Google hat ein neues Patent angemeldet, das den wohlklingenden Namen Automated generation of suggestions for personalized reactions in a social network trägt. Idee: Da man sowieso schon fast alles über den Nutzer weiß, kann Google auch direkt als Ghostwriter einspringen. Man schlägt Antworten vor, die am besten die Persönlichkeit des Nutzers widerspiegeln.
The suggestion generation module includes a plurality of collector modules, a credentials module, a suggestion analyzer module, a user interface module and a decision tree. The plurality of collector modules are coupled to respective systems to collect information accessible by the user and important to the user from other systems such as e-mail systems, SMS/MMS systems, micro blogging systems, social networks or other systems.
Ghostwriter für Twitter, Facebook & Co. sind nichts neues. Je berühmter die Persönlichkeit, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein oder mehrere Ghostwriter engagiert wurden. Bekanntes Beispiel ist hier Annie Colbert, die unter anderem für Guy Kawasaki twittert. Chris Romero schreibt in 140 Zeichen für Rapper 50 Cent. Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Auf den ersten Blick mag das befremdlich erscheinen, da man auf Twitter und Facebook davon ausgeht mit der jeweiligen Person zu kommunizieren und nicht mit einem Surrogat. Letztlich sollte man Stars, wie 50 Cent, Britney Spears oder Kanye West eher als Marken statt Personen verstehen. So macht es auch Sinn, dass Agenturen, wie ad.ly, sich einzig und allein darum kümmern, Unternehmen und Stars zusammen zu bringen. Die Agentur sorgte 2012 dafür, dass Charlie Sheen über Internships.com twittert – für 50.000USD pro Tweet. Guy Kawasaki erkannte schon Anfang 2009 das wahre Potenzial Twitters – als Marketing Plattform.
Basically, for 99.9 percent of people on Twitter, it is about updating friends and colleagues about how the cat rolled over. For a tenth of a percent it is a marketing tool.
Was für Stars und Sternchen schnell in Arbeit ausartet und daher dem Outsourcing zum Opfer fällt, kann auch für Normalsterbliche zur Last werden. Mit Facebook, Twitter, Instagram, Pinterest, Tumblr, LinkedIn und Google+ gibt es einige Seiten, die nach Aufmerksamkeit verlangen. Bei mehreren hundert Freunden auf Facebook und tausenden Followern auf Twitter hat immer irgendjemand Geburtstag, einen neuen Job, eine Beförderung, oder irgendetwas anderes auf das man reagieren sollte, so Google. Und hier soll der neue „Vorschlagsgenerator“ ins Spiel kommen.
Many users use online social networking for both professional and personal uses. Each of these different types of use has its own unstated protocol for behavior. It is extremely important for the users to act in an adequate manner depending upon which social network on which they are operating. For example, it may be very important to say „congratulations“ to a friend when that friend announces that she/he has gotten a new job. This is a particular problem as many users subscribe to many social different social networks. With an ever increasing online connectivity and growing list of online contacts and given the amount of information users put online, it is possible for a person to miss such an update.
Automatisierung wird meist als Chance gesehen, mehr Zeit für das „wirklich Wichtige“ zu haben. Autovervollständigung erspart das Tippen. Autopiloten ersparen Aufmerksamkeit. GPS erspart das Nachdenken. Was aber passiert, wenn der Algorithmus nun auch „Wichtiges“ übernimmt – wie zwischenmenschliche Kommunikation? Was passiert, wenn wir zunächst Glückwünsche, Gratulationen und Beileidsbekundungen automatisiert „erledigen“ lassen und später immer mehr der unzähligen Interaktionen der Automatisierung zum Opfer fallen?
Schon jetzt unterscheiden viele zwischen „echten Freunden“ und „Facebook Freunden“. Wird diese Unterscheidung im digitalen Alltag bald vielschichtiger? Personen oder Ereignisse, denen wir unsere „echte“ Aufmerksamkeit schenken und all jene, die durch den Algorithmus abgespeist werden? Erstere kommen in den Genuss einer selbst geschriebenen Nachricht, Letztere müssen sich mit dem zufriedengeben, was Googles Algorithmus ausspuckt – ohne dies zu merken. Implizit wird dadurch Aktivität wichtiger als Inhalt. Und Reaktion wichtig als Authentizität. Man wahrt den Schein, da man ja – ganz der Netiquette entsprechend – seine Glückwünsche geäußert, sein Beileid bekundet und seine Grüße ausgerichtet hat. Ohne Google wäre es vielleicht zu gar keiner Reaktion gekommen. Dank der Automatisierung muss man sich darüber aber keine Gedanken mehr machen. Ganz gleich, wie unwichtig und rudimentär die soziale Bindung auch sein mag – der Algorithmus kann sie fortan am Leben halten, indem der Anschein gewahrt wird, dass man am Leben des Gegenübers teilnimmt. Dank berechneter, automatischer Reaktionen.
Robin Dunbar, Anthropologe an der Universität von Oxford, hat die Dunbar-Zahl aufgestellt. Seinen Untersuchungen zufolge ist der Mensch in der Lage lediglich 150 bedeutsame soziale Bindungen zu anderen Menschen zu haben.
This is the number of people you can have a relationship with involving trust and obligation – there’s some personal history, not just names and faces.
Nun könnte man Googles „Suggestion Generation Module“ als Lösung des Problems sehen, dass man zwar hunderte „Freunde“ auf Facebook und anderen Plattformen hat, aber unter der schieren Masse an möglichen und implizit geforderten Reaktionen versagt. Hier könnten automatisierte Antworten entlasten. Man kann weiter Freunde sammeln und muss sich keine Gedanken darum machen, dass diese „Freundschaften“ auch gepflegt werden wollen. Dadurch stellt man sich jedoch nicht die eigentliche Frage: Was sagt es über die soziale Bindung und das eigene Verständnis von selbigen aus, wenn man die Kommunikation einem Algorithmus überlässt? Wo liegt der Sinn einer sozialen Beziehung, wenn nicht im Austausch und der Kommunikation?
Nicholas Carr, Autor von The Shallows, sieht, zugegeben etwas dystopisch, in Googles Automatisierung vor allem ein sich selbst bestätigendes, geschlossenes System.
A computer running personalization algorithms will generate your personal messages. These computer-generated messages, once posted or otherwise transmitted, will be collected online by other computers and used to refine your personal profile. Your refined personal profile will then feed back into the personalization algorithms used to generate your messages, resulting in a closer fit between your computer-generated messages and your computer-generated persona. And around and around it goes until a perfect stasis between self and expression is achieved. The thing that you once called “you” will be entirely out of the loop at this point, of course, but that’s for the best. Face it: you were never really very good at any of this anyway.
Googles neues Patent sollte zumindest zum Innehalten und zum Nachdenken anregen. Natürlich ist es letztlich Predictive Search (Apps, die den Nutzer mit Informationen versorgen, bevor dieser danach gesucht oder gefragt hat) angewandt auf Kommunikation. Was bei Wetterberichten und Tagesnachrichten interessant klingen mag, sollte bei zwischenmenschlicher Kommunikation zu Stirnrunzeln führen. Automatisierte, vertextete Reaktionen auf Ereignisse sind grundsätzlich bedeutungsleer. Was ist Kommunikation noch wert, wenn sie ohne jegliches eigenes zutun stattfindet? Scheinbare Anteilnahme, Freude oder Mitgefühl sind letztlich genau das – Schein. Leider ist automatisierte Kommunikation der nächste, logische Schritt in einer Gesellschaft, für die Aktivität wichtiger ist, als Reflexion.
Ihr bei Netzpolitik seid immer so verdammt pessimistisch. Ich finde Googles geistiges Eigentum so richtig gut. Schließlich muss ich doch meine tausende Follower bei Twitter irgendwie abspeisen, wenn ich doch bei mir im Blog schon keine Kommentare mehr zulasse.
In Zukunft werden Algorythmen wohl auch Zeitungsartikel und Blogposts schreiben. Irgendwannmal vielleicht sogar Doktorarbeiten oder ganze Bücher.
Man muss das nur mal ein bischen weiter denken.
In Zukunft? http://www.crackajack.de/2012/09/29/elektrischer-reporter-uber-roboter-journalismus/ ;)
Danke für diesen Artikel.
Tja, dann sollten wir doch lieber Artgerecht in kleinen Gruppen zuśammenleben….;-)
Es stellt sich dann doch schnell die Frage, wer eigentlich all die generierten Glückwünsche der entfernten Freunde lesen mag. Aber irgendwie sollte man sicher darauf reagieren.
Darum schlage ich vor, jenseits seines engsten Freundeskreises die gesamte Kommunikation zu verbergen und vollautomatisch beantworten zu lassen. Google weiß ja, welche ‚Kommunikationspartner‘ sich nicht wirklich füreinander interessieren und kann das gleich komplett übernehmen.
Da freut sich dann auch die NSA über die gewachsenen social graphs.
Nun ja, wenn alle das nutzen, kommunizieren nur noch Algorithmen miteinander. Find ich schon wieder witzig.
… das aber alles aus dem account eines echten menschen.
ob wohl die polizei, die irgendwann die tür eintritt, robotisch daherkommt? „irgendwie witzig“ könnte stimmen. irgendwie.
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