Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.
Im März 2022 folgt Norbert Himmler auf Thomas Bellut als Intendant des ZDF. Er steht vor einer der größten Aufgaben in der Geschichte öffentlich-rechtlicher Medien. In Abstimmung mit der ARD muss er den Umbau des ZDF zu einem plattformübergreifenden Digitalangebot als Teil eines öffentlich-rechtlichen Ökosystems vorantreiben. Denn spätestens mit der für 2022 anvisierten Verabschiedung einer Auftrags- und Strukturreform durch die Länder als Rundfunkgesetzgeber (bis 14. Januar 2022 läuft noch die öffentliche Konsultation zum Entwurf), wird der wichtigste Grund für Zurückhaltung bei der digitalen Neuaufstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wegfallen: das rigide gesetzliche Korsett, das bislang größere Umschichtungen und Umstrukturierungen verhindert hat.
Aus größerer Freiheit folgt größere Verantwortlichkeit
Bislang sind sämtliche Spartensender – von ZDF Neo über ARD Alpha bis hin zu Phoenix – unmittelbar gesetzlich beauftragt. Einen solchen Sender zugunsten neuer Online-Angebote einzustellen, war damit unmöglich. Die anstehende Reform wird genau das möglich machen. Damit steigt der Spielraum, aber auch die Verantwortlichkeit für die Gestaltung des öffentlich-rechtlichen Angebots. Gesetzliche Einschränkungen können noch weniger als bisher für fehlende zeitgemäße (Digital-)Angebote herhalten.
Solche größeren Freiheiten haben sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten schon lange gewünscht. Jetzt wird es darauf ankommen, diese Chance zu nutzen. Ohne den Startvorteil von Platz Eins und Zwei auf der Fernbedienung wird das aber ein Maß an Agilität und Experimentierfreude erfordern, das im öffentlich-rechtlichen Kontext bislang nur das Jugendangebot Funk zu leisten vermochte. Funk hatte allerdings den Vorteil, ohne Altlasten und Pfadabhängigkeiten losstarten zu können.
Öffentlich-Rechtliche müssen sich öffnen
Im Wettbewerb mit und auf digitalen Plattformen werden die öffentlich-rechtlichen Medien nämlich nur dann bestehen, wenn sie sich gleich in mehrfacher Hinsicht digital öffnen. Es braucht mehr Offenheit dem eigenen Publikum gegenüber, dem bislang kaum Kanäle für Rückmeldung und Interaktion offenstehen. Die öffentlich-rechtlichen Anbieter in Deutschland und Europa müssen offener für Kooperation werden, von stärker Open-Source-basierter Softwareentwicklung bis hin zur wechselseitigen Verschränkung von Online-Angeboten. Und was die eigenen Inhalte betrifft, so gilt es diese mit Wikipedia-kompatiblen Lizenzen offener zu gestalten und so im Netz breiter zirkulieren zu lassen.
Der für dieses Mehr an Offenheit erforderliche Struktur- und Kulturwandel wird nicht einfach werden. Glücklicherweise ist Norbert Himmler als neuer ZDF-Intendant hier nicht auf sich allein gestellt. Auch in der ARD ist eine neue, digitale Generation im Kommen, am sichtbarsten in Person des neugewählten HR-Intendanten und Funk-Gründungsgeschäftsführers Florian Hager. Auch er wird 2022 seinen neuen Job antreten. Da geht was.
Dieser Beitrag der Reihe ist in leicht gekürzter Fassung zuerst bei Medieninsider (€) unter dem Titel „Öffentlich-Rechtliche müssen sich öffnen“ erschienen.
Ich habe zu Weihnachten das Buch „Europe for Future“ (Herr & Speer) geschenkt bekommen, darin lautet Vorschlag Nr. 68: „die EU braucht einen gemeinsamen europäischen öffentlich rechtlichen Rundfunk, … “ – und in der Tat, wenn ich mir die fehlende Berichterstattung zu Julian Assange (!), die fehlende Berichterstattung aus den Institutionen der EU (Parlament, Rat, Kommission, EUGH, … ! ) – eben „nicht“ anschaue: weil sie fehlt, => dann denke ich: ja! lasst uns die guten Politik-Magazine der ARD wie Monitor, Panorama, Weltspiegel, dazu auch Presseclub, und auch die nette Sendung mit der Maus alle herüberreichen in einen gemeinsamen großen EU-Sender. Das ZDF gibt seine besten politischen Kabarettsendungen (Uthoff/Wagner, Welke, Böhmermann) teilweise bereits an die Nachbarländer über 3SAT, wo auch die grandiose „Kulturzeit“ läuft … und so könnte es gehen: mit 3SAT, ARTE und einem EU-Sender in anständige politische Bildung durch vollständigen Qualitätsjournalismus. Das fände ich eine spannende bereichernde Richtung.
– falls hier jemand mal etwas Utopisches lesen wollte –
„Die öffentlich-rechtlichen Anbieter in Deutschland und Europa müssen offener für Kooperation werden, von stärker Open-Source-basierter Softwareentwicklung bis hin zur wechselseitigen Verschränkung von Online-Angeboten. “
Kann der Autor bitte den Punkt mit „Open-Source-basierter Softwareentwicklung“ im Zus.hang mit ÖRR erläutern? Vielen Dank.
Schon heute gibt es im Rahmen der European Broadcastin Union (EBU) sogenannte Shared-Code-Projekte, in der ÖRR Code für diverse Bereiche austauschen können, aber Mediathekentwicklung und viele andere Softwareprojekte werden bislang in den allermeisten Fällen nicht Open-Source-basiert entwickelt. Das heißt z.B., dass in den letzten Jahren die Schweizer SRG und der österreichische ORF parallel ihre jeweiligen Play Suisse bzw. ORF Player Projekte vorangetrieben haben, anstatt hier auf Open-Source-Basis zu kooperieren.
Das ist alles, was dem Öffentlichen Rechtlichen in Deutschland „auferlegt“ wird? Ich hoffe, Ihr postet meinen Beitrag, weil Kritik am Deutschen ÖR wird sehr gerne der rechten Ecke zugeschrieben.
Der Deutsche Rundfunk hat diesen einen entscheidenden Vorteil, weil er weltweit gesehen als unabhängiges Medium zur Politik (angeblich) gesehen wird. Ist er auch irgendwo, aber genau das führt ja dazu, das vor allem Demokraten sich nicht trauen den Rundfunk zu kritisieren, weil ein Demokrat der diese äußerst demokratische Einheit kritisiert, kann ja gar kein Demokrat sein.
Das nennt man auch Manipulation.
WANN wird endlich berechtigte Kritik thematisiert? Warum sind es ausgerechnet Diejenigen, die immer nach Verantwortung, Fairness, sozialen Ausgleich usw. brüllen, die konsequent berechtigte Kritik ignorieren. Kann mir das einer erklären? Ich kann mir das halt nur so erklären, das man es nicht wagen will, weil es eben als demokratisches Medium verkauft wird.
Darf ein demokratisches Medium tun und lassen, was es will? Solange es keine radikalen Ansichten vertritt?
1. Die Abgabenlogik des dt. Deutschen Rundfunk ist erwiesenermaßen NICHT sozial-verträglich
Menschen die Arbeitslosengeld 1 bekommen, müssen die volle Gebühr zahlen (nur weil sie knapp über Hartz-Niveau liegen)
Studenten, die keine Schulden über Bafög anhäufen wollen und versuchen so über die Runden zu kommen, müssen als Strafe Rundfunkgebühr zahlen
Wohngeldberechtigte müssen den vollen Satz der Rundfunkgebühr zahlen
Geringverdiener, die Mindestlohn bekommen, müssen den vollen Satz Rundfunkgebühr zahlen
Teilzeitarbeiter usw. die alle unter 1500 Euro Netto haben, müssen den vollen Satz der Rundfunkgebühr zahlen
Die Rundfunkgebühr richtet sich nicht prozentual an das Netto-Gehalt, 1% wäre fairer, jedoch für alle unter 1500 Euro immer noch zu viel
2. Der Rundfunk hat so viele Dokus die den gleichen Inhalt haben, kein neues Wissen vermitteln und auch nicht besonders schöner sind. Ich verstehe ja, das man irgendwo Ortsbezogen Wissen vermitteln will, das ist auch ok, aber allgemeine Dokumentationen doppelt und 5fach mit dem selben Inhalt? Nee.
3. Nachrichten
Ohne die privaten kannst du das Nachrichtenkonzept des ÖR vollkommen vergessen. Was den WDR angeht auf wdr.de wird man kaum bis gar nicht vernünftig informiert.
Es wird viel Geld rausgeschmissen, für ein sehr ineffizientes Verhalten. Und ich fühle mich nicht wirklich gut aufgeklärt, die meisten Dokus kann ich mir auch nicht angucken weil sie zb ein ohnehin schwieriges Thema nochmal zusätzlich stark emotionalisieren und dramatisieren.
4. Funk ist mal eine Kooperationsfirma gewesen. Viele Leute sind ins Internet geflüchtet, weil man dort viel Wissen, Spaß, Kreativität bekommen hat. Alles privat, von privaten Content Creatorn. Dann kam FUNK und hat einen Teil dieser CCs sozusagen aufgekauft. Sie wurden zu FUNK. Und seitdem die typische Medienwelt sich im Internet breit gemacht hat, hört man halt auch immer öfter „Gut, das wir den ÖR haben“… kein Wunder.
5. Teilweise werden aber auch Dokus komplett unreflektiert an den Mann gebracht… der ÖR ist maßgeblich daran beteiligt, das die Leute Angst vor der Pharmaindustrie haben. Die Dokus habe ich mir auch alle angeguckt, die kommen alle vom ÖR. Kritik schön und gut, aber letzten Endes ist nicht unbedingt die Pharmaindustrie Schuld sondern korrupte Menschen mit Verantwortung (Ärzte, Politiker und ja, irgendwo auch die Pharmaindustrie). Ich warte schon sehnsüchtig auf das Ende der Pandemie und eine ÖR-Doku über Biontech :D
So….
wieso hört man von den Demokraten nie Kritik und wenn man als Demokrat mal kritisiert, ist man ein Rechter.
Am meisten stört mich Punkt 1
und enttäuscht mich auch, vor allem von Denjenigen, die immer verkaufen sie würden sich für Gerechtigkeit einsetzen. Und das der Dt. Rundfunk anhand der Einwohnerzahl die höchste Rundfunkgebühr hat, wird ja auch konsequent ignoriert.
Zu 1:
Es gibt keine Rundfunkgebühr, es ist ein Rundfunkbeitrag.
Dieser Rundfunkbeitrag wurde auch schon mehrfach vom Bundesverfassungsgericht überprüft, und beanstandete Punkte in späteren Rundfunkstaatsverträgen von den Landtagen der Bundesländer geändert.
So sind z.B. inzwischen Zweitwohnungen von der Beitragspflicht befreit.
Die Finanzierung des staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch einen Beitrag der sich aus der Möglichkeit ergibt diesen zu nutzen ist einfach und gerecht.
Gerade Geringverdiener die sich kein Abo für Netflix & Amazon prime leisten können profitieren von unserem gemeinschaftlichen solidarischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk den die Anstalten der ARD bieten.
„Einfach und gerecht“? So kann man nur aus Sicht des ÖRR argumentieren. Aus Nutzersicht ist es eben beides nicht.
Die Behauptung, dass Geringverdiener im besonderen Maße vom qualitativ arg überschaubaren Unterhaltungsangebot des ÖRR ausgerechnet im Vergleich zu Netflix profitieren, ist geradezu lächerlich. Geschmäcker sind verschieden, aber wenn es etwas gibt, woran die Öffentlich-Rechtlichen seit Jahren ultimativ scheitern, dann ist das Themengebiet Unterhaltung. Bieder, altbacken, uninspiriert, leidenschaftslos und einfach schlecht gemacht.
Aus meiner Nutzersicht schon, und nun? Klar ist viel Raum fuer Verbesserung in Form und Inhalt, aber die Finanzierung ist prinzipiell sauber und solide.
Abgesehen davon ist OeR wesentlich mehr als nur Unterhaltung, ich habe als Kind von Sesamstrasse bis Telekolleg sehr davon profitiert.
„der ÖR ist maßgeblich daran beteiligt, das die Leute Angst vor der Pharmaindustrie haben.“
Häh? Bei „Lügenpresse“-Freunden ja wohl nicht. Aber Spass am Rande: wie oder woran macht man das fest?
„wieso hört man von den Demokraten nie Kritik und wenn man als Demokrat mal kritisiert, ist man ein Rechter.“
Weil die Republikaner gewonnen haben? Ach nee, hier ja nicht – woran machen sie fest, dass … was sind eigentlich Demokraten? Meinen sie, dass Kritik an ÖR allgemein nach Rechts verortet wird? Ich habe jede Menge fundierter Kritik aus verschiedenen Richtungen in den Kommentaren allein auf dieser Seite gelesen…
Oder bringen die ÖR nicht systematisch Kritik über sich selbst, und wenn dann in Stürmer-Karrikatur-Manier?