Die Kritik am so genannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ebbt nicht ab. Der Justiziar des Heise-Verlags sieht in dem Gesetzentwurf einen „Frontalangriff auf das Vertrauen im Internet“. Die Youtube-Chefin warnt davor, dass als Kollateralschaden „legitime Stimmen unterdrückt werden könnten“.
Auch Digitalverbände, Bürgerrechtsorganisationen und Juristen kritisieren den Gesetzentwurf auf unterschiedlichen Ebenen. Das Justizministerium hatte eine verschärfte Version noch vor Ablauf der Verbändeanhörung bei der EU zur Notifizierung eingereicht. Der Verband der Internetwirtschaft eco wundert sich, dass in der aktuellen Fassung Straftatbestände aufgenommen wurden, die nichts mit Hate Speech und Fake News zu haben und bei denen „bis jetzt keine Kritik an der Rechtsdurchsetzung bei eben diesen geäußert wurde, wie auch der aktuelle Löschbericht der Bundesregierung unterstreicht“. Der Digitalverband Bitkom warnt in einer Pressemitteilung davor, ohne eine sorgfältige fachliche Prüfung und intensive parlamentarische Beratung im Hauruck-Verfahren gesetzlich gegen Hassreden und andere Hasskriminalität im Internet vorgehen zu wollen.
Die Deutsche Gesellschaft für Recht und Informatik (DGRI) hat eine Stellungnahme abgegeben und bemängelt einen „Zeitplan, der für ein ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren in einem grundrechtssensiblen Bereich wie vorliegend nicht einzuhalten ist.“ Dem vorliegenden Entwurf eines NetzDG stünden auch in der geänderten Fassung schwerwiegende europarechtliche, verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Einwände entgegen.
„Rechtliches Gehör bleibt auf der Strecke“
So seien mit der umfangreichen Pflichtenübertragung auf die Anbieter sozialer Netzwerke zugleich weitere, verfassungsrechtliche Probleme verbunden, die mit dem Begriff „Privatisierung der Rechtsdurchsetzung“ treffend umschrieben seien. Weiter heißt es:
Mit dieser Übertragung von (Staats-)Aufgaben auf private Instanzen incentiviert der Referentenentwurf für den Dienstanbieter, Inhalte auf eine Meldung hin ohne Prüfung zu sperren. Denn warum sollte sich ein privates Unternehmen dem Risiko eines Bußgeldes aussetzen?
Umgekehrt wird damit zugleich für den vermeintlich Betroffenen ein starker Anreiz gesetzt, gegen den Anbieter sozialer Netzwerke auch dann vorzugehen, wenn ihm der sich Äußernde bekannt ist, da er hier in kurzen Fristen und ohne rechtliches und finanzielles Risiko sein Ziel ohne eine langwierige und schwierige Auseinandersetzung mit ungewissem Ausgang erreichen kann.
Das rechtliche Gehör des sich Äußernden bleibt dabei auf der Strecke.
Im geplanten zivilrechtlichen Auskunftsanspruch sieht die DGRI einen Einschüchterungseffekt:
Dem Auskunftsanspruch […] stehen wesentliche Rechtsgrundsätze entgegen: Nach [Telemediengesetz] sollen Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien anonym oder unter Pseudonym ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Diese Norm ist eine Konkretisierung des Datenvermeidungsgebots und Ausfluss des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Nutzer.
Darüber hinaus wäre eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können, nicht mit [der Meinungs- und Informationsfreiheit im Grundgesetz] vereinbar. Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern.
Digitale Gesellschaft: „Auskunftsbefugnis birgt Missbrauchsrisiken“
Auch die Digitale Gesellschaft hat eine Stellungnahme veröffentlicht. Sie kritisiert, dass die Erweiterung des vom NetzDG erfassten rechtswidrigen Inhalte deutlich über die ursprüngliche Zielsetzung hinausgehe, nämlich den Schutz des öffentlichen Diskurses in sozialen Netzwerken. Dafür gebe es weder einen konkreten Anlass noch einen nachvollziehbaren Grund.
Für besonders schädlich hält die Digitale Gesellschaft die enthaltene Änderung des Telemediengesetzes (TMG):
Die danach vorgesehene Einführung einer Auskunftsbefugnis für die Betreiber von Telemediendiensten zum Zwecke der Durchsetzung absoluter Rechte würde es Privatpersonen erlauben, unter dem Vorwand einer Persönlichkeitsrechtsverletzung Zugriff auf die Bestands- und Nutzungsdaten Dritter zu erhalten. Eine solche Regelung birgt enorme Missbrauchsrisiken und könnte dazu eingesetzt werden, um unliebsame Kritiker oder politische Gegner aufzudecken und einzuschüchtern.
Auch sei dieses Auskunftsrecht geeignet, dass Online-Stalker die Bestandsdaten ihrer Opfer bei den Telemediendienstanbietern abfragen könnten.
Der schwerwiegendste Fehler des Gesetzes sei in diesem Zusammenhang jedoch die „Auslagerung juristischer Prüfungsverantwortung auf die Betreiber sozialer Netzwerke“:
Die Beurteilung eines Inhalts oder einer Äußerung als strafbar obliegt in einem demokratischen Rechtsstaat den Gerichten und Strafverfolgungsbehörden. Die Mitarbeiter bei sozialen Netzwerken und anderen Online-Diensten dürften mit derartigen Prüfungen in der Regel überfordert sein. Dies gilt umso mehr, als dass insbesondere die geplante Auskunftsbefugnis im TMG für sämtliche Diensteanbieter und nicht nur für soziale Netzwerke mit mindestens 2 Millionen Nutzern im Inland gelten soll. Eine derart breitflächige Privatisierung der Rechtsdurchsetzung unterminiert rechtsstaatliche Garantien und geht im Ergebnis zu Lasten der Grundrechte. In beiden nun vorliegenden Entwurfsfassungen würde das NetzDG öffentliche Diskursräume im Netz daher deutlich mehr schaden als nützen.
Amadeu-Antonio-Stiftung: „Einschränkung der Meinungsfreiheit“
Auch die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Teil der Task Force gegen Hate Speech des Justizministeriums ist, kritisiert das Gesetz in ihrer Stellungnahme. Die Löschfrist von 24 Stunden sei kein Beitrag zur qualitativen Verbesserung der Behandlung von Hate Speech seitens der Betreiber und führe zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit:
Eine sorgfältige Prüfung ist innerhalb solcher Fristen nicht möglich. Im Zweifelsfall werden Betreiber also Inhalte eher löschen; dies hat damit eine faktische Einschränkung der Meinungsfreiheit zur Konsequenz. Derlei Einschränkungen sind auf Grund des hohen Gutes, das die Meinungsäußerungsfreiheit für unsere demokratische Wertgemeinschaft hat, abzulehnen. Dies ist weder im Sinne einer zu fördernden Diskussionskultur noch ein hilfreicher Beitrag zur Lösung des Problems Hate Speech.
Die Stiftung sieht deswegen auch Probleme einer privatisierten Rechtsdurchsetzung:
Das NetzDG in dieser Form würde die Betreiber verpflichten, ein erweitertes Exekutivorgan zu werden, und die Rechtsdurchsetzung damit teilweise in private Hand geben. Rechtsprechung und -durchsetzung müssen jedoch staatliche Aufgabe bleiben und bedürfen sorgfältiger Prüfung.
Der Gesetzentwurf sei einseitig, es bedürfe einer Staatsanwaltschaft mit dem Schwerpunkt digitale Hasskriminalität sowie umfassender Sensibilisierung und Fortbildung im Polizei- und Justizapparat zum Erkennen von Hasskriminalität und digitaler Gewalt.
Die Einführung einer Kontaktstelle bei den sozialen Netzwerken und eine wirksame Strafverfolgung hatte jüngst auch Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin, in einem Beitrag in der Legal Tribune Online gefordert.
Diametral gegen Zielsetzung der E-Commerce-Richtlinie
Neben den zahlreichen verfassungsrechtlichen und grundrechtlichen Fragestellungen, scheint der Gesetzentwurf auch europarechtlich Probleme zu machen. Thomas Hoeren, Professor an der Universität Münster, stellt in einem Blogbeitrag fest, „dass eine substantielle Auseinandersetzung mit den europarechtlichen Vorgaben im Bereich der ‚Dienste der Informationsgesellschaft‘ nicht stattgefunden hat“. Zudem seien wesentliche Aussagen der E-Commerce-Richtlinie verkannt worden. So laufe der Entwurf in der derzeitigen Fassung der Zielsetzung der E-Commerce-Richtlinie, eine Fragmentierung des Binnenmarktes zu verhindern, diametral entgegen.
Daß sich die Amadeu-Antonio-Stiftung dagegen wendet, ist ja kurios. Fragt sich nur, ob aus Überzeugung oder aus Angst, arbeitslos zu werden, weil die Geschäftsgrundlage für die Zusammenarbeit mit den Ministerien dann wohl wegfällt…
Wenn die Amadeu-Antonio-Stiftung aka. Stasi 2.0 sich über „Einschränkung der Meinungsfreiheit“ beschwert ist das schon ein starkes Wort.
Kurios ist das nicht,es entspricht nur nicht der Agitation und Hetze der AfD und ihrer rechtsextremen Allianzen gegen die Stiftung und Frau Kahane. Die AfD bringt jetzt übrigens einen „Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes“ in den Bundestag ein. Das sollte sich Netzpolitik mal ansehen ;=] http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/000/1900081.pdf
Vermutlich möchte man schauen, wie hoch der Widerstand ist, um das durchzusetzen.
Justizminister bleiben sowieso nicht lange im Amt und erscheint seriös, daher nimmt man den.
Ist doch der erste große Schritt zum Orwellstaat.
Zitat:
„Anetta Kahane war 19 Jahre alt, als sie informelle Mitarbeiterin der Stasi wurde…Dritten soll sie laut einem unabhängigen Gutachten mit ihrer Tätigkeit nicht geschadet haben… Später stellte sie einen Ausreiseantrag und protestierte gegen die DDR-Führung. Jetzt wird die seit Jahrzehnten bekannte Stasi-Mitarbeit von Kahane massiv im Netz aufgewärmt. Der Grund dafür ist Kahanes aktueller Job: Sie leitet die Antonio-Amadeu-Stiftung, die sich gegen Neonazis, Rassismus und Hass im Netz engagiert…“
Warum so aggressiv gegen die Stiftung, KlausM und Talon?
Hass, http://www.duden.de/suchen/dudenonline/Hass
„Substantiv, maskulin – heftige Abneigung; starkes Gefühl der Ablehnung und Feindschaft gegenüber einer Person, Gruppe oder Einrichtung“
Man könnte es Pauschalzensurvorlage für Gedankenverbrechen in seiner eigentlichen Wortbedeutung nennen und erinnert schon sehr stark an Orwell.
Analog gilt dies für Rassismus, ich zitiere wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Rassismus#Kritik_an_der_Verwendung_des_Begriffs
„In Norwegen wurde vom Gesetzgeber der Begriff „Rasse“ aus den sich mit Diskriminierung befassenden nationalen Gesetzen entfernt, da der Begriff als problematisch und unethisch gilt.[53][54] Das norwegische Gesetz gegen Diskriminierung verwendet lediglich die Begriffe ethnische und nationale Herkunft, Abstammung und Hautfarbe.[55]“
oder im Duden http://www.duden.de/rechtschreibung/Rassismus
(meist ideologischen Charakter tragende, zur Rechtfertigung von Rassendiskriminierung, Kolonialismus o. Ä. entwickelte) Lehre, Theorie, nach der Menschen bzw. Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen Merkmalen hinsichtlich ihrer kulturellen Leistungsfähigkeit anderen von Natur aus über- bzw. unterlegen sein sollen
dem Rassismus entsprechende Einstellung, Denk- und Handlungsweise gegenüber Menschen bzw. Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen Merkmalen
Neonazis haben diese bestimmt auch irgentwo definiert?
@Aufmerksamer Leser
Nicht wundern.
Mit ein erklärtes Feindbild der Dunkel Beige Fraktion ist Annette Kahane.
Pawlowschen Hunden nicht unähnlich schlagen Sie bei „Kahane“ an,kriechen aus Ihren modrigen Löchern und versprühen Hass und Hetze.
Man beruhigt sie indem man „Ganz ruhig Blondi “ sagt.
Hier wird probiert einen Schritt vor dem anderen zu gehen.
Bevor wir als Gesellschaft ein (mehr oder weniger neues) Phänomen mit härteren Regeln angehen, sollten wir das mildere Mittel prüfen.
In diesem Fall hier wäre das erstmal eine effiziente Rechtsdurchsetzung des Status quo. Also z. B. die Polizei so ausstatten, dass Anzeigen effizient verfolgt werden (können) und Konzerne müssen vorladbar sein, damit Recht durchgesetzt werden kann.
Wenn Menschen die Möglichkeit haben, Beleidigungen und Co. sinnvoll anzuzeigen und diese auch in einer angemessenen Zeit verfolgt werden, ändert sich sicher auch etwas im Ton.
Wenn wir das umgesetzt haben und wir dann als Gesellschaft in diesem zukünftigen Status quo immer noch ein Problem sehen, können wir immer noch über neue Maßnahmen nachdenken.
Der moderne Internet-Pranger ? Man muss sich an der Hate Speech (Zensur), nicht selber die Hände schmutzig machen ? Outsourcing von Zensur,darauf muss man erstmal kommen ??✌ Wir schaffen das,wer in der Demokratie pennt,der wird nachher gelenkt ???✌ Orwell läßt Grüßen ?