Der Skandal um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sorgt in Österreich seit Monaten für Aufsehen. Zweifeln an der Vertrauenswürdigkeit der Behörde, die zuletzt auch international laut wurden, stellt sich nun die deutsche Bundesregierung entgegen. An der Zusammenarbeit zwischen dem deutschen Verfassungsschutz und dem BVT werde nicht gerüttelt, schrieb das Bundesinnenministerium in Berlin in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Linken-Abgeordneten Andrej Hunko.
Die verworrene Affäre um das BVT beschäftigt die österreichische und internationale Politik. Bereits im Vorjahr wurde der Vorwurf bekannt, die österreichische Behörde habe womöglich rechtswidrig nordkoreanische Pässe an andere Nachrichtendienste weitergegeben. Doch richtig heiß wurde die Causa zu Jahresbeginn: Polizeibeamte durchsuchten im Februar den Amtssitz des BVT in Wien sowie Privatwohnungen von Mitarbeitern und beschlagnahmten zahlreiche sensible Unterlagen – etwa die von Rechtsanwälten und Ex-Politikern, aber auch Dokumente der Abteilungsleiterin für Extremismusbekämpfung.
Letzteres ist brisant: Denn seit langem sind Querverbindungen der Regierungspartei FPÖ zur rechtsextremen Szene bekannt. Szene-Beobachter fürchten, dass mit der Beschlagnahmung von Akten des BVT zu Rechtsextremen laufende Untersuchungen im Keim erstickt worden sind.
Kurz nach der Razzia wurde öffentlich, dass Österreichs Innenminister Herbert Kickl von der weit rechts stehenden FPÖ den seit 2008 amtierenden Behördenchef Peter Gridling vom Dienst suspendieren ließ. Seither tobt ein juristischer und politischer Kampf um die Behörde: BVT-Chef Gridling erwirkte im Mai seine Wiedereinsetzung und ein Gericht erklärte kürzlich die Razzia für rechtswidrig. Auf Betreiben der oppositionellen SPÖ hat das Parlament nun einen Untersuchungsausschuss in der Affäre eingesetzt.
Besonders problematisch ist das Tauziehen um die Kontrolle des BVT wegen der Machtfülle der Behörde: Anders als der deutsche Bundesverfassungsschutz ist das BVT zugleich Nachrichtendienst und Ermittlungsbehörde. Kritiker fürchten, die Behörde könnte in der Hand von Innenminister Kickl, dem sowohl die Polizei als auch das BVT untersteht, zu einem gefährlichen Instrument seiner Machtausübung werden.
Berlin: „Kein Schaden“ für uns
Für die deutsche Regierung besteht trotz der Affäre um das BVT keine Sorge wegen der Zusammenarbeit mit den eigenen Diensten. „Auf Grundlage der aktuell vorliegenden Informationen ist kein Schaden für das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) entstanden. Das BfV betrachtet den Vorgang als erledigt und arbeitet daher weiterhin mit dem österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zusammen“, lautet der vollständige Text der Antwort des Bundesinnenministeriums.
Ihr Autor, der beamtete Staatssekretär Hans-Georg Engelke, bleibt eine Replik auf die eigentliche Frage von Hunko schuldig: Nämlich, ob Berlin je eine offizielle Antwort aus Wien darüber erhalten hat, ob deutsche Geheiminformationen aus dem BVT an Dritte abgeflossen sind. Bereits eine frühere Antwort der Bundesregierung an den Bundestag hatte sich lediglich auf eine öffentliche Erklärung eines österreichischen Beamten berufen, sich aber darüber ausgeschwiegen, ob Berlin den Österreichern in der Affäre tatsächlich auf den Zahn fühlt.
Linker Hunko legt Beschwerde ein
Den Linken-Abgeordneten Hunko kritisiert gegenüber netzpolitik.org die spärliche Antwort der Bundesregierung. „Auch der deutsche Verfassungsschutz steht im Verdacht, rechtsextreme und rechtsterroristische Bewegungen zu unterstützen – beabsichtigt oder unbeabsichtigt. Es macht deshalb stutzig, wenn in Österreich Geheimnisse zu rechten Umtrieben verlustig gehen und das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Tagesordnung übergeht.“ Gegen die unzureichende Antwort aus dem Innenministerium will Hunko Beschwerde einlegen.
Die BVT-Affäre sorgt bei befreundeten Staaten für große Besorgnis. Kritiker der rechten Koalitionsregierung in Wien wittern hinter den Vorgängen um das BVT den Versuch, die Behörde unter schärfere Kontrolle von Innenminister Kickl zu bringen oder kaltzustellen. Das sollte aus deutscher Sicht heikel sein, denn deutsche und österreichische Behörden arbeiten bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus zusammen. Berichten zufolge wurde bei der Razzia im BVT Unterlagen des deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz zu einem rechten Treffen in Österreich beschlagnahmt, trotz gegenteiliger Beteuerungen aus dem Justizministerium in Wien. Im März hatte sich die Bundesregierung wegen dem möglichen Datenabfluss aus dem BVT noch besorgt gezeigt.
Partnerdienste in Russland-Panik
Für Befürchtungen sorgen zudem die engen Kontakte der FPÖ mit Russland. Die große Nähe zwischen österreichischen Rechtsaußen-Politikern und der russischen Regierung demonstrierte jüngst der Gastauftritt inklusive Tänzchen des russischen Präsidenten Wladimir Putin bei der Hochzeit der FPÖ-nahen Außenministerin Karin Kneissl. Befreundete Staaten befürchten den Abfluss von Akten nach Russland. Bundeskanzlerin Angela Merkel soll deswegen im Frühjahr sogar mit ihrem österreichischen Amtskollegen Sebastian Kurz gesprochen haben. Zuletzt berichtete die Washington Post, dass andere Nachrichtendienste Österreich wegen der BVT-Affäre vom Informationsaustausch ausgeschlossen hätten. Der ehemalige BND-Chef August Hanning mahnte in einem Interview in der Bild-Zeitung zur Vorsicht beim Informationsaustausch mit Österreich.
CSU-Innenminister Horst Seehofer trifft heute in Berlin seinen Amtskollegen Kickl zum Gespräch. Ob die Affäre um das BVT auf der Agenda steht, ist unklar. Aus Sicht des Linken-Abgeordneten Hunko ist jedenfalls die Ankündigung der weiteren Zusammenarbeit von BVT und deutschen Verfassungsschützern ein Zeichen der Unterstützung für die rechte Regierung in Wien. Dies solle „wohl zur Stärkung der neuen Achse Rom-Wien-Berlin dienen, die vor allem zur Migrationskontrolle gebildet wurde.“
Hunko sieht in der Causa BVT noch einigen Klärungsbedarf:
Bekanntlich nutzen deutsche Verfassungsschutzämter Aktivitäten gegen Rechts als Vorwand, um Linke zu beobachten. Mit der Radikalisierung rechter Parteien und der Unterwanderung von Sicherheitsbehörden wird dies zusehends zum Problem. Es muss deshalb geklärt werden, ob und wohin aus Deutschland gelieferte Informationen oder Dossiers in Österreich abgeflossen sind und ob rechte Gruppen oder Parteien in Österreich beispielsweise eingestufte Kenntnisse zu antifaschistischen Kampagnen und Personen aus Deutschland erhielten.
Derzeit findet in Wien ein Untersuchungsausschuss bzgl. der „Hausdurchsuchung“ beim BVT statt. Es wurde vor kurzem Festgestellt, dass die Razzia beim BVT unter Leitung der FPÖ/ÖVP Regierung Gesetzeswidrig war.
Aus einem Bericht der Wiener Zeitung:
Zitat:
„“Ein Kollege aus dem Bereich Nachrichtendienst sagte mir in einem privaten Gespräch, es könne gerne so weitergehen, bis zu seiner Pension.“ B.s Kollege habe das auf den stark gesunkenen Arbeitsaufwand, aufgrund sinkendem Informationsaustausch mit Partnerdiensten im Ausland, bezogen. Ob es gar keinen Austausch mehr gebe? „Das ist so als ob man schon noch miteinander spricht, aber halt nur mehr übers Wetter.“ Für das BVT sei ein „großer Schaden“ entstanden.“
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/top_news/987011_BVT-U-Ausschuss-Wir-nehmen-eh-alles-mit.html