Das niederländische Gesetz zum Schutz der Netzneutralität hat die erste und entscheidende Hürde genommen. Der Senat stimmte gestern für das Gesetz, das u.a. Deep-Packet-Inspection streng limitiert, den Internetzugang besser schützt und Traffic-Management reguliert. Damit werden Nutzerrechte gestärkt und die Grundlage für die Sicherung eines Echten Netzes geschaffen. Konkret bedeutet dies:
Für Netzneutralität wird festgelegt, dass Internetprovider nicht den Traffic ihrer Nutzer beeinflussen dürfen – ausgenommen: Netzwerkmanagement im Interesse der Nutzer. Ein ziemlich kompromisslose und klare Definition von Netzneutralität, der wohl jeder beipflichten wird, außer vielleicht der Provider KPN, der für alle möglichen Dienste und Protokolle gerne Zusatzgebühren hätte (wie jeder andere Provider übrigens auch, daher müssen wir uns ja jetzt auf legislativem Wege dagegen schützen). Dann gibt es noch einen Anti-Abhör/Überwachungs-Gesetzentwurf, in dem deep packet inspection weitestgehend verboten wird. Diese Technik darf nur unter strengen Vorraussetzungen zum Einsatz kommen, oder wenn die Nutzer explizit zugestimmt haben – was wohl kaum jemand tun wird. Für gerichtlich legitimierte Abhörmaßnahmen bleibt DPI legal. Und die Bedingungen für das Trennen eines Internet-Anschlusses wurden limitiert. Das soll nur noch im Betrugsfall oder bei Nichtbezahlen der Rechnung möglich sein – damit wird 3-strikes-Regelungen wohl erstmal ein dicker Riegel vorgeschoben.
Bits of Freedom, eine niederländische Organisation für digitale Bürgerrechte, kommentiert ihren Erfolg in einer Pressemitteilung: Netherlands first country in Europe with net neutrality.
The net neutrality law prohibits internet providers from interfering with the traffic of their users. The law allows for traffic management in case of congestion and for network security, as long as these measures serve the interests of the internet user. A technical error in the law might still be corrected in a vote on 15 May. In addition, the law includes an anti-wiretapping provision, restricting internetproviders from using invasive wiretapping technologies, such as deep packet inspection (DPI). They may only do so under limited circumstances, or with explicit consent of the user, which the user may withdraw at any time. The use of DPI gained much attention when KPN admitted that it analysed the traffic of its users to gather information on the use of certain apps. The law allows for wiretapping with a warrant.
Das Gesetz ist durch, aber es könnten noch am am 15. Mai in der „tweede Kamer“ kleine kosmetische Änderungen vorgenommen werden. Gratulation an Bits of Freedom, damit bekommen die Niederlande das erste Netzneutralitätsgesetz in Europa, was hoffentlich Signalwirkung haben wird. Deutschland hält sowas ja leider nicht für möglich und verspielt damit ein echtes Netz.
Update: Hier ist die Pressemitteilung des Digitale Gesellschaft e.V.: Vorbild Niederlande: Echtes Netz muss gesichert werden.
(Ich hatte zuerst das niederländische System falsch eingeschätzt und von einer ersten Hürde gesprochen. Paul Keller wies in den Kommentaren daraufhin, dass dies der entscheidende Schritt war, kommende Woche wird das nur noch abgenickt.)
„Für Netzneutralität wird festgelegt, dass nicht den Traffic ihrer Nutzer beeinflussen dürfen“
Wer?
Gilt das auch für 3G/4G? Ansonsten sind die Holländer uns mal wieder weit voraus.
Nicht „tweete“ sondern „tweede kamer“.
@Pieter: Danke, hab ich korrigiert.
@Pieter hehehe, hab mich auch grad gewundert. ob die Niederlande wirklich ein Twitter-Gericht haben, das seine Urteile nur tweetet? ;)
Das ist zwar sehr Schön und Richtig , nur ob es wirlich etwas Nützt ist die große Frage? Solange die EU kein gleichwertiges Netzneutralitätsgesetz in Europa beschließt können die Provider sich jedezeit über die EU wieder aus dem Gesetz Klagen.
„Netzwerkmanagement im Interesse der Nutzer“ kann aber eben sehr viel bedeuten. Man kann auch die Suche nach infizierten Rechnern anhand von verdächtigen Paketen mittels DPI oder das blockieren / drosseln von P2P-Verbindungen als „im Interesse der Nutzer“ bezeichnen. Dadurch wird ja doch das Netz sicherer (weniger viren) bzw. stabiler / schneller (weniger P2P-Traffic).
Ein Verstoss gegen die Netzneutralität sind diese Beispiele zumindest in meinen Augen trotzdem. Das Problem ist sicher, dass ein Provider, der will immer einen Weg findet um DPI für seine Interessen zu missbrauchen, auch wenn man dieses nur für „Netzwerkmanagement im Interesse der Nutzer“ erlaubt.
„Dann gibt es noch einen Anti-Abhör/Überwachungs-Gesetzentwurf, in dem deep packet inspection weitestgehend verboten wird. Diese Technik darf nur unter strengen Vorraussetzungen zum Einsatz kommen, oder wenn die Nutzer explizit zugestimmt haben – was wohl kaum jemand tun wird.“
Das ist eine Naive Einschätzung meiner Meinung nach.
Das wird den Kunden dann als etwas positives verkauft. Nehme ich nicht mein Wissen sondern z.B. das der Verwandschaft als Grundlage, ist das mit dem was wohl kaum jemand tun wird nicht mehr zutreffend.
die beschriebene prozedur stimmit nicht wirklich:
die abstimmung im senaat (‚eerste kamer‘) war die letzte hürde und nicht die erste. die abstimmung in der zweiten kammer de parlaments (‚tweede kamer‘, das deutsche equivalent ist der bundestag) erfolgte schon im letzten jahr. die zweite kamer muss sich nicht nochmal mit dem gesetz befassen, das gesetz tritt nach der abstimmung im senat in kraft.
noch mal zur Klarstellung:
Es gab einen Fehler in der Abstimmung in der zweiten Kammer, der nun durch ein separates kurzes Gesetz (zur Änderung des soeben beschlossenen Gesetzes) noch korrigiert werden soll. Die erste Kammer wird daher am 15. Mai über diese Änderung abstimmen. Nur deswegen gibt es noch eine weitere Abstimmung. Der Rest ist schon durch und darf bejubelt werden.
Entschuldigung: In den Niederlanden herrscht gerade Regierungskrise. Falls eine Partei das Gesetz für die tweede kamer „kontroversiel“, also für umstritten erklärt, kann darüber derzeit nicht abgestimmt werden. Ich suche noch nach der niederländischen Originalquelle. Alles was derzeit durch die zweite Kammer muss, muss man vorsichtig betrachten. Trotzdem wäre es ein großer Erfolg.