InstagramWenn Likes und Geotags die Natur zerstören

Tausende Menschen kletterten zu einem natürlichen Becken oberhalb des Königssees in Bayern, um sich in Pose für das Netz zu fotografieren. Der Run auf die perfekten Instagram-Spots macht mittlerweile vielerorts Probleme.

Frau liegt in Pool am Königsbach
Die Vorliebe der Instagram-Community für Infinity-Pools lockte Tausende an den Königsbach. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Roland Mühlanger

Seit Fotos malerischer Orte in der Natur mit Geotag versehen als Geheimtipp auf Instagram landen, sind sie genau das nicht mehr: ein Geheimtipp. Stattdessen verwandeln sie sich in Orte, die Menschen mit Selfiesticks und Kameras kaputt trampeln. Zuletzt machte der bayerische Nationalpark Berchtesgaden Schlagzeilen, da der Park den Zugang zu Wasserbecken oberhalb des Königsees für fünf Jahre sperrt. In den natürlichen Pools am Königsbach-Fall hatten zuvor tausende Menschen für Fotos posiert, diese dann auf Instagram verbreitet und damit noch mehr Tourist:innen aus der ganzen Welt angelockt.

Teilweise unterschätzten die Besucher:innen die Gefahren beim Aufstieg oder beim Baden. 2019 waren zwei junge Männer in den Becken ertrunken. Außerdem leidet die Umwelt im Nationalparkt: Neue Pfade entstehen, die Pflanzen rund um den Aussichtspunkt an den Wasserfällen bleiben plattgetrampelt und vermüllt zurück. Nun brauche die Natur Zeit, sich zu erholen, heißt es vom Naturpark Berchtesgaden, der die Sperrung als letztes, aber nun notwendiges Mittel sieht.

Von der Foto-Idylle bleiben Müll und zertrampelte Blumen

Ähnliches spielte sich 2019 in der Fjaðrárgljúfur-Schlucht in Island ab. Damals waren es keine Influencer:innen, die dem Ort zu ungewollter Berühmtheit verhalfen, sondern der Sänger Justin Bieber, der dort ein Musikvideo gedreht hatte. Der Ort wurde daraufhin einige Monate lang für den Tourismus gesperrt.

Beim blühenden Goldmohn in Kalifornien war es dann die „Instagramability“, die so viele Menschen für Foto-Shootings in die Felder lockte, dass man Straßen sperrte und einen Livestream einrichtete, um die Menschen davon abzuhalten, selbst herzukommen.

Das Problem von plattgetrampelten Blumenfeldern kennen auch Gärtnereien in den Niederlanden. Hier sollten Schilder an Zäunen und ein Leitfaden auf der offiziellen Tourismuswebseite der Niederlande aufklären, dass alle mehr von den Tulpen haben, wenn niemand die Felder betritt.

Auch in der Stadt Jüchen im Rheinland gibt es Tulpenfelder – und somit auch Instagram-Tourist:innen. Wegen des Besucheransturms im Frühjahr ließ die Stadt die Felder von eigens dafür abbestellten Ordnungskräften bewachen.

Frau in Tulpenfeld
Auch Tulpenfelder sind beliebt bei Instagrammer:innen. - Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Bruno van der Kraan

Wenn „Instagramability“ über das Reiseziel entscheidet

Die Fotos von Menschen in malerischen Landschaften landen meist nicht unkommentiert in sozialen Netzwerken, sondern mit einer Ortsangabe durch Geotags. So weiß jede:r genau, wo das Foto entstanden ist und wo es sich nachahmen lässt. So auch am Königsbach-Fall. Unter anderem hatte dort eine Influencerin, der mehrere Millionen Menschen auf Instagram folgen, Fotos und ein unerlaubtes Drohnenvideo mit Geotags gepostet. Mittlerweile hat sie die Geotags wieder entfernt, die dazugehörigen Bilder und Videos aber nicht.

Für viele Nutzer:innen dienen solche Posts dann nicht vorrangig als Inspiration für ein schönes Urlaubsziel, sondern als Inspiration für ein schönes Instagramfoto. 2017 ergab eine Studie einer britischen Ferienhaus-Versicherung, dass die „Instagramability“ bei 40 Prozent der Befragten Brit:innen zwischen 18 und 33 Jahren ein entscheidendes Kriterium für die Auswahl des Reiseziels ist.

Selfies ohne Maske und Abstand

Mann auf Geierlay Hängebrücke
Mensch posiert auf der Geierlay Hängebrücke. - Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Mika Baumeister

Im Internet finden sich reihenweise Blogartikel, die Orte auflisten, an denen sich besonders gute Instagram-Fotos schießen lassen. Mit über 12.000 Posts auf Instagram ist einer dieser Orte in Deutschland auch die Hängeseilbrücke Geierlay. Dort wurde weniger die Zerstörung der Natur, sondern das Einhalten von Corona-Regeln zum Problem für die kleine Gemeinde Mörsdorf. Dass Instagram die Ursache ist, will der Bürgermeister Marcus Kirchhoff so nicht sagen. „Aber man kann feststellen, dass sich der Andrang darauf beschränkt, dass die Leute ein Foto machen und dann wieder weg sind.“

Weil Menschen für Selfies auf der Brücke ihre Masken abnahmen und Abstände nicht einhielten, wurde die Brücke im April abgesperrt. Damit sie am kommenden Wochenende wieder öffnen kann, sollen Ordner:innen nun die Einhaltung der Mindestabstände kontrollieren. Um das zu finanzieren, sollen Besucher:innen fünf Euro Hygieneabgabe zahlen, erklärt Kirchhoff.

Sperrungen außerhalb von Naturschutzgebieten schwieriger

Noch bekannter als die Hängebrücke ist der bayerische Eibsee nahe der Zugspitze. Unter dem Hashtag #eibseelake finden sich fast 30.000 Beiträge auf Instagram. Nicht weit entfernt, auch im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, liegt der Staffelsee mit 27.000 Beiträge auf Instagram. Anders als im Berchtesgardener Land liegen die „Foto-Hotspots“ hier aber nicht in Naturschutzgebieten, so die Pressestelle des Landratsamtes, deswegen seien Betretungsverbote schwieriger.

Für den Staffelsee hat das Landratsamt zu Beginn des Jahres jedoch eine „Verordnung zur Beschränkung des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs“ erlassen, um Wasservögel vor dem „zunehmenden Freizeitdruck“ zu schützen. Wenn an Instagram-Hotspots Gefahren für Leib und Leben bestehen, könnten Gemeinden zusätzlich über das Sicherheitsrecht auch außerhalb von Nationalparks Betretungsverbote erlassen, heißt es vom Landratsamt.

Bisher ist es dazu aber noch nicht gekommen, genervte Anwohner:innen wurden selbst kreativ: Im vergangenen Jahr bemalten sie große Steine am Eibsee mit roter Farbe, um die perfekte Fotokulisse für Influencer:innen zu ruinieren. Doch das blieb ohne große Auswirkungen.

Aufruf #stopgeotagging

Die Anziehungskraft von Likes auf Instagram überwiegt offenbar. Auch der Nationalpark Berchtesgaden probierte schon verschiedene Mittel, um das Problem in den Griff zu kriegen. Mit einer Kampagne auf Instagram versuchte der Park im vergangenen Jahr, die Zielgruppe darauf aufmerksam zu machen, was unbedachte Posts auslösen können:

An alle Influencer: Mit Euren teilweise enormen Reichweiten habt Ihr viel Einfluss auf viele Menschen. Seid Euch bewusst, dass ihr durch solche Postings die Natur zerstört. Campieren, Lagerfeuer, Müll, Drohnenflüge – das ist alles im Nationalpark verboten. Warum? Weil Tiere gestört werden und die Pflanzenwelt leidet. Seid verantwortungsvoll mit Euren Mitmenschen und unserer einzigartigen Natur. Löscht Eure Posts und stellt keine neuen ins Netz. Verzichtet auf Wegbeschreibungen. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀
Mittlerweile werden in der Instagram-Community auch andere Stimmen laut, die rücksichtslose Influencer ermahnen: Verzichtet auf Hashtags! Behaltet die Tipps für Euch! #stopgeotagging #protectnature

In der Pressemitteilung des Landratsamtes Berchtesgadener Land heißt es nun: „Appelle an die Vernunft der Besucher und für einen freiwilligen Verzicht, diesen Bereich zu betreten, haben in der Vergangenheit leider keine Wirkung gezeigt.“

Wer jetzt noch gegen das Zutrittsverbot verstößt, bekommt eine Anzeige und soll Strafen mindestens im dreistelligen Bereich, je nach Verstoß sogar bis zu 25.000 Euro zahlen. Während die Natur hier nun fünf Jahre Zeit bekommt, sich zu erholen, hofft der Nationalpark auch auf eine Sensibilisierung bei den Instagram-Nutzer:innen, damit die Sperrung auch wirklich nur befristet bleiben muss.

3 Ergänzungen

  1. Unter Naturfotografen (in der Regel sind das Menschen, die sich für das Fotografierte interessieren und sich manch Foto hart erarbeitet haben) war es schon immer üblich, Standorte nicht öffentlich preiszugeben.
    Und nun Instagramer mit Nach-mir-die-Sintflut-Mentalität. Hauptsache Likes.

    Traurig.

    1. Naja, es ist teils auch nicht mehr möglich den Ort geheimzuhalten. Dafür sind Software, Hardware und Datenbbanken zu weit.

  2. Mh, wenn ich mir der Auswirkungen mal bewusst werde, suche und fnde ich auch die Einstellungen zum Geotagging in meinem Mobile Phone und schalte sie ab. Dann noch den Ort im ungefähren lassen, sind schon 2 Möglichkeiten.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.