Zunächst wollte Facebook politische Anzeigen nur in der Woche vor der US-Wahl verbieten. Nun kündigte das Unternehmen an, dass auch nach dem Wahltag am 3. November Anzeigen mit politischen Inhalten bis auf weiteres auf Facebook und Instagram verboten sein werden. Das Werbeverbot umfasst nicht nur Anzeigen in Bezug auf die Wahl, sondern auch alle „social issue ads“. Darunter könnten auch Inhalte sozialer Bewegungen wie Black Lives Matter fallen.
Es wird immer deutlicher, dass die gesellschaftliche Anerkennung der US-Präsidentschaftswahl unter den Bedingungen der Pandemie auch lange nach der Wahlnacht in Gefahr ist. Wann das zeitweise Verbot zurückgenommen wird, lässt Facebook offen. Es werde den Kund:innen zum entsprechenden Zeitpunkt mitgeteilt.
Facebook fürchtet „Verwirrung“ nach der Wahl
Es wird erwartet, dass die Auszählung der Stimmen Tage oder Wochen dauern könnte. Es kann demnach länger dauern, bis ein Gewinner feststeht, denn aufgrund der Corona-Pandemie nehmen weit mehr Wähler:innen die Briefwahl in Anspruch als üblich.
Der kürzlich an Covid-19 erkrankte Präsident Donald Trump behauptet, dass die Briefwahl zu massivem Wahlbetrug führe. Belege dafür lieferte der Noch-Präsident nicht, hinter seiner Ablehnung könnte ein anderer Grund stecken: Die Unterstützer:innen des demokratischen Kandidaten Joe Biden sollen weit häufiger die Briefwahl favorisieren als Anhänger:innen der Republikaner.
Dieses Szenario könnte dazu führen, dass es durch die zeitverzögerte Auszählung zunächst so aussieht, dass Trump vor Biden liegt, auch wenn ein Endergebnis das Gegenteil zeigen würde. Auf die Frage, ob Trump seine Macht im Fall einer Niederlage friedlich abgeben würde, sagte er mit Verweis auf die Briefwahl: „Wir müssen abwarten und schauen, was passiert“. Genug Grund für Facebook, um zu befürchten, dass das eigene Netzwerk für „post-election confusion“ missbraucht werden könnte.
Content-Bann und verlässliche Nachrichten
Als Risiko in den Wirrungen nach der Wahl nennt Facebook, dass sich etwa ein Kandidat zum Gewinner erklärt, ohne das Wahlergebnis abzuwarten. Das würde einen friedlichen Machtwechsel behindern.
Solange die Ergebnisse nicht ausgezählt sind oder anerkannte Medien keinen Wahlgewinner vermelden, wird an prominenter Stelle beim Öffnen von Facebook und Instagram oder direkt an den Posts darauf hingewiesen, dass kein Gewinner festeht. Der Internetkonzern, der sich als Techfirma und nicht in Verwandtschaft mit Medienhäusern sieht, baut damit zunehmend auf redaktionell geprüfte Inhalte von Nachrichtenmedien, um seinen User:innen verlässliche Informationen anzuzeigen.
Außerdem will Facebook weitere Inhalte löschen: Verbannt sind Aufrufe dazu, eine Waffe zur Wahl mitzunehmen oder die Wahl zu beobachten, wenn dabei militaristische Sprache benutzt wird oder dabei Wahlhelfer:innen und Wähler:innen eingeschüchtert werden sollen. Trump forderte zu einer aggressiven Wahlbeobachtung auf und hatte etwa im ersten TV-Duell „stand back and stand by“ gesagt – man solle sich zurück- aber bereithalten. In der Szene der militanten Trump-Anhänger führte dies geradezu zu Euphorie. Ausgestattet mit neuem Selbstbewusstsein, könnten sie und andere auf Facebook dazu rekrutieren, die „Korrektheit“ der Wahl in ihrem Sinne zu kontrollieren.
Zusätzlich zum Werbebann weitet das Netzwerk die Kontrolle von Posts aus, die im System ohne Bezahlung Reichweite erlangen. Posts mit Inhalten, die wahrscheinlich viral gehen könnten, werden besonders überprüft. Bisher wurden Inhalte mit Hinweisen versehen, die vom Wahlgang abhalten sollen oder die Wahlmethoden infrage stellen, wie etwa der Wahlgang führe zu einer Coronainfektion oder die Briefwahl stehe im Zusammenhang mit Wahlbetrug.
Die Zurückhaltung Facebooks mit Sperren und Korrekturen von Inhalten von Rechtsaußen in den USA wird weniger. Seit dieser Woche löscht das Unternehmen etwa Konten, die im Zusammenhang mit der QAnon-Verschwörungserzählung stehen. Ihre Anhänger:innen feiern unter anderem Trump als Messias. Facebook bemüht sich vor der Wahl zusehends um Maßnahmen gegen Desinformationskampagnen und Beeinflussung. Dabei steht das Soziale Netzwerk unter besonderer Beobachtung, denn seine eigene Aufmerksamkeitsmaschine hat oft – wie auch bei anderen großen Plattformen – Verschwörungserzählungen erst eine breite Sichtbarkeit verschafft.
>Machtwechsel
Nice.