Die Corona-Krise ist allgegenwärtig, auch in unserem neuen Home-Office-Alltag. So wichtig wir es finden, Informationen zum Virus den Raum zu geben, den sie benötigen, bedauern wir es auch, dass so viel anderes dabei aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwindet. Die humanitäre Krise an den europäischen Außengrenzen ist nur ein – wenn auch besonders dramatisches – Beispiel.
Auch langfristige Recherchen drohen ins Hintertreffen zu geraten. An prominenter Stelle deshalb unsere Geschichte zu gelöschten regierungskritischen Videos in Albanien und ihren Verstrickungen nach Deutschland.
Zensurheberrecht und Pressefreiheit
Eine deutsche Firma mit Sitz in Hamburgs teuerster Einkaufsstraße sowie wohl guten Verbindungen zu Facebook und der albanischen Regierungspartei soll für eine Welle von Löschungen kritischer Videobeiträge im vergangenen Sommer verantwortlich sein. Acromax Media heißt dieses bestens vernetzte Unternehmen, nach dessen Spuren netzpolitik.org gemeinsam mit dem ARD-Magazin FAKT in Albanien gesucht hat. Diese Geschichte könnt ihr auch auf Englisch lesen.
Die offizielle Begründung für die Löschungen war immer das Urheberrecht, oder, wie wir es nennen: das Zensurheberrecht. Viel zu oft wird es als fadenscheinige Erklärung dafür genutzt, warum ausgerechnet Beiträge kritischer Journalist:innen gelöscht werden. So bringt es die Pressefreiheit in Gefahr, argumentiert unser Chefredakteur Markus Beckedahl.
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Außergewöhnliche Situationen ermöglichen auch manchmal die Chance, etwas Neues auszuprobieren. Wir ergänzen unseren Wochenrückblick-Newsletter, der immer am Freitag Nachmittag verschickt wird, um ein tägliches Format. Das wird erst mal ein improvisierter Work-In-Progress – Newsletter sein. Das Ziel ist einen täglichen Infodienst per e-Mail zu ermöglichen, der unsere tägliche Linksammlung „Was vom Tage übrig blieb“ ergänzt. Dieser persönliche Newsletter wird im Experimentier-Stadium von unserem Chefredakteurs Markus Beckedahl geschrieben, der darin auch seine vielen Fundstücke im Netz zusammenstellt und kommentiert. Hier könnt Ihr ihn abonnieren.
Netzpolitisches rund um das Coronavirus
Welche Grundrechtseingriffe in der Corona-Krise zu erwarten sind und warum Ausgangssperre und Notstandsgesetze nichts miteinander zu tun haben, hat Lucia Parbel für uns recherchiert.
Eine israelische Cyber-Intelligence-Firma soll eine Software entwickelt haben, mit der Gesundheitsministerien die Ausbreitung des Corona-Virus tracken können. Die NSO Group machte in der Vergangenheit mit dem Verdacht von sich reden, dass sie der saudi-arabischen Regierung beim Ausspähen des ermordeten Journalistischen Jamal Khashoggi geholfen habe.
Standortdaten sind, wie es scheint, in der Corona-Krise noch viel begehrter als normalerweise: In Österreich zum Beispiel stellt der Mobilfunkanbieter A1 der Regierung Bewegungsdaten zur Verfügung. Die Regierung überprüft damit, ob österreichische Bürger:innen sich an die verhängte Ausgangssperre halten.
Keine schlechte Idee, fand Anfang der Woche noch das Robert-Koch-Institut (RKI) und gab an, zusammen mit dem Bundesgesundheitsministerium an einer ähnlichen Lösung zu arbeiten. Von diesem Plan scheint man sich aber entfernt zu haben. Stattdessen möchte das RKI jetzt Bewegungsströme modellieren und nutzt dazu ein Datengeschenk der Telekom. Wozu? Tja, wenn das RKI das bloß so genau wüsste – es bleibt spannend!
Wenn der Nutzen auch unklar ist: Halbwegs datenschutzkonform scheint die Analyse anonymisierter Bewegungsdaten immerhin zu sein. Noch gibt es in Deutschland also keine Grundrechtsbeschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Krise. Sowohl das Infektionsschutzgesetz als auch die bisher in der Geschichte der Bundesrepublik unangetasteten Notstandsgesetze räumen Entscheidungsträger:innen aber die Möglichkeit ein, in bestimmte Grundrechte einzugreifen.
Eine vernünftige Ansprache und virale News
Bislang tut die Bundesregierung aber alles, um weitere Grundrechtseingriffe möglichst zu vermeiden. Stattdessen sprach Bundeskanzlerin Merkel am Mittwochabend in ihrer bisher ersten Fernsehansprache von Solidarität und „Abstand als der besten Fürsorge“ – eindringliche, vernünftige Worte, findet unser Chefredakteur Markus Beckedahl.
Übertragen wurde Merkels Ansprache auch auf den öffentlich-rechtlichen Sendern, die in der Corona-Krise sowieso die wichtigste Informationsquelle zu den aktuellen Entwicklungen sind. Wie einfach wäre es für Befürworter:innen des öffentlich-rechtlichen Medienangebots jetzt, die Debatte um Rundfunkgebühren und Co. selbstzufrieden für beendet zu erkläre. Unser Autor Leonhard hält das jedoch für zu kurz gedacht. Stattdessen möchte er eine Diskussion darüber führen, wie das öffentliche Fernseh- und Streamingangebot zeitgemäßer und offener für alle werden kann.
Wir haben uns zudem umgeschaut und präsentieren gute Factchecking-Seiten und andere Quellen für aktuelle wissenschaftliche Artikel rund um das Coronavirus.
Soziale Medien zwischen Moderation und Überwachung
Es gibt Neues aus der Welt der TikTok-Moderationsregeln. Inhalte, bei denen das Unternehmen befürchtet, sie könnten die kurzfristige Nutzer:innenbindung an die Plattform senken, werden entsprechend der sogenannten „Ugly Content“-Richtlinie in ihrer Reichweite beschränkt. Unter die Regelung fallen ein „offensichtlicher Bierbauch“ oder „zu viele Falten“ bei älteren Nutzer:innen ebenso wie eine „abnormale Körperform“. Das Unternehmen bemüht sich derweil um gute PR und hat angekündigt, in Los Angeles ein neues „Transparenz-Center“ eröffnen zu wollen.
Über die geplanten Änderungen am NetzDG berichteten wir bereits ausführlich. Neben Maßnahmen wie der vorgesehenen Einführung eines polizeilichen Zentralregisters ist ein wichtiges Detail bislang untergegangen: Plattformbetreiber sollen dem BKA auch Portnummern übermitteln, unter denen beanstandete Postings abgesetzt wurden. Doch viele Netzbetreiber und Plattformen protokollieren diese gar nicht – sodass potenziell eine riesige Menge Daten gespeichert werden könnte, die niemandem etwas bringt. Denn von Nutzen wären sie wohl nur, würden sie tatsächlich lückenlos erfasst.
Creative-Commons-Lizenzen bald auch in Uni-Code Standards
Seit Veröffentlichung der ersten Version sind Creative-Commons-Lizenzen für frei nutzbare Inhalte zentral. Bislang müssen sie jedoch – anders als beispielsweise das Copyright-Logo – als Bilddatei eingefügt werden. Doch das könnte sich bald ändern: die jüngste Fassung des Uni-Code Standards enthält auch die Lizenzsymbole. So können die CC Lizenzsymbole bald auch unkompliziert in Fließtexte integriert werden.
Nicht vorenthalten wollen wir euch außerdem unsere tägliche Sammlung mit spannenden Links, über die wir im Laufe des Arbeitstags stolpern. Statt Fotos des Berliner Fernsehturms zieren die Beiträge jetzt wechselnde Bilder aus den Fenstern unser jeweiligen Home-Offices.
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