Luca-AppEine Kündigungswelle rollt los

Bald müssen sich die Bundesländer entscheiden: Ein weiteres Jahr für die Kontaktverfolgungsapp Luca zahlen und sie nutzen – oder den Vertrag kündigen. Eine Übersicht.

Luca-App auf einem Smartphone, im Hintergrund eine Welle
Eine Kündigungswelle droht den Luca-Betreibern – Alle Rechte vorbehalten Welle: Silas Baisch, Smartphone: IMAGO / Rüdiger Wölk

13 Bundesländer haben Verträge für die private Kontaktverfolgungs-App Luca abgeschlossen. Bis Ende Februar können sie diese kündigen, sonst verlängern sie sich um ein weiteres Jahr. Anfang Januar schienen die Länder noch unentschlossen. Die meisten nutzen Luca jedoch kaum und es gibt weiterhin Datenschutz- und andere Bedenken.

Mittlerweile stehen die Zeichen in vielen Bundesländern auf Kündigung. Wir haben deshalb eine Übersicht erstellt, welche Länder Luca schon gekündigt haben, in welchen sich das abzeichnet und wer Luca weiter nutzen will.

Kündigung erfolgt oder angekündigt

Das erste Bundesland, das seinen Luca-Ausstieg bekannt gab, war Schleswig-Holstein. Der Vertrag soll bereits gekündigt sein, wie der SHZ am 12. Januar berichtet. Laut einer Sprecherin des Landkreistages sei der Grund, dass es im Land seit vergangenem September 2021 keine Pflicht mehr zur Kontaktdatenerfassung gebe. Damit ist Luca schlicht nicht mehr nötig.

Auch Bremen will die Verträge mit der Firma Culture4Life kündigen. „In Bremen wurden nur wenige Abfragen durch das Gesundheitsamt vorgenommen, und somit hat sich das System für uns nicht bewährt“, sagte die Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard. In Zahlen ausgedrückt: zehn Mal habe Luca bei der Kontaktverfolgung geholfen.

Wo es schlecht aussieht für Luca

In Berlin gibt es noch keine Entscheidung. Jedoch sagte am 13. Januar die Gesundheitssenatorin Ulrike Gote im Abgeordnetenhaus: „Wir sind noch in der Prüfung, teilen aber durchaus viele kritische Argumente“. Es gebe eine kritische Diskussion in der Gesundheitsminister-Konferenz.

Sebastian Schlüsselburg von den Linken warb für die Kündigung der Verträge. „Berlins Gesundheitsämter sagen mir: Das Produkt hat uns nie geholfen“, sagte er. Laut Pankows Gesundheitsstadträtin habe die App nur in Einzelfällen hilfreiche Hinweise geliefert, so die taz. Manche Gesundheitsämter in Berlin nutzten sie laut RBB gar nicht.

Der Tagesspiegel berichtet, dass in der Gesundheitsverwaltung „dem Vernehmen nach von einer Kündigung des Vertrages ausgegangen“ werde.

Ursula Nonnemacher, Gesundheitsministerin von Brandenburg, empfahl am 14. Januar, den Vertrag für die Luca-App zu beenden. Nur ein Gesundheitsamt des Bundeslandes würde die App regelmäßig nutzen, so Nonnemacher. Ein weiterer Grund für ihre Empfehlung seien Datenschutzprobleme.

Neues gibt es aus Hessen derzeit nicht, doch im Dezember sagte die Landesregierung: „Eine Vertragsverlängerung durch das Land wäre aus heutiger Sicht nur dann sinnvoll, wenn aufgrund einer geänderten Lage die Kontaktdatenerfassung wieder weitgehend flächendeckend im Einzelhandel, der Gastronomie und weiteren Einrichtungen erforderlich würde.“

So ziemlich alle haben im Saarland etwas an Luca auszusetzen: Der Landkreistag bemängelt in einer Stellungnahme ans Gesundheitsministerium die Datenübermittlung durch die Betreiber. Die Gesundheitsämter seien unzufrieden und auch der Hotel- und Gaststättenverband will die App nicht mehr haben.

Grüne und FDP riefen zur Kündigung auf. Erstere sagten, es käme „einer Steuergeld- und Ressourcenverschwendung gleich“, die Verträge zu verlängern.

Es bleibt spannend

In Sachsen-Anhalt ist man sich noch uneinig: Das Landes-Digitalministerium will, dass der Vertrag gekündigt wird. Die Gesundheitsministerin hingegen sagte dem MDR: „Vermutlich wird es aber auch 2022 noch Bedarf an einem digitalen System der Kontaktnachverfolgung geben.“ Der Sprecher für Digitales der grünen Landtagsfraktion bezeichnete Luca als „Jamba-Abo der Corona-Zeit mit wenig Nutzen aber hohen Kosten“.

Mecklenburg-Vorpommern hält eine Verlängerung noch offen. Aktuell läuft dort ein Interimsvertrag bis März, da die vorherige Vergabe für rechtswidrig erklärt wurde.

Noch keine tiefergehenden Informationen, ob die Verträge verlängert werden sollen, gibt es aus Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. In Baden-Württemberg nannte die Landesregierung einen „guten und datenschutzkonformen Baustein“ in der Pandemie-Vorsorge, Hamburg nutzt Luca vergleichsweise häufig.

Eindeutig gesagt, Luca ein weiteres Jahr zu nutzen, hat bisher kein Bundesland.

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17 Ergänzungen

  1. bitte benutzt doch die farblich gut unterlegten aktuellen Listen von @wasserbombe (Twitter) – auf https://luca.fail unten .. und setzt die hier Prominent als Ergänzung mit in den Artikel. Darin sammeln aktivere Kritikerinnen der Luca App den ist Zustand.
    Auf https://timeline.luca.fail ist eine Karte die zeigt wo man statt Papierlisten oder Luca auch mit der Corona Warn App einchecken könnte.

    1. Danke für den Hinweis, kann ich gern als Link ergänzen, ich hab aber vorher noch ne Frage, weil ich ein Verständnisproblem habe: Bei MV steht in der Liste „Vertrag gekündigt“ und „Intermimsvertrag; Gekündigt und neues Vergabeverfahren bei Bedarf“. Auf was bezieht sich das zweite „Gekündigt“? Für mich liest sich das, als wäre der Interimsvertrag gekündigt, das kann ich aber nirgends nachlesen.

      1. Hallo zusammen,
        der Eintrag bei Mecklenburg-Vorpommern bezieht sich auf einen Artikel beim Handelsblatt (vgl. https://www.handelsblatt.com/inside/digital_health/culture4life-fehlender-wettbewerb-neue-regeln-zwei-bundeslaender-kuendigen-vertrag-fuer-luca-app/27969000.html?ticket=ST-2440977-vlXNvyd7lnYdidjRG93t-ap3). Es wird gesagt, dass ein Interimsvertrag geschlossen wurde, um den Zeitraum bis zum eigentlichen Vertragsende am 12.03. zu „überbrücken“. Das mit dem „Vertrag gekündigt“ habe ich aus „Ob die digitale Kontaktnachverfolgung nach Vertragsende am 12. März weitergehe, sei offen […]. In jedem Fall würde es ein „neues Vergabeverfahren mit offenem Ausgang“ geben.“ geschlossen. Ich habe diese Quelle auch in der Übersichtstabelle ergänzt.

        Viele Grüße
        Sebastian

      2. Das müsste „befristet“ heißen, also aufs Ende der ursprünglichen Laufzeit.

        1 Google Suche später: Ah, genau, was hier steht 👆

  2. Man kann davon ausgehen, dass in manchem Bundesland die Polizei öfters versucht hat Daten abzufragen als die Gesundheitsämter, vielleicht sollte man also da mal nachfragen wie es mit einem Wunsch nach Verlängerung ausschaut – zumindest wenn man beim Datenschutz die „erweiterte Nutzung“ erlauben würde wäre die Polizei sicher dafür. Man muss einfach das Wort „Kontakt“ aus der „Kontaktverfolgungsapp“ streichen, dann hat man eine „Verfolgungsapp“.

    1. Haben/hast Sie/Du evtl. Probleme mit der Polizei ?
      Ich bin der Meinung, das die Macher von Luca genug Millionen aus Steuergeldern gesaugt haben.
      Überzeugt hat mich die App nie…
      Bei zig Millionen Anhängern werden Smudo und Co. sicherlich anderweitig Kohle scheffeln, sollten die bestehenden Verträge (hoffentlich )gekündigt werden.
      Und wenn die Polizei Zugriff auf entsprechende Daten im Verdachtsfall hat, würde es mich weniger stören.

  3. Ganz unabhängig von Luca wäre eine ehrliche Bestandsaufnahme der Kontaktverfolgung sinnvoll.

    Selbst in Zeiten größter Begeisterung für Kontaktverfolgung haben Befürworter immer darauf hingewiesen, dass eine Kontaktverfolgung im besten Fall bei Inzidenzen unter 35 funktioniert. Und da braucht man sie nicht.

    Nach zwei Jahren Pandemie bleiben über 90 % der Infektionen ungeklärt, Quarantäneanweisungen werden frühestens 7-9 Tage nach der Ansteckung verschickt- wenn die infektiöse Phase schon vorbei ist.

    Sinnvoller wäre es, stattdessen mit positiven Testergebnissen Anweisungen für (freiwillige) Isolation zu verschicken.

    Und stattdessen die Rückkehrerregelungen und Kohortentests strategisch aus zu bauen.

    Um neue Infektionsherde zu erkennen und zu isolieren, bevor – wie jetzt wieder bei Omikron – 20000 Menschen bundesweit infiziert sind.

    1. Das Konzept der CWA hat schon Potential, da es unabhängig von den Gesundheitsämtern funktioniert.

      Natürlich gehört eine Bestandsaufnahme dazu, um den Effekt für die Pandemie zu bestimmen, aber eben auch, um den Menschen, die es z.B. innerhalb einer bzw. für eine Gruppe wollen, die Möglichkeit der Infektionswarnung zu geben. Ich würde das Konzept – solange es anonym umgesetzt ist – also nicht allein wegen der großen Zahlen ad acta legen.

      Technisch kann und sollte man das vielleicht speziell auch für öffentliche Verkehrsmittel und Innenräume anders aufziehen (Dongle/Kleingerät mit besserer Technologie oder Beacons für Räume/Tische/Abschnitte, oder…).

  4. Interessant und wichtig bewerte ich die Berichterstattung zur Luca-App, denn in den Gesundheitsämter findet sie überwiegend keine Verwendung mehr.
    Es gibt immer Probleme, wenn unvollständige Kontaktdaten importiert werden, die dann aufwendig zu vervollständigen sind. Doch das Personal für diese Kontaktnachverfolgung besitzen die GA nicht mehr.

    Weitere Themen könnten sein, #IRISGateway, eine Plattform für andere Contact-Apps neben Luca, die die Länder finanzieren müssen, 4 oder 5 Bundesländer (von 16) sollen es nutzen? Was ist wahr daran in der 4.Welle?

  5. „In Zahlen ausgedrückt: zehn Mal habe Luca bei der Kontaktverfolgung geholfen. “

    Das dachte ich mir.
    Es wurde um die KV-Apps nach der Einführung sooo still, keine Erfolgsmeldungen . . .
    . . . wie ganz allgemein in der Panhysterie. Nicht anders zu erwarten, wenn die Grundbedingungen und Dimensionen eines Naturphänomens verkannt, und die beratenden Wissenschaftler danach gewählt werden, ob ihre Äußerungen die improvisierenden Populisten oder das Publikum vergrätzen könnten.

    Willkommen in der Realität! so langsam mal :-)

    (ein Biologe)

  6. Vorsicht, Meinungsbeitrag:
    Die Kontaktnachvervolgung ist schon als Konzept abzulehnen, da sie einerseits einer ehrlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht standhält: Sie ist ungeeignet (untauglich zur Pandemiebekämpfung), unangemessen (riesiger Aufwand ohne positives Ergebnis) und nicht erforderlich (unnötige Einschränkung von Grundrechten). Wenn man das Ganze einmal weiterspinnt, würde die Kontaktnachverfolgung unsere Gesellschaft an chinesische Verhältnisse annähern.

    Was wäre der Aufschrei vor der Pandemie groß gewesen, wenn man ein System hätte einführen wollen, bei dem sich jeder Mensch vor Eintritt in eine Stelle / Lokalität digital registrieren muss, um dessen Kontakte (Bekanntschaften, Gespräche, Freundschaften, Familie) auch lange Zeit später noch nachvollziehen zu können. Und dann die normalerweise hoheitliche Aufgabe der Bereitstellung der Infrastruktur dafür an ein privates Unternehmen für horrende Summen auslagert, obwohl man selbst zig Millionen für eine eigene Lösung investiert hat, die funktioniert; und dann diesem Unternehmen noch die nachträgliche Kommerzialsierung der Daten von Bürgern freistellt. Man erinnere sich an den Widerstand gegen vergangene Zensus-Vorhaben. Bei COVID-19? Kein Ding. Im Namen des „Gesundheitsschutzes“ geht plötzlich alles.

    Die Scherben kehren wir dann danach auf, wenn überhaupt. Denn ein Pfad, der einmal beschritten wird, kann schwerlich wieder verlassen werden (Pfadabhängigkeit); sprich eine Maßnahme, die etabliert ist, wird selten wieder aufgehoben. Das sehen wir bei anderen „Sicherheits-“ und Überwachungsgesetzen schon seit geraumer Zeit. Und selbst wenn der Gesetzgeber den Mut findet oder von obersten Gerichten gezwungen wird, eine Maßnahme zu droppen, leben Totgesagte ja bekanntlich länger. Man siehe die Vorratsdatenspeicherung.

    In conclusio: Kontaktnachverfolgung ganz schlechte Idee, Luca-App katastrophal

  7. ich find die app gar nicht schlecht, datenschutz ist bei allen apps ein problem, aber, mit verlaub, wer preisausschreiben im netz oder auf die konventionelle art macht, gibt mehr preis, als in der lucaapp. und böse zungen behaupten, das es tonnen von daten gibt aus der app, die aber nicht abgerufen worden sind, weil die nachbearbeiteten behörden überfordert sind(geistig lass ich mal raus)

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