Geheime LuftüberwachungWas kostet eine Flugstunde mit der Frontex-Drohne?

Nach einer neuen Verordnung hat die EU-Grenzagentur Frontex in den letzten fünf Jahren eine eigene Luftüberwachung mit Flugzeugen aufgebaut. Der Einzug von Drohnen macht diese luftgestützte Migrationsabwehr deutlich effektiver, aber vermutlich auch teurer.

Eine Drohne von vorn auf dem Rollfeld, dabei insgesamt drei Techniker am Bug und an jedem Flügel.
Die zweite Frontex-Drohne ist in Tympaki auf der Insel Kreta stationiert. – Griechische Küstenwache

Seit über einem Jahr stationiert die EU-Grenzagentur eine israelische Langstreckendrohne des Typs Heron 1 in Malta, eine weitere Drohne patrouilliert nun im Luftraum um die griechische Insel Kreta. Frontex will aber nicht mitteilen, wie teuer eine Flugstunde ist. So kann nicht verglichen werden, ob die Drohnen mehr kosten als bemannte Flugzeuge, die seit fünf Jahren im Auftrag von Frontex unterwegs sind.

Mit einer neuen Verordnung erhielt Frontex 2016 die Erlaubnis, eigene Ausrüstung anzuschaffen. Sofort begann die Agentur im Rahmen einer „Multipurpose Aerial Surveillance“ (MAS) mit dem Leasing von Charterflugzeugen für die Luftüberwachung. Damit wurde Frontex unabhängig von der Ausleihe von Flugzeugen oder Hubschraubern, die zuvor im Rahmen von Missionen der Agentur bei EU-Mitgliedstaaten ausgeliehen werden mussten.

Bemannte und unbemannte MAS-Flüge

Für ihre Luftüberwachungsaktivitäten schließt Frontex Rahmenverträge mit Charterfirmen, diese stellen die Luftfahrzeuge, zur Bedienung und Wartung nötiges Personal sowie die technische Infrastruktur für die Übertragung der aufgenommenen Daten. Derartige Vereinbarungen erfolgten für vier verschieden große Flugzeuge mit den Firmen EASP AIR BV (Niederlande) und DEA Aviation (Großbritannien). Die Drohnenflüge von Malta und Kreta mietet Frontex von dem deutschen Airbus-Ableger in Bremen.

Zuerst flog Frontex im Auftrag Italiens mit Flugzeugen über dem zentralen Mittelmeer und in der libyschen Seenotrettungszone auf der Suche nach Geflüchteten, die in Booten europäisches Hoheitsgebiet erreichen wollen. Wenn Frontex dort Boote entdeckt, werden darüber unter anderem Behörden in Libyen informiert. Die dortige Küstenwache holt die Menschen anschließend nach Nordafrika zurück. Diese Kooperationen werden als sogenannte Pullbacks bezeichnet, Menschenrechtsorganisation stufen sie als völkerrechtswidrig ein.

2018 fragte Kroatien den Dienst erstmals für eine Landgrenze an. Anschließend hat Frontex die Luftüberwachung auf weitere Regionen ausgedehnt. Die meisten MAS-Flüge erfolgen aber weiterhin über Meeresgebieten.

Fast 17.000 „Migranten“ im Jahr 2020 entdeckt

Erstmals nennt die Agentur Zahlen zu Einsätzen und Flugstunden. Laut der Antwort von Frontex auf eine Anfrage der Europaabgeordneten Özlem Demirel flogen im Jahr 2020 sieben Flugzeuge, ein Hubschrauber und eine Drohne im Rahmen des MAS-Dienstes. Dabei seien insgesamt 1.030 „Überwachungseinsätze“ mit einer Dauer von 4.701 Einsatzstunden absolviert worden.

Frontex habe auf diese Weise 406 „Ereignisse“ und 16.804 „Migranten“ entdeckt. In etwa der Hälfte der Fälle seien die Personen in Seenot gewesen. In 119 Fällen hat Frontex nach eigenen Angaben Meldungen an die libysche Küstenwache gemacht, das ist rund das Dreifache der Zahl von 2019.

2021 sanken die Einsätze des MAS-Dienstes von Frontex auf weniger als die Hälfte, während die Zahl der Flugstunden mit 3.554 nur um etwa ein Viertel abnahm. Trotz weniger Starts erfolgten jedoch deutlich mehr Sichtungen als im Vorjahr. Ausweislich der Frontex-Antwort an die Abgeordnete Demirel seien 2021 insgesamt 461 Ereignisse und 24.299 „Migranten“ festgestellt worden. Anders als 2020 soll es sich dabei fast immer um Seenotfälle gehandelt haben.

Deutlich mehr Flugstunden mit Drohnen

Der Grund für die auffälligen Veränderungen dürfte im Beginn der Drohnenflüge von Malta liegen, während die Einsatzstunden der Flugzeuge in der Region abnahmen. Die Drohnen des Typs Heron 1 sind zudem im Vergleich äußerst effektiv. Die Drohne bleibt mit bis zu 20 Stunden deutlich länger in der Luft als die bemannten Starrflügler oder Helikopter, die Frontex bislang im Mittelmeer eingesetzt hatte.

Allerdings ist unklar, ob die Drohnenflüge nicht unverhältnismäßig teuer sind. Der Rahmenvertrag mit Airbus für Flüge mit der Heron 1 hat einen Umfang von 50 Millionen Euro, die darin vereinbarten 1.200 Flugstunden wurden mittlerweile um zusätzliche 1.870 Flugstunden ergänzt. Rechnerisch würde demnach zum jetzigen Zeitpunkt eine einzelne Flugstunde 16.286 Euro kosten. Allerdings ist nicht eingerechnet, welche weiteren Kosten für die Erweiterung des Vertrages zu Buche schlagen. Unter dem gleichen Rahmenvertrag absolviert Airbus an 182 Kalendertagen außerdem weitere 1.200 Flugstunden von Kreta.

Die neuen Einsätze sollen ausschließlich im Luftraum von Griechenland erfolgen und keine anderen Mitgliedstaaten oder Drittstaaten durchqueren. Airbus hat nunmehr alle erforderlichen Testflüge absolviert und die Lufttüchtigkeit des Systems nachgewiesen. Die griechische Küstenwache und die Luftfahrtbehörde haben den Flugplan genehmigt. Diese Woche erfolgte der erste dokumentierte Flug der Heron 1 im Ionischen Meer.

200 Millionen Euro für Frontex-Luftüberwachung

Frontex weigert sich, konkrete Zahlen zu den Kosten für eine Flugstunde zu nennen. Bei den Angaben handele es sich um „geschäftlich sensible Daten“, die nicht offengelegt werden könnten. Das schrieb eine Frontex-Bedienstete an die Abgeordnete Demirel, die sich informell ein drittes Mal nach den Ausgaben erkundigte. Diese Mail liegt netzpolitik.org vor.

Wegen der Geheimhaltung kann nicht überprüft werden, ob die Drohnenflüge womöglich unverhältnismäßig teurer sind als die bemannten Chartermaschinen. Insgesamt hat Frontex in verschiedenen Rahmenverträgen bereits weit über 200 Millionen Euro für ihre eigene Luftüberwachung im MAS-Dienst ausgegeben.

Die MAS-Flüge werden nun abermals ausgeweitet. Für das laufende Jahr 2022 haben neben Griechenland auch Bulgarien, die Slowakei, Belgien und Malta den Dienst für die Beobachtung ihrer Grenzen angefragt. In den beiden letztgenannten Ländern haben die Einsätze noch nicht begonnen. Ein Ende 2021 gestellter Antrag Italiens, dessen Start sich aus unbekannten Gründen verzögert hat, befindet sich ebenfalls in der Umsetzung.

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