Bundeskartellamt legt sich bei Microsoft auf die Lauer

Das Bundeskartellamt stellt Microsoft unter erweiterte Missbrauchsaufsicht und legt den Grundstein dafür, den Tech-Riesen künftig in die Schranken zu weisen. Der Entscheidung war unter anderem eine Beschwerde des Softwareherstellers Nextcloud vorausgegangen.

Andreas Mundt am Schreibtisch, hinter ihm ein Ölbild an der Wand, ein Foto und eine Lampe auf dem Sideboard
Kartellamts-Chef Andreas Mundt könnte demnächst schneller aktiv werden, wenn Microsoft seine Marktmacht missbraucht. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO/epd

Nach Google, Meta, Apple und Amazon wird das Bundeskartellamt (BKartA) nun gegen Microsoft aktiv. In einem Verfahren hat das Amt dem IT-Konzern aus Redmond eine „überragende marktübergreifende Bedeutung“ attestiert und es unter erweiterte Missbrauchsaufsicht (PDF) gestellt. Damit hat das BKartA die Voraussetzung dafür geschaffen, künftig leichter gegen wettbewerbsgefährdende Praktiken des Unternehmens vorzugehen.

Kartellamts-Präsident Andreas Mundt begründet die Entscheidung der Behörde damit, dass Microsofts Ökosystem dominierender sei als je zuvor. „Denn über alle Bereiche wölben sich zunehmend Cloud und Künstliche Intelligenz, Schlüsseltechnologien, in denen Microsoft durch eigene Entwicklungen und durch Kooperationen seine starke Position untermauert hat.“

In Wirtschaft und Verwaltung, aber auch bei privaten Nutzer:innen seien Microsoft-Produkte inzwischen Standard. Mundt stellt dabei auf den Vendor-Lockin-Effekt ab. Microsofts IT bevorzuge nämlich bestimmte Anwendungen, die mit dem Ökosystem des Herstellers kompatibel sein müssen. Damit gebe der Tech-Riese auch den Rahmen für Softwareentwicklung vor, die sich an Microsoft orientieren müsse, damit Betriebe das jeweilige Produkt in ihr MS-System integrieren können. Dabei konkurrieren einzelne Microsoft-Produkte nicht selten mit dieser Software von Drittanbietern.

Kartellamt geht weiter als der Digital Marktes Act

Seine Marktmachtstellung stärke Microsoft seit vielen Jahren nicht nur mit dem Betriebssystem Windows, sondern auch mit „Produktivitätssoftware“ wie Microsoft 365. Führend sei das Unternehmen auch mit seiner Cloud-Technologie Azure wie auch bei sogenannter Künstlicher Intelligenz mit Microsoft Copilot. Dazu kooperiert es mit dem KI-Unternehmen OpenAI.

Dazu greift es auch auf die Taktik zurück, Software im Paket anzubieten, wie das Videokonferenztool Teams, das Microsoft mit Office 365 und Microsoft 365 ausgeliefert hat. Seit einem Jahr ermittelt die Europäische Kommission deswegen gegen Microsoft. Zwar hat das Unternehmen Teams aus den Paketen herausgelöst, das geht der Kommission jedoch nicht weit genug. Denn Teams ist Teil des Abos von MS-Produktivanwendungen wie Office. Kund:innen können nicht wählen, ob Teams im Abo enthalten sein soll oder nicht.

Indes stellt das Kartellamt klar, seine Entscheidung betreffe den Microsoft-Konzern im Ganzen, also alle Dienste und Produkte. Hier sieht Mundt einen Vorteil gegenüber dem europäischen Digital Markets Act (DMA), der beginnend mit dem Vorjahr schrittweise in Kraft getreten ist. Mit dem Gesetz will die EU die Marktmacht dominanter IT-Firmen beziehungsweise ausgewählter Produkte eindämmen.

Die EU-Kommission hat dementsprechend für das Betriebssystem Windows und Microsofts Karrierenetzwerk LinkedIn eine sogenannte Gatekeeper-Funktion festgestellt, kann aber auch nur diese Produkte stärker regulieren. „Wir können auf Grundlage unserer Entscheidung wettbewerbsgefährdende Praktiken dort unterbinden, wo der DMA nicht greift“, erklärt Mundt.

Nextclouds Beschwerde

Eine große Rolle für die Entscheidung des BKartAs scheint auch die Beschwerde des deutschen Unternehmens Nextcloud gespielt zu haben. Das hat Hinweise zu Microsofts wettbewerbswidrigem Verhalten an das Amt übermittelt, man stehe im regelmäßigen Austausch, so Frank Karlitschek, Gründer und Chef von Nextcloud.

Mit seinem Unternehmen arbeitet er auch für den Bund an der Bundescloud für die öffentliche Verwaltung. Sein Produkt ist eine Kollaborationssoftware auf Open-Source-Basis, darunter auch ein Filesharing-Tool, das in Konkurrenz zu Microsofts Cloud-Lösung OneDrive steht.

In 2021 reichte er zunächst Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein. Sie richtete sich vor allem gegen die tiefe Integration der Cloud-Lösung, die laut Karlitschek Windows-Nutzer:innen bei relevanten Arbeitsschritten regelmäßig angezeigt werde. Dieser Dienst ist vorinstalliert und mit dem Microsoft-Nutzerkonto kompatibel. Das ist bequem, macht es Nutzer:innen gleichzeitig aber auch schwer, Software anderer Hersteller wie Dropbox oder Nextcloud zu benutzen, so Karlitschek gegenüber netzpolitik.org. Mit Windows 11 geht Microsoft noch weiter: Nutzer:innen sind mit der ersten Anmeldung im System auch automatisch OneDrive-Kund:innen.

Im selben Jahr wandte sich Karlitschek schließlich mit einer weiteren Beschwerde an das Βundeskartellamt, da das europäische Kartellverfahren nur schleppend verlief. Dabei weitete er die Beschwerde auf andere Microsoft-Produkte wie Teams aus.

Zudem wies er darauf hin, dass Dateien in Excel oder Word auf dem iPhone oder iPad standardmäßig in OneDrive abgespeichert werden. Wollen Nutzer:innen einen anderen Speicherdienst auswählen, müssen sie mehrere Klicks vornehmen. Die Liste an Vorschlägen kuratiert Microsoft laut Karlitschek allerdings stark. Nextcloud kann dort nicht ausgewählt werden, weil das Microsoft-System eine dezentral organisierte Lösung technisch nicht vorsieht. Technisch möglich sei es, so Karlitschek. Microsoft treffe hier eine politische Entscheidung, nur Diensteanbieter in die Vorschläge aufzunehmen, die ein Partnerprogramm mit Microsoft eingegangen sind.

Handhabe gegen Microsoft

In seiner Beschwerde gegen Microsofts unfaire Methoden unterstützen Nextcloud circa 30 Organisationen, darunter auch die Free Software Foundation Europe. Sie kritisieren: Microsoft habe sich ein „einzigartiges digitales Ökosystem über mehrere strategisch wichtige Märkte im digitalen Sektor“ erschaffen. Für Wettbewerber sei Microsofts Markstellung kaum angreifbar.

Es gehe ihm nicht nur ums Geschäft, sagt Karlitschek. Software sei heute politisch und erfordere politisches Engagement, etwa der Einsatz für Open-Source-Software und offenen Quellcode. Die Entscheidung des Kartellamts mache Mut, dennoch sieht Karlitschek skeptisch in die Zukunft: Das Verfahren dauere nun schon drei Jahre.

Das BKartA äußert sich derweil noch vorsichtig. Welche konkreten Verhaltensweisen von Microsoft man näher untersuchen werde, sei noch offen. Grundsätzlich kann das Amt seit der Überarbeitung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 2021 (10. GWB-Novelle) die Marktmacht der Digitalkonzerne besser überwachen und effektiver einschränken. Hat es das Label „überragende marktübergreifende Bedeutung“ erst einmal ausgestellt, kann es frühzeitiger und mit weniger bürokratischem Aufwand gegen missbräuchliche Praktiken vorgehen. Es könnte Microsoft im Fall überhöhter Preise zu Rückerstattungen zwingen oder Bußgelder (PDF) verhängen.

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