Am liebsten hätte Twitter zu dieser delikaten Angelegenheit wohl gar nichts gesagt: Mitte Februar zeigten wir, dass der AfD-Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten mit seinem Account gegen das Verbot von Wahlwerbung auf der Plattform verstoßen hatte. Erst nach mehrfachen Nachfragen bestätigt Twitter nun endlich offiziell unsere Recherche.
„Die Tweets, auf die Sie Bezug nehmen, verstoßen gegen unsere Richtlinien für politische Inhalte“ heißt es von Twitter-Sprecher Christof Schmid. Die Bewerbung der Inhalte sei gestoppt worden, „sobald wir darauf aufmerksam wurden.“ Der Fall ist ein weiterer Beleg für den schwierigen Umgang von Social-Media-Unternehmen mit politischer Werbung. Er kommt zu einem Zeitpunkt, da die Europäische Union sich anschickt, das weitgehend unregulierte Feld erstmals gesetzlich zu regeln.
Tweet und Profil beworben
Max Otte ist Publizist, ehemaliger BWL-Professor und Mitglied der langjährigen Regierungspartei CDU. In dieser war er Vorsitzender der Rechtsaußengruppe Werte-Union, inzwischen läuft ein Parteiausschlussverfahren. Seitdem die rechtsradikale Alternative für Deutschland (AfD) ihn am 25. Januar als ihren Kandidaten für das höchste Amt im Staat vorgestellt hatte, twitterte er auf seinem Account @maxotte_says mehrfach über die Bundespräsidentenwahl.
So auch am 31. Januar, als er in einem mit dem Hastag #Bundespräsidenten versehenen Tweet erklärte, welche Eigenschaften für die Position wichtig seien.
Der Bundespräsident wird in Deutschland nicht direkt vom Volk gewählt, sondern von der Bundesversammlung. Otte bewarb trotzdem mindestens diesen Tweet mit der „Promoted Ads“-Funktion. Hierbei wird die Reichweite eines Inhalts durch Twitter künstlich erhöht. Posts werden dann als „Gesponserter Tweet“ gekennzeichnet und auch Menschen in ihrer Timeline angezeigt, die Otte nicht folgen.
Auch sein Profil, in dem er sich explizit als „Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten 2022“ vorstellte, ließ er bewerben. Hierbei wird der Account anderen Nutzer:innen als Folge-Empfehlung vorgeschlagen. Auch wenn Twitter jegliche Werbung von Kandidat:innen für öffentliche Ämter und zu Wahlen generell verbietet, wurden die Inhalte mehrere Tage beworben.
Offenbar keine Konsequenzen für Otte
Bereits Anfang Februar wiesen viele Twitter-Nutzer:innen die Plattform in eigenen Tweets darauf hin, dass Otte hiermit gegen die Regeln verstößt. Mehrere Nutzer:innen meldeten den Tweet zudem nach eigenen Angaben über die Meldefunktion der Plattform. Wann genau das Unternehmen die Werbung für Ottes Inhalte einstellte, bleibt die Antwort auf unsere Presseanfrage schuldig.
Deutlich wird jedoch: Weitere Konsequenzen muss der Rechtsaußen-Politiker wohl nicht fürchten. Twitter-Sprecher Schmid verweist diesbezüglich lediglich auf ein FAQ zu politischer Werbung. Hier heißt es, die Entscheidung, einen Werbekunden auszuschließen, sei von mehreren Faktoren abhängig. „Wir berücksichtigen beispielsweise, wie häufig ein Werbekunde gegen eine Richtlinie verstößt, welche Richtlinien verletzt werden und in welchem Zeitraum die Verstöße auftreten.“
Eigentlich sollte Twitter alle Anzeigen vor Veröffentlichung prüfen. Das Unternehmen will sich nicht öffentlich dazu äußern, wie die beworbenen Tweets erscheinen konnten und warum die Kontrollmechanismen nicht griffen. Twitter äußert sich auch nicht dazu, ob weitere Werbeschaltungen des AfD-Kandidaten gegen die Regeln verstoßen haben. Auch die Information, wieviel Otte für die gesponserten Inhalte bezahlt hat, behält das Unternehmen für sich.
Max Otte selbst möchte sich zu dem Sachverhalt weiterhin nicht äußern. Er stand zunächst wegen zu „vieler Termine“ nicht zur Verfügung, inzwischen reagiert er auf unsere Presseanfrage gar nicht mehr.
EU will verbindliche Regeln erlassen
Auch für Twitter selbst wird der Fehler wohl keine Konsequenzen haben. Dass auf der Plattform Werbung für politische Inhalte verboten ist, ist eine eigene Entscheidung des Konzerns. Nach immer wiederkehrenden Berichten um irreführende Werbung und manipulatives Microtargeting entschied sich Twitter im Jahr 2019 mit Blick auf anstehende US-Präsidentschaftswahl, die Sache lieber gleich ganz zu unterbinden. Der mögliche Schaden sei größer als der Nutzen, das Risiko nicht beherrschbar.
Dass die Rahmenbedingungen für politische Werbung im Netz bislang vor allem von den Plattformkonzernen gestaltet werden, will die EU ändern. Im Herbst 2021 legte sie einen Verordnungsvorschlag vor, der vor allem mehr Transparenz in die politische Online-Werbung bringen soll. Zivilgesellschaftliche Expert:innen wie Frederike Kaltheuner von Human Rights Watch werteten den Fall gegenüber netzpolitik.org als Beleg dafür, dass dies dringend geschehen muss – und dass die Pläne der EU nicht weit genug gehen.
Mehr dazu in der ursprünglichen Recherche: „Gescheiterter AfD-Kandidat Otte: Verbotene Werbung auf Twitter“
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