Was vom Tage übrig blieb: Altmaier, Youtube und Rechtsextreme auf Irrwegen

Wirtschaftsminister Peter Altmaier will den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, Youtube hält den Brand von Notre Dame für einen Terroranschlag und Google verliert vor Gericht gegen deutsche Verbraucherschützer. Und wie breitet sich eigentlich rechte Desinformation im Netz aus und wie gefährlich ist das? Die interessantesten Reste des Tages.

Zwei Tage hintereinander war keine Wolke auf dem Berliner Himmel zu sehen: Wir sind verwirrt. Aber positiv!

Der teure Irrweg des Peter Altmaier (Tagesspiegel)
Harald Schumann nimmt in einem Essay die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier für eine „strategische Industriepolitik“ der EU auseinander, mit denen dieser auf den Wirtschaftsnationalismus der Weltmächte China und USA reagiert. Um nicht abgehängt zu werden, will Altmaier in Schlüsselbereichen wie KI, Plattformen oder Biotech auf Kosten von Wettbewerbs- und Verbraucherschutz „europäische Champions“ formen. Eigene Monopolisten zu schaffen wäre jedoch ein strategischer Fehler, so Schumann. Weder sei deren Erfolg garantiert, noch könnten die vorprogrammierten negativen Folgen für Marktchancen und Arbeitsbedingungen gewollt sein. „Statt das Kartellrecht zu schwächen und Milliardensubventionen für höchst ungewisse Erfolge auszuschütten, sollten die EU-Staaten ihre eigentliche Stärke systematisch nutzen: Sie regieren den größten Binnenmarkt der Welt, und können deshalb Regeln und Standards setzen, denen alle folgen müssen, wenn sie in Europa Geschäfte machen wollen, auch die Konzerne aus Amerika und China.“

As Notre Dame burned, an algorithmic error at YouTube put information about 9/11 under news videos (Nieman Lab)
Um gegen Desinformation und Verschwörungstheorien auf Youtube vorzugehen, unterlegt das Unternehmen in manchen Regionen bestimmte Videos mit Hinweisen auf Enzyklopädien wie Wikipedia oder Britannica. So auch nach dem gestrigen Brand der Pariser Kathedrale Notre Dame. Allein, der Algorithmus hielt den Unfall für einen Terroranschlag und verwies auf die Attacken vom 11. September 2001. Youtube bedauerte den Fehler und entfernte den Hinweis. Allerdings kommen solche durch automatisierte Systeme erzeugten falschen Verknüpfungen regelmäßig vor, zeichnet Nieman Lab nach. Auf der deutschen Youtube-Seite finden sich derweil unter den ersten fünf „Notre Dame“-Suchergebnissen zwei Videos des russischen Staatspropagandasender RT, während rechte US-Verschwörungstheoretiker einen islamistischen Anschlag herbeifantasieren und so den Kreis schließen.

vzbv klagt erfolgreich gegen Google (Verbraucherzentrale Bundesverband)
In einem aus dem Jahr 2012 stammenden Verfahren gegen Google hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) jüngst Recht erhalten. Das Berliner Kammergericht hat laut vzbv entschieden, dass diverse Formulierungen in der „Datenschutzerklärung“ gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen. Während Google eine Zustimmung zu den Regeln für die Nutzung seiner Dienste voraussetzte, sei für die umfassende Sammlung und Nutzung von persönlichen Daten sowie deren Zusammenführung eine informierte und freiwillige Einwilligung erforderlich. Laut vzbv verwendet Google einige der Formulierungen bis heute in gleicher oder ähnlicher Form. Auch einige Passagen der Nutzungsbedingungen seien unwirksam. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, laut vzbv hat Google Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt.

Wie gefährlich ist rechte Desinformation im Netz? (tagesspiegel.de)
In einem längeren Stück schaut sich der Tagesspiegel rechte Online- und Propagandastrategien an. Als Beispiel dient die rechte Kampagne gegen den UN-Migrationspakt. Wer jetzt schon Angst bekommt, dass wieder mal irgendwelche Social Bots als Beweis herangezogen werden, irrt. Vielmehr zeichnet der Artikel nach, wie sich das Thema von rechtsradikalen Influencern wie Martin Sellner über Youtubes Empfehlungsalgorithmen in die Massenmedien verbreitete.

Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es jetzt die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb“, in der die Redakteurinnen und Redakteure gemeinschaftlich solche Links kuratieren und sie unter der Woche um 18 Uhr samt einem aktuellen Ausblick aus unserem Büro veröffentlichen. Wir freuen uns über weitere spannende Links und kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter dieser Sammlung ergänzen könnt.

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