Hamburg: Entwurf für neues Transparenzgesetz verstößt wahrscheinlich gegen Europarecht

Hamburg will das bisher beste Transparenzgesetz Deutschlands reformieren. Statt die Informationspflichten der Verwaltung fortschrittlich zu erweitern, will die Regierung der Hansestadt sie aber einschränken. Eine Regelung des Gesetzentwurfs ist sogar europarechtswidrig.

Elbphilharmonie mit Baukränen
Bei den Bauarbeiten am neuen Transparenzgesetz droht es eher, undurchsichtiger zu werden. – Vereinfachte Pixabay Lizenz ArtofCine

Wenn sich eine Verwaltung den Gesetzentwurf für Verwaltungstransparenz selbst schreibt, dann kommt so etwas heraus wie in Hamburg: Die grün geführte Justizbehörde und der Senat der Hansestadt beschlossen gestern einen Entwurf für die Reform des Hamburger Transparenzgesetzes, der kaum für mehr Transparenz sorgen wird.

Das Gesetz soll die Verwaltung weiterhin verpflichten, wichtige Dokumente online zu veröffentlichen. Künftig sollen zusätzlich auch Stellen wie die Industrie- und Handelskammer transparenter werden, indem die bisherige Pflicht auch auf die mittelbare Staatsverwaltung erweitert wird. Der Informationsbeauftragte der Stadt soll außerdem zusätzlich für Umwelt- und Verbraucherinformationen zuständig sein. Gleichzeitig will die rot-grüne Regierung aber eine große Zahl an neuen Ausnahmen vom Gesetz schaffen.

Datenschutzregelung wird zu Gefahr für Journalistinnen

So will der Senat es deutlich erschweren, Informationen bei der Verwaltung anzufragen. Antworten sollen künftig nicht mehr „unverzüglich“, sondern nach einem Monat erfolgen. Der Datenschutz von Antragstellerinnen wird deutlich abgeschwächt: Wenn Namen und Informationen von Dritten bei Informationsanträgen betroffen sind – also etwa personenbezogene Daten in Dokumenten der Verwaltung, Geschäftsgeheimnisse oder auch das Urheberrecht – sollen die Betroffenen grundsätzlich den Namen und die Anschrift von Antragstellerinnen erhalten dürfen.

„Gegen diese Regelung bestehen erhebliche europarechtliche Bedenken“, sagt der Hamburger Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Johannes Caspar, gegenüber netzpolitik.org mit Blick auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Denn mit der Regelung würden nicht nur Interessierte abgeschreckt werden, Anfragen zu stellen – sie wäre auch gefährlich. Caspar weiter: „Wenn bei jeder kritischen Anfrage der Name und die Anschrift mitzuteilen sind, wird eine Aufdeckung von Missständen zum persönlichen Risiko des Anfragenden. In der EU wurden Journalistinnen und Journalisten in den letzten Jahren immer wieder Ziele von Angriffen durch die organisierte Kriminalität.“ Tatsächlich wurde der Journalist Ján Kuciak im vergangenen Jahr in der Slowakei ermordet, nachdem eine Behörde seine Adresse bei einer Informationsanfrage weitergab. Johannes Caspar bezweifelt, dass die vorgesehene Regelung in jedem Einzelfall „angemessen“ ist, wie es die DSGVO verlangt.

Die dazugehörige Regelung kopierte der Hamburger Senat aus dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG). Das zeigt bei der Kampagne „Topf Secret“ bereits, wie schädlich die Adressweitergabe sein kann. Bundesweit kommt es auf Basis von Fragen nach dem VIG immer wieder zu Hausbesuchen und Drohungen von Restaurantbetreibern an Antragsteller, deren Adresse die Betriebe von den Lebensmittelbehörden bekommen haben.

„Lex FragSieAbi“

Aber nicht nur in der Praxis, auch im Anwendungsbereich des Gesetzes gibt es Probleme. Der NDR und das Landesamt für Verfassungsschutz sind weiterhin vom Gesetz ausgenommen. Zusätzlich sollen aber auch die Kassenärztliche Vereinigung und die milliardenschwere Hamburgische Investitions- und Förderbank von Transparenzpflichten befreit werden, obwohl gerade bei der Bank Korruptionsrisiken vergleichsweise besonders hoch sein dürften.

Auch Prüfungseinrichtungen und Schulen sollen nach dem Willen der Regierung Dokumente geheimhalten dürfen, wenn diese im Zusammenhang mit Prüfungen stehen. Das ist ein „Lex FragSieAbi“: Im Frühjahr musste die Hamburger Schulbehörde noch im Rahmen der Kampagne „FragSieAbi“ alte Abitur-Aufgaben herausgeben. Mit diesen Aufgaben konnten sich Schülerinnen auf ihre Abschlussprüfungen vorbereiten. Das will der Senat künftig verhindern. Laut Johannes Caspar ist diese Regelung nicht zielführend: „Die Intention, mit der Regelung Prüfungsaufgaben vor einer Bekanntmachung zu schützen, ist unbestreitbar sinnvoll. Es ist jedoch nicht sinnvoll, das Thema Prüfungen in seiner Gesamtheit von einer Informationspflicht auszunehmen.“

Verträge nur noch nach Abschluss veröffentlichen

Eine große Errungenschaft des Hamburger Transparenzgesetzes war es, dass wichtige Verträge der öffentlichen Hand veröffentlicht werden müssen, bevor sie in Kraft treten. Diese Norm will die Regierung ersatzlos streichen.

Dazu kommen noch weitere geplante Einschränkungen der Informationsfreiheit: Die komplette Steuerverwaltung wäre vom Gesetz ausgenommen, geistiges Eigentum übermäßig geschützt, die Veröffentlichungspflicht für Dienstanweisungen fiele weg und private Stellen könnten hohe Gebühren verlangen. Schließlich will der Senat auch noch regeln, dass sich staatliche Behörden künftig auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen können.

Hamburg verliert Punkte im Transparenzranking

Bisher wird das Hamburger Transparenzgesetz allgemein als fortschrittlichstes Gesetz seiner Art in Deutschland gepriesen. Es geht auf eine Volksinitiative von Mehr Demokratie, dem Chaos Computer Club und Transparency International zurück. Es könnte seinen Spitzenplatz im deutschen Transparenzranking allerdings bald einbüßen. Mit der vorgesehenen Regelung würde es drei Punkte verlieren. Jetzt ist die Hamburgische Bürgerschaft gefragt, den Entwurf des Senats an wichtigen Stellen zu ändern.

Dabei könnte sie sich auch am progressiven Entwurf für ein Berliner Transparenzgesetz orientieren. In der Bundeshauptstadt startet am Samstag das Volksbegehren für ein Transparenzgesetz – aus der Zivilgesellschaft heraus, ohne Beteiligung der Verwaltung.

1 Ergänzungen

  1. Ist das nicht eine Frage der Fairness?

    „Wenn Namen und Informationen von Dritten bei Informationsanträgen betroffen sind – also etwa personenbezogene Daten in Dokumenten der Verwaltung, Geschäftsgeheimnisse oder auch das Urheberrecht – sollen die Betroffenen grundsätzlich den Namen und die Anschrift von Antragstellerinnen erhalten dürfen.“

    Ja selbstverständlich!
    Warum sollte der Frager schutzbedürftiger sein, als der Dritte? Die (etwas überzeichneten Risiken) treffen doch beide gleichermaßen und nur wenn ich den Gegener kenne, kann ich rechtlich gegen ihn vorgehen.

    Ich sehe da überhaupt keine europarechtlichen Bedenken. Wer seinen Namen im offiziellen Datenaustausch nicht offen legen will, hat seinen Anspruch auf persönliche Daten eines Dritten verwirkt. Diese Art von „Abschreckung“ sollte uns aus Gründen der Fairness willkommen sein. Der Dritte, des Daten offen gelegt werden, muss sich ja auch dem Risiko stellen, öffentlich verfolgt zu werden.

    Verträge vor Abschluss zu veröffentlichen dürfte wettbewerbsrechtliche Argumente entgegenstehen. Da könnte der Zweite im Wettbewerber das Angebot des Ersten stets unterbieten. Der ERste macht die Arbeit und der Zweite gewinnt die Ausschreibung. Was für eine Einstellung hat Arne Semsrottt gegenüber Fairness und Gerchetigkeit?

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