InformationsfreiheitKlage gegen Geheimhaltung von Polizeipanzern

Das Bundesinnenministerium will auf eine Informationsfreiheitsanfrage nicht einmal herausgeben, wie viele Polizeipanzer es anschaffen will. Dagegen klagen jetzt der Antragsteller und FragdenStaat.de.

NRW-Innenminister Herbert Reul vor einem Polizeipanzer
NRW-Innenminister Herbert Reul bei der „Schlüsselübergabe“ eines Survivor R an ein Spezialeinsatzkommando. – Alle Rechte vorbehalten Innenministerium NRW

Die Militarisierung der Polizei ist nicht nur in den USA ein Thema. Seit mehreren Jahren schaffen Länderpolizeien und die Bundespolizei neben neuen Wasserwerfern auch neue gepanzerte Begleitfahrzeuge an. Diese wurden zum Beispiel beim G20-Gipfel in Hamburg auch im Rahmen von Demonstrationen eingesetzt.

Das Bundesinnenministerium will sich allerdings in Sachen Polizeipanzer nicht in die Karten schauen lassen. In einer Informationsfreiheitsanfrage wollte ein Antragsteller eine Übersicht haben, welche Polizeien des Bundes und der Länder mit welchem Begleitfahrzeug in einer Wasserwerferstaffel ausgestattet sind. Zudem erfragte er, wie die Kosten zwischen dem Bundesministerium des Innern bzw. dem Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder sowie den Bundesländern aufgeteilt werden. Das Bundesinnenministerium lehnte die Informationsfreiheitsanfrage zum Thema rundweg ab. Dagegen klagt nun der Anfragesteller zusammen mit der gemeinnützigen Plattform FragdenStaat.de vor dem Berliner Verwaltungsgericht.

Beispielhaft für die Militarisierung der Polizei ist der neue Polizeipanzer Survivor R. Das von der Polizei gerne als „Anti-Terror-Fahrzeug“ vorgestellte und vom Rüstungskonzern Rheinmetall hergestellte Gefährt wird auch in sogenannten Wasserwerferstaffeln als „Sonderwagen 5“ bereitgehalten. Solche Wasserwerferstaffeln werden unter anderem bei Demonstrationen und Protesten eingesetzt, was aufgrund ihrer einschüchternden Wirkung und der möglichen Abschreckung von Teilnehmer:innen als Grundrechtseingriff gewertet werden kann.

„Information gefährdet die Sicherheit“

Das Bundesinnenministerium begründet die verweigerte Antwort eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitgesetz (IFG) damit, dass alleine die Auskunft darüber, wie viele Polizeipanzer das Innenministerium für die Bundesländer auf Kosten des Bundeshaushalts derzeit anschaffe, „die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ beeinträchtigen würde.

Dabei ist durchaus bekannt, dass Länder Wasserwerfer und Panzerfahrzeuge anschaffen: In Brandenburg bilden zwei Wasserwerfer mit zwei Sonderwagen eine Wasserwerferstaffel. Diese soll zum Schutz der öffentlichen Ordnung gegen Aufstände und Demonstrationen (aber auch abgesagte Musikfestivals und Fußballspiele) eingesetzt werden.

„Die Blockadehaltung des Innenministeriums zeigt, dass die Bundesregierung eine öffentliche Diskussion über den Einsatz der Polizeipanzer scheut“, heißt es in der Pressemitteilung von FragDenStaat.de. Alleine die Rheinmetall-Sonderwagen der Marke „Survivor R“ kosteten den Bundeshaushalt pro Stück mindestens 500.000 Euro, in NRW kostete das militärfarbene Fahrzeug sogar 1.200.000 Euro.

Berliner Verwaltungsgericht entscheidet

Informationen über solche kostenintensiven Anschaffungen bleiben bisher in der Regel aber „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“. Nach der Definition des Innenministeriums dürften daher auch die bereits bekannten Informationen – Sachsen etwa schuf 2017 zwei Sonderwagen des Typs “Survivor R” von Rheinmetall mit Frakturschrift im Inneren an – die öffentliche Sicherheit gefährden.

Eine frühere IFG-Anfrage zur Anzahl der angeschafften Wasserwerfer hatte das Innenministerium abgelehnt, nach einem Widerspruch jedoch Informationen herausgegeben. Das ist für das Gerichtsverfahren wichtig: Denn bei IFG-Anfragen ist nämlich nicht entscheidend, ob ein Dokument als Verschlusssache eingestuft ist, sondern ob der Inhalt tatsächlich geheimhaltungsbedürftig ist. Darüber wird das Berliner Verwaltungsgericht befinden.

Transparenzhinweis: Der Kläger Lennart Mühlenmeier war bei netzpolitik.org angestellt und schreibt auch heute als freier Journalist für dieses Medium.

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5 Ergänzungen

  1. Echte Demokratie haben wir nur mit voller Transparenz auf allen Ebenen. Dieses Demokratie-Verständnis unserer VERTRETER! in den Ländern und im Bund ist teils erschreckend wenig ausgeprägt. Sie verstehen immer noch nicht, das der Souverän des Landes der Bürger ist und alle Entscheidungen bzw. Entscheidungsprozesse transparent – auch ohne Anfrage – veröffentlicht gehören.

    Nur wenn Politiker diesen stetigen Transparenz-Prozess im Hinterkopf haben, werden Entscheidungen nicht mehr gegen die eigentlich größte Lobby des Landes – die Menschen – gefällt.

  2. Warum wird um die Sonderfahrzeuge Survivor R und WaWe 10 so ein Staatsgeheimnis gemacht? Die behördlichen Hubschrauber-/ Helikopter-Flotten in Bund und Ländern sind auch transparent. Oder schämen sich die Ministerien und Rheinmetall MAN Military Vehicles für die vielen Millionen Euro an Steuergeldern welches das Projekt Survivor R verschlingt? Der Einzelpreis für den Survivor R beträgt je nach Spezifikation bis zu 500.000 Euro.

      1. Laut Autozeitung geht“s sogar noch teurer. Diesbezüglich auch interessant, die Bedarfsanalyse für den Survivor R („Panzer-Minna“) für Deutschland:
        „(…) Und da geht unter 500.000 Euro leider gar nichts. Je dicker die Panzerung, je aufwändiger die Einsatztechnik, desto höher der Preis, lautet eine einfache Rechnung, an deren Ende schnell auch mal ein oder zwei Millionen stehen. Aber das tut der Nachfrage offenbar keinen Abbruch. Die ersten Fahrzeuge sind schon verkauft und allein für Deutschland schätzt man den Bedarf auf rund 200 Exemplare – die Anschläge der letzten Monate in ganz Europa haben die Stimmungslage schließlich auch nicht verbessert. (…)“

        https://www.autozeitung.de/man-rheinmetall-survivor-r-138033.html#

  3. Warum? Warum braucht unsere Polizei Panzer? Noch dazu mit extra dicker Panzerung?

    Der Artikel betrachtet die Kosten – eine mögliche Einschränkung der Grundrechte. Wenn man die Kosten-Nutzen-Rechnung beim Nutzen beginnt, und wenn dieser Nutzen allenfalls hypothetisch ist – dann sind die Kosten egal, die Anschaffung ist nicht zu rechtfertigen.

    Es gab in Europa in den letzten Jahrzehnten zwei Situationen, die denen die Polizei die Kontrolle verloren hat: Als mit Maschinengewehren bewaffnete Terroristen in Paris Anschläge verübt haben. Und beim G20-Gipfel in Hamburg.

    In Paris hätten Panzer nichts gebracht, weil es keine Konfrontation gab, sondern Schießereien in Gebäuden und auf (engen) Straßen, wo der Schaden angerichtet war, bevor ein Panzer zur Stelle gewesen wäre.

    Und in Hamburg hätte es ausreichend gepanzerte Wasserwerfer gegeben. Und sogar einen Panzer. Das Problem war allerdings, dass von den 20000 Polizisten vor Ort keiner auf den Dächern war, wo man Steinewerfer vermutete. Es gab offenbar auch keine Hubschrauber oder Drohnen, mit denen man hätte nachschauen können.

    Warum also braucht unsere Polizei 200 Panzer?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.