Das Prinzip „Löschen statt Sperren“ bei Missbrauchsdarstellungen und sogenannter Kinderpornografie (CSAM) funktioniert weiterhin gut. Das geht aus dem Jahresbericht des Bundesjustizministeriums (PDF) hervor, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Der Bericht erhebt eine Statistik, wie schnell CSAM-Inhalte nach einer Meldung bei den Host-Povidern im In- und Ausland gelöscht werden.
Laut dem Bericht wurden im vergangenen Jahr 55,98 Prozent (10 802 URLs) aller Inhalte im Inland spätestens zwei Tage nach der Meldung gelöscht. Eine Woche nach Hinweiseingang ist die Verfügbarkeit der Inhalte nochmals deutlich reduziert – mit 99,11 Prozent sind nahezu alle Inhalte gelöscht. Von den insgesamt 19.296 gemeldeten URLs waren nur noch 171 weiterhin verfügbar. Gegenüber den Vorjahren ist die Löschrate nach zwei Tagen etwas abgefallen, die Löschrate nach sieben Tage allerdings gleich hoch geblieben.
Bei Löschungen im Ausland geht es traditionell etwas langsamer, weil hier mehr Behördenstellen im Spiel sind und das Verfahren komplexer ist. Hier waren 38,7 Prozent (4 733 URLs) aller Inhalte nach einer Woche gelöscht; nach vier Wochen waren es bereits 84,17 Prozent (10.303 URLs) der Inhalte (2023: 88,2 Prozent bzw. 9 772 URLs). Auch im Ausland war die Erfolgsquote bei der kurzfristigen Löschung geringer als in den Vorjahren, nach vier Wochen lag sie aber etwa genauso hoch wie in den Vorjahren.
Der Bericht zeigt, dass Löschen statt Sperren ein erfolgreiches Prinzip ist, wenn Behörden denn Meldungen machen.
BKA forcierte Löschung nicht
Doch lange nicht alle kriminellen Inhalte werden von der Polizei auch gemeldet und gelöscht. Und das hat Prinzip. In einer ersten Recherche im Jahr 2021 fanden Journalisten heraus, dass das BKA die Löschung von Bildern nicht forcierte. Einige Monate später kam durch eine kleine Anfrage heraus, dass das BKA weiterhin keine Priorität auf das Löschen setzte und sich außerdem nicht für Löschmeldungen zuständig erklärte. Im Februar dieses Jahres deckte dann eine gemeinsame Recherche des ARD-Magazins Panorama und von STRG_F auf, dass es einen geheimen Beschluss der Innenministerkonferenz aus dem Jahr 2023 gibt, der diese Praxis absegnet.
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Dass die Löschung gar nicht so personalintensiv ist, konnten die Journalist:innen in der Recherche beweisen. So reichten schon zwei Personen aus, um über Monate hinweg in den großen pädokriminellen Darknet-Foren die dort verlinkten Fotos und Videos zu erfassen und zu melden: „Insgesamt deaktivierten die Speicherdienste Links zu über 300.000 Aufnahmen mit einer Datenmenge von 21.600 Gigabyte und löschten die Daten von ihren Servern“, so die Journalist:innen damals.
Hauptsache überwachen
In der Pressemitteilung zum Jahresbericht verknüpfen sowohl Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) als auch Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) das Thema Löschen statt Sperren mit der Vorratsdatenspeicherung, obwohl die beiden Themen technisch wenig bis nichts miteinander zu tun haben. Die Minister:innen fordern die schnelle Einführung der anlasslosen Massenüberwachung, Hubig preist diese gar als „oft einzigen Ermittlungsansatz“ an.
Elina Eickstädt, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, sagt gegenüber netzpolitik.org: „Der Bericht zeigt, dass Löschen wirkt und weiter verfolgt werden muss. Maßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung oder die vorgeschlagene Chatkontrolle führen lediglich zu grundrechtsgefährdender Überwachungsinfrastruktur, statt sich auf den Ausbau effektiver Maßnahmen zu konzentrieren.“
Das Prinzip Löschen statt Sperren wie auch der aktuelle Jahresbericht sind eine Errungenschaft der Protestbewegung gegen Netzsperren. Im Jahr 2009 plante die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, Netzsperren gegen CSAM-Inhalte einzuführen. Sie löste damit eine breite Protestwelle aus und erhielt den Spitznamen „Zensursula“. Das sogenannte Zugangserschwerungsgesetz wurde zwar von der Regierung verabschiedet, aber nie umgesetzt und schon 2012 außer Kraft gesetzt. Eine der Kernforderungen der erfolgreichen Protestbewegung lautete „Löschen statt Sperren“.
„Ministerien verrühren „Löschen statt Sperren“ mit Vorratsdatenspeicherung“.
Ganz ehrlich und ohne Ironie, tatsächlich denkt niemand and die Kinder. Prävention, psychologische Betreuung von Opfern und Tätern, Aufklärung ist alles kaum ein Thema. Ministerien okkupieren die Vorschläge der Gesellschaft für sich, ohne irgend etwas wirklich zu tun.
Ich schlage vor, konkrete Ziele zu definieren und mögliche Maßnahmen objektiv an diesen Zielen im Einklang mit geltendem Recht zu messen. Behauptungen müssen nachvollziehbar und überprüfbar sein. Und sie müssen überprüft werden.
Konkret etwa: Werden Kinder durch die Vorratsdatenspeicherung geschützt? Wenn ja, wieso und wie viele und für wie lange? Welche Nebenwirkungen und Gefahren ergeben sich für die Gesellschaft und Demokratie?
So ist man in der Lage, verschiedene Maßnahmen in Relation zu einander zu setzen und zu priorisieren. Bei dem Ziel, dass niemand Bilder seines Missbrauchs im Netz dulden muss, ist löschen statt sperren ganz objektiv weitaus effektiver, als etwa Netzsperren oder eine VDS.
Statt logisch, transparent und zielorientiert vorzugehen, agiert die Politik und meist auch die Presse populistisch. Löschen statt sperren war z.B. nicht die Idee von Panorama. Man könnte erwähnen, wer’s erfunden hat. Man könnte auch ein klein wenig weiter denken, statt auf „Aufregung“ zu setzen. Klar, Behörden und Politik agieren fahrlässig, wenn sie Inhalte im Netz belassen. Doch ein Bild im Netz beweist „nur“ einen Missbrauch. Das Kind ist schon in den Brunnen gefallen. So gesehen kreiert Panorama ein Zerrbild für Quoten, als hätten „sie“ auch nur einen Bruchteil einer Lösung.
Sorry, das ist seit mehr als 20 Jahren ein absolutes Gruselthema. Meine Geduld ist am Ende. Es geschieht jeden Tag das Ungeheuerliche.
Das ist nicht mal ein Dilemma. Da nicht gelöscht wird, ist der einzige Weg, Kinder zu schützen, ihnen Schuhe anzuziehen. Whitelist, Blacklist, you name it.
Das ist ja absurd, den Planeten mit nicht zum Schutz funktionierendem Überwachungsleder zu pflastern, angeblich damit die Kinder sicher herumhüpfen können. Dabei würden ordentliches Schuhwerk, und zur Not noch ein Zaun, da wunder wirken.
Man könnte also sagen, es würde der Planet flächig gedüngt, damit die Kinder nicht in die stinkenden Löcher fallen. Aber das ist besonderer Dunggeruch, bei dem die Kinder noch nicht so drauf anspringen. Wer sich von der Pike auf dran gewöhnt, soll den Geruch vielleicht auch nicht mehr wahrnehmen? Ich verstehe das Konzept, aber nehmen wir es mal wörtlich: es ist Scheiße.
Durch löschen hat man irgendwann zu wenig Täter und Material, um Überwachungen zu pushen.
Das darf nicht sein! Immer schön online lassen, Definitionen ausweiten, Überwachungen einführen und schon ist ein Rückgang niemals erreichbar. So deckt man immer mehr, mehr, und mehr auf und hat auch immer wieder neue Gründe für immer invasivere Maßnahmen.
Das ist aber natürlich nicht gewollt…