Intime EinblickeÖsterreich macht Jobsuchende nackt

In Beratungsstellen müssen sich österreichische Arbeitssuchende Fragen nach Geburtsfehlern, psychischen Problemen und Geschlechtskrankheiten gefallen lassen. Die intimen Fragen sorgen selbst beim Chef des Arbeitsmarktservice für Verwunderung.

Arbeitsmarktservice
Jobsuchende beim österreichischen Arbeitsmarktservice bekommen sehr persönliche Fragen zu hören – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / photosteinmaurer.com

Mit äußerst intimen Fragen wird in Österreich die Arbeitsfähigkeit von Jobsuchenden untersucht. Diese sollen Auskunft über persönliche Einstellungen, Charaktermerkmale und die eigene Gesundheit geben – gefragt wird dabei auch nach Geburtsfehlern, psychischen Problemen und Geschlechtskrankheiten. Das berichten die österreichischen Medien Die Woche mit Johanna Jaufer und ZackZack.

Rund 270 Fragen sollen Arbeitssuchende im Rahmen des Projektes „JobImpuls“ des österreichischen Arbeitsmarktservice (AMS) über sich ergehen lassen. Sie fließen in eine Auswertung ein, die die deutsche Firma Jobnet.AG im Auftrag des AMS erstellt und bei sich speichert. Zehntausenden Arbeitssuchenden, die in ausgelagerten Beratungsstellen betreut werden, dürfte der Fragebogen bislang bereits vorgelegt worden sein.

Während der AMS betont, die Beantwortung der persönlichen Fragen passiere freiwillig, schildern Betroffene nach den Berichten, auf sie sei Druck zur Beantwortung ausgeübt worden. Zwischen eher harmlosen Fragen sind auch solche eingestreut, die tief in den höchstpersönlichen Lebensbereich der Betroffenen eingreifen. Hier ein Auszug der Fragen:

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schrieb Kopf auf Twitter.

Das AMS betont, die Ergebnisse des Fragebogens würden ausnahmslos zwischen den Arbeitssuchenden und ihren Berater:innen besprochen. Sie sollten dabei helfen, „realistische Ziele zum beruflichen Wiedereinstieg zu definieren.“ Die Daten würden dem AMS nicht vorliegen, die Berater:innen bekämen nur die Auswertung zu sehen.

Bei Experten löste der Fragebogen dennoch Bedenken aus. Der Datenschützer Andreas Krisch sagte ZackZack, wenn nicht klar vermittelt werde, dass der Fragebogen freiwillig sei, dann sei die datenschutzrechtliche Einwilligung nicht gegeben und die Fragen unzulässig. Auch der Arbeitsrechtler Martin Risak zweifelt daran, dass der Fragebogen rechtlich zulässig ist: „Wofür brauche ich diese umfangreichsten Gesundheitsdaten, die weit über das hinausgehen, was ein Arzt in einer Grundanamnese machen würde?“

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4 Ergänzungen

  1. Vielleicht vermittelt der AMS ja auch in die Prostitutionsbranche, dann wären zumindest die Fragen zu Geschlechtskrankheiten jobbezogene Fragen…

    Aber im Ernst: Unfassbar, was man sich staatlicherseits offensichtlich herausnimmt. Selbst wenn die Beantwortung freiwillig ist, schießt Datenerhebung doch so oder über jegliches Ziel hinaus (Stichwort: Datensparsamkeit).

  2. Der eigentliche Skandal besteht darin das die Daten von einer Drittfirma ausgewertet werden, die nicht mal in Österreich ist.

    Selbst wenn die Stammdaten vorab anonymisiert wurden, sind die Fragestellung so das eine Reanonymisierung sehr leicht möglich ist.

    Allerdings ist es Wurst, seit Covid19 wurde in Österreich selbst der primitivste Datenschutz zu Grabe getragen. Das ganze ist inzwischen zu einer tickerten Zeitbombe angewachsen, die jederzeit in die Luft gehen kann, (Der Ibiza-Skandal war dagegen ein gemütliches Maillüftchen)

    Es stellt sich auch nicht mehr die Frage ob dieses Pulverfass in die Luft fliegt, sondern nur mehr noch die Frage nach dem wann.

    1. „Der eigentliche Skandal besteht darin das die Daten von einer Drittfirma ausgewertet werden, die nicht mal in Österreich ist.“

      Zumindest EU-Ausland muss auch möglich sein bei allem was nicht für die „nationale Sicherheit“ von Bedeutung ist. Das ist nämlich eine der Grundlagen für den EU-Binnenmarkt (freier Handel mit Waren und Dienstleistungen).

  3. Das wurde inzwischen revidiert.

    Umstrittener AMS-Fragebogen teilweise deaktiviert
    https://orf.at/stories/3231077/

    Zur eher Ironischen Anmerkung von Daniel am 1. Oktober 2021 um 15:50 Uhr zur Sexarbeit soviel, die wenigsten wären dafür geeignet, ohne abgeschlossenem Studium geht so gut wie nicht mehr, das zweite Problem sind die fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten.

    An MRT, 2. Oktober 2021 um 17:42 Uhr
    Das mag stimmen, dennoch würde es mir überhaupt nicht behagen wenn derart persönliche Daten in Deutschland ausgearbeitet werden, EU Recht hin und her. Ein mehr als massives Problem wäre es wenn so etwas in Ungarn oder Polen ausgewertet wird, schon alleine durch die dortigen Kriminalisierung von LGBTIQ.

    In Deutschland selbst könnten die kulturellen Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland zu einem Problem bei der Interpretation der Daten werden. Arbeitnehmer aus Deutschland haben ein sehr reales Problem mit dieser kulturellen Differenz das gewöhnungsbedürftig ist. Gilt logischerweise auch umgekehrt.

    Was Österreicher und Deutsche trennt und verbindet
    https://kurier.at/politik/ausland/liebste-feinde-was-oesterreicher-und-deutsche-trennt-und-was-sie-verbindet/282.797.045

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.