nichtquoten unt´d lasst euch auf amtselitäre Einlässe ein. Sagt doch einfach, dass dieser sog. Rundfunkbeitrag ein Volksbetrug ist, unter einer Blümchenumschmückten Lüge , mehr noch, dieser Begriff schon in sich eine solche Lüge ist, denn „Beiträge “ attributieren sich-selbst juristisch so gesehen- niemals- aus Taschendiebstählen unter Pistolen-oder Knastdrohungen.
    Ist der Abstand `1945-2013 schon wieder groß genug, um wieder anzufangen, Deutschland an der Nase herum führen zu können unter der berühmten Gewißheit, in Deutschland den stillschweigenden Mitmacher zu haben ?

  9. Seit ca. 3 Monaten wurden die Sender WDR, NDR, MDR in Berlin abgeschaltet, sie sind jetzt mit irgendwelchen privaten Sendern belegt, wo ich absolut keinen Bedarf für habe. Ich habe keine Lust, mir einen Receiver oder neuen Fernseher zum jetzigen Zeitpunkt zu kaufen. Ich hatte der ehemaligen GEZ geschrieben, dass ich sie bitte, mir einen geänderten Beitrag zu nennen, der diese Abschaltung mit einkalkuliert. Habe natürlich keine Antwort bekommen. Was passiert, wenn ich den Einzugsauftrag storniere, dafür einen gekürzten Dauerauftrag einrichte? Habt Ihr darauf eine Antwort?

    Vielen Dank im voraus.

    1. Sieht nicht gut aus. Die Entscheidung, die dritten Programme rauszunehmen, kam auch nicht von denen. Sondern von den Kabelbetreibern, die auf einmal Geld haben wollten. Ich gehe nicht davon aus, dass die GEZ jetzt Rabatte dafür einräumt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.