Ist Artikel 13 wirklich das Ende des freien Internets?

Was sind mögliche Auswirkungen von Artikel 13 im Rahmen der EU-Urheberrechtsreform? Wir haben eine ausführliche Analyse und erklären, wer die eigentlichen Profiteure davon sind.

Ende unklar: Die Auswirkungen von Artikel 13 sind nicht zu Ende gedacht. CC-BY 2.0 Robert Couse-Baker

Dieser Artikel ist im Original auf englisch erschienen. Wir haben ihn mit freundlicher Unterstützung des Autoren Joe McNamee von Lorenz Mrohs und Jonathan Schlue übersetzen lassen. Außerdem steht er unter der CC BY-SA 4.0 – Lizenz)

Die Reform des EU-Urheberrechts wird sehr kontrovers diskutiert. Besonders der berühmte Artikel 13 steht dabei im Zentrum der Diskussion. Wenn man den Gegner:innen der Reform zuhört, ist es das Ende des freien Internets, wie wir es kennen. Das Internet, wo alle ohne Erlaubnis mit allen kommunizieren können, wäre dann weg. Hört man den Befürworter:innen der Reform zu, erhalten Urheber:innen und Künstler:innen endlich mehr Kontrolle über ihre Rechte im Internet, nach jahrelangem Urheberrechts-Missbrauch durch Internet-Giganten. Die Extreme machen es schwer, zu verstehen, worum es bei der Reform wirklich geht.

Der Grund, warum dieses Thema so viel Aufsehen erregt, liegt nicht nur an der Komplexität, sondern auch daran, dass Artikel 13 eigentlich kein einzelner Vorschlag ist. Vielmehr handelt es sich um einen Vorschlag mit 1.200 Wörtern zur Filterung, zur Haftung von und Lizenzierung für Internetplattformen, zu Rechtsbehelfen und zur Zusammenarbeit zwischen Rechteinhaber:innen und Internetplattformen.

All dies verschärft sich durch die Tatsache, dass mit der Reform versucht wird, drei unterschiedliche Beziehungen neu auszutarieren: Zwischen Plattformen und Benutzer:innen, zwischen Plattformen und Urheberrechtsinhaber:innen, sowie zwischen Benutzer:innen und Urheberrechtsinhaber:innen. Dazu kommt, dass natürlich viele gleichzeitig sowohl Urheberrechtsinhaber:innen als auch Benutzer:innen sind. Obendrein wird eine ausgewogene Diskussion zusätzlich erschwert durch einen Widerspruch zwischen dem, was sich Befürworter:innen durch die Reform erhoffen, und der Unschärfe und den möglichen unbeabsichtigten Folgen, den die Gegner:innen sehen.

Die Hoffnung derjenigen, die die Reform unterstützen, besteht darin, dass die großen Plattformen entweder für die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten, die hochgeladen werden, bezahlen oder Inhalte blockieren müssen, die nicht zum Hochladen berechtigt sind. Doch ist diese Hoffnung überhaupt berechtigt?

Quelle: Internet

Der Vorschlag zur Reform des Urheberrechts

Welche Inhalte werden geschützt?

Der Vorschlag bezieht sich auf „Werke oder andere geschützte Gegenstände“. Damit wäre alles gemeint, was dem Schutz des geistigen Eigentums unterliegt – das Urheberrecht, aber auch andere Rechte, die unter den weit gefassten Begriff des „geistigen Eigentums“ fallen. Dazu gehören die offensichtlichen Dinge wie Video und Audio, aber auch weniger offensichtliche Dinge wie Choreographie und Markenrecht.

Welche Internetunternehmen sind betroffen?

Betroffen sind alle Unternehmen, die für ihre Nutzer:innen „große Mengen an Werken oder anderen Inhalten“ hosten, fördern und gewinnbringend „organisieren“, mit Ausnahme von kleinen und weniger als drei Jahre alten Unternehmen. Leider weiß bisher niemand so genau, was all das genau bedeuten könnte. Der Verweis auf das „Organisieren“ geht auf einen Fall des Europäischen Gerichtshofs gegen „Pirate Bay“ zurück, sodass es letztendlich an der Auslegung der Gerichte der 27 EU-Mitgliedstaaten liegen wird, zu definieren, was das in Beziehung zu eher traditionellen Dienstleistungen bedeutet. Auch weiß niemand genau, was „große Mengen“ tatsächlich bedeuten könnten. Eines ist jedoch klar: Bei allem politischen Hin und Her geht es nicht nur um Musik und Videos und nicht nur um Google und Facebook.

Was müssen Unternehmen leisten?

Die Plattformen müssen „nach besten Kräften“ versuchen, zukünftige Uploads von Material zu verhindern, das einer „ausreichend begründeten Mitteilung“ von Personen oder Unternehmen unterzogen wurde, die die Rechte an dem Material für sich beanspruchen. Das können Audio, Video, Text, Textbilder, Bilder, Fotos, Choreographien und vieles mehr sein. Die Plattformen müssen den Rechteinhaber:innen auch über die Wirksamkeit der Technologien berichten, die sie zum Erreichen dieses Ziels einsetzen. Die gute Nachricht für diejenigen, die falsche Urheberrechtsansprüche erheben, ist, dass dies weiterhin nicht bestraft wird. Das bedeutet, dass jede:r einen Anspruch auf irgendeinen Inhalt erheben kann, ohne dafür bestraft zu werden. Auch unter dem bestehenden Rechtsrahmen ist es einfach und risikofrei, falsche Behauptungen aufzustellen, sodass Betrüger:innen seit kurzem YouTube-Kanäle mit der Geltendmachung falscher Urheberrechtsansprüche erpressen. Artikel 13 erweitert also die Befugnisse derer, die sich beschweren, tut aber nichts, um sie entsprechend zur Verantwortung zu ziehen.

Welche Arten der Nutzung werden verboten?

In unserer Gesellschaft ist Freiheit die Vorgabe, und Einschränkungen, einschließlich des Urheberrechts, sind die Ausnahme. Deswegen sind Sonderregeln vorgesehen, um übermäßige urheberrechtliche Einschränkungen zu vermeiden. So gibt es beispielsweise im EU-Recht Ausnahmen, sogenannte Schrankenregelungen, für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte im Privaten, für Satire, Bildung usw. Nach Artikel 13 müssten Filter in der Lage sein, diese Ausnahmen zu erkennen. Doch das können sie nicht. Deswegen wird es unmöglich sein, diese entscheidenden Ausnahmen richtig anzuwenden.

Hinzu kommen absurde Gesetze, die bisher fast nie angewandt wurden, aber plötzlich leicht durchzusetzen sein werden. In einigen Ländern der EU ist es eine Urheberrechtsverletzung, Fotos oder Videos von Gemälden, Gebäuden oder Skulpturen zu machen, die sich an öffentlichen Orten befinden. Wenn Sie also zum Beispiel ein Fotograf sind und Ihr Foto ein solches Gebäude beinhaltet, und der Urheber sein Recht geltend machen möchte, dann könnte es sein, dass Ihr Bild nicht hochgeladen wird. (Ebenso verwenden Memes häufig urheberrechtlich geschützte Inhalte, so dass auch sie herausgefiltert werden könnten, wenn Rechteinhaber:innen dies verlangen).

Nach Artikel 13 müssten Filter nicht nur alle „identifizierten“ Gebäude erkennen und blockieren können, sondern gleichzeitig auch die nationalen Urheberrechtsgesetze berücksichtigen. Nach französischem, italienischem und slowenischem Recht, die grundsätzlich die Panoramafreiheit einschränken oder gar nicht zulassen, müssten die Filter das Bild blockieren. Nach österreichischen, britischen und irischen Regeln wäre das Bild online jedoch erlaubt. Wie eine Plattform, die in all diesen Ländern operiert, ihre Filter anwenden soll, lässt sich nur vermuten.

Unabhängig von der eigentlichen Absicht des Gesetzgebers, werden die Plattformen natürlich den einfachsten Weg gehen und all diese Ausnahmen und nationalen Besonderheiten nicht berücksichtigen und einfach alles zu blockieren, was eine Verletzung darstellen könnte. Denn das Blockieren von Inhalten birgt kein rechtliches Risiko, während deren Veröffentlichung ein potentielles Risiko darstellt.

Quelle: Internet

Können Benutzer:innen sich beschweren?

Selbst für die Verfasser:innen des Artikel 13 schien dies alles sehr einseitig, weswegen beschlossen wurde, dem neuen Gesetz eine Art Ausgleich hinzufügen. Daher wird in Artikel 13 auch vorgeschlagen, dass Benutzer:innen, deren Inhalt gelöscht wurde, Zugang zu einem Rechtsbehelfsmechanismus haben sollen. Oder, genauer gesagt, hätten Nutzende damit das Recht auf Wiedergutmachung, wenn die Plattform ihnen gegenüber zugibt, dass ihre Daten auf der Grundlage einer nationalen Umsetzung von Artikel 13, Absatz 1 der Urheberrechtsrichtlinie gelöscht wurden. Wenn die Plattform die Löschung jedoch auf einen Verstoß gegen ihre Nutzungsbedingungen zurückführt, muss der Aufwand gar nicht erst betrieben werden, einen Rechtsbehelfsmechanismus bereitzustellen. Die Richtlinie enthält also einen Rechtsbehelfsmechanismus, der aber in der Praxis wahrscheinlich nicht existieren wird. Das Versprechen, dass Nutzer:innen eine sinnvolle Möglichkeit haben werden, ihre Rechte geltend zu machen, ist deshalb einfach nicht wahr.

Die Konsequenzen

Wem nutzt der Vorschlag zur Urheberrechtsreform?

Welche Plattformen sind nun also potentiell in der Lage, die unvorhersehbaren Anforderungen und unsichtbaren Kosten zur Einhaltung dieser Regeln zu bewältigen? Kleine Plattformen oder Google und Facebook? Welche Rechteinhaber:innen können die richtigen Informationen an jeden relevanten Hosting-Service in jedem relevanten Land übermitteln? Unabhängige Künstler und Kreative oder die größten Rechteinhaber:innen? Ratet mal: Die größten Rechteinhaber:innen und die größten Plattformen sind die einzigen, von denen das erwartet werden kann.

Was heißt das für eine/n unabhängige/n Kreative/n oder Künstler:innen?

Einfach ausgedrückt stehen unabhängigen Kreativen drei Gatekeeper im Weg: die Plattformen, die Verwertungsgesellschaften und die Filtergesellschaften.

Zunächst wird die künstlerische Freiheit und der Verhandlungsspielraum der einzelnen Kreativen eingeschränkt. Die großen Plattformen sind die einzigen, die in diesem rechtlichen Chaos überleben können. So bewegen sich Kreative von der Möglichkeit, ihre Inhalte überall dort weiterzugeben, wo sie wollen, hin zu einer zunehmenden Einschränkung auf wenige Quasi-Monopolanbieter. Diese Plattformen haben das Recht, die Arbeit von Personen zu blockieren, wenn sie das wünschen. Es steht ihnen frei, keine Lizenzvereinbarung abzuschließen und stattdessen den Inhalt zu sperren, wenn sie das wünschen. Es steht ihnen frei, Inhalte aufgrund falscher Angaben zu entfernen, wenn sie das wünschen. Bei den Verhandlungen halten sie die Karten in der Hand. Um mit bestehenden oder neuen Zielgruppen in Kontakt zu treten, werden Kreative und Künstler:innen noch abhängiger von diesen wenigen Plattformen – ganz nach deren Wünschen.

Die einzige Möglichkeit für die Kreativen, sich sinnvoll mit diesem System auseinanderzusetzen, besteht also darin, sich zusammenzuschließen und mit einer Verwertungsgesellschaft, einem zweiten Gatekeeper, zusammenzuarbeiten. Diese Organisationen lizenzieren, identifizieren und berichten im Namen der Kreativen und nehmen dafür einen Teil der Einnahmen. Dies würde vor allem neuen Künstlern schaden, die zu einem Zeitpunkt, da ihre Verhandlungsmacht am niedrigsten ist, Verträge mit Verwertungsgesellschaften aushandeln werden. Wenn sie sich dafür entscheiden, nicht mit einer Verwertungsgesellschaft zusammenzuarbeiten, sind Künstler:innen allein, verhandeln mit Google über Einnahmen, aktualisieren die Sperrdatenbank von Google, um zu verhindern, dass ihre Inhalte hochgeladen werden, bekämpfen falsche Eigentumsansprüche an ihrer Arbeit oder versuchen, ungerechtfertigte Takedowns zu verhindern.

Als ob das nicht schon schlimm genug wäre: Es gibt nur sehr wenige Unternehmen, die die Technologie bereitstellen können, die zur Erfüllung der Verpflichtungen der Richtlinie in Bezug auf das Filtern von Uploads erforderlich ist. Wer Bild, Ton oder einen Videoclip zuerst in die Datenbanken dieser Unternehmen stellt, hat die Kontrolle über zukünftige Verwendungen, Remixe oder Parodien. Daher nehmen die Filterfirmen die Rolle eines Gatekeepers zwischen Künstler:innen und Publikum ein. Das bedeutet, dass immer das Risiko besteht, dass jemand etwas Ähnliches wie Sie getan hat, was verhindert, dass Ihre Inhalte verfügbar werden. Wir sehen das bereits. In einem besonders absurden Beispiel wurden dreißig Sekunden eines neunminütigen Videos eines zu testenden Mikrofons von der ContentID von YouTube als kreative Arbeit eines anderen „identifiziert“ und blockiert.

Durch Artikel 13 bewegen wir uns von einem Internet, in dem Künstler:innen sich mit ihrem Publikum auf eigene Faust verbinden können, in eine Welt, in dem sie ihre Nutzungsrechte gegenüber Verwertungsgesellschaften lizenzieren müssen. Diese lizenzieren die Rechte dann wiederum (oder auch nicht) an wenige US-Online-Plattformen, die in letzter Instanz über die zu Grunde liegenden Lizenzbedingungen entscheiden. Denn wenn keine Einigung zugunsten der Plattformen erzielt wird, entscheiden diese sich einfach für einen Verbot der Inhalte.

Quelle: Internet

Es geht nicht um Urheberrechtsverletzungen, sondern um Kontrolle von Meinungsäußerung.

Es geht hier nicht um Verstöße. In den Entwürfen zu Artikel 13 werden Verstöße praktisch nicht erwähnt. Es geht um „Identifikation“. Es geht darum, Vermittler:innen wie Verwertungsgesellschaften mehr Macht und Kontrolle zu gewähren. Es geht darum, den Online-Unternehmen Verpflichtungen aufzuerlegen, von denen nur die größten mit den entsprechenden Ressourcen diese Verpflichtungen auch bewältigen können. Schaden und Risiken werden auf Einzelne übertragen. Wir werden höchstens ahnen können, was erlaubt ist und was nicht nicht, und wir werden uns selbst zensieren, weil wir wissen, dass wir machtlos sind gegenüber den verantwortlichen Riesenunternehmen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass schlecht definierte Plattformen, die Angst vor unklaren Haftungsregeln haben, undefinierte Technologien nutzen sollen, um „genug“ (es ist unklar, was genug ist) zu tun, um die Verfügbarkeit von durch die Rechte:inhaberinnen identifizierten Inhalte zu kontrollieren. Diejenigen, die die „Identifikation“ vornehmen, gehen kein rechtliches Risiko ein, da falsche Angaben hier nicht strafbar sind. Die Plattform geht kein rechtliches Risiko ein, wenn sie alles potentiell problematische löscht. Alle Schäden und alle Risiken gehen zu Lasten der Uploader:innen. Viele Unbekannte, sagen Sie? Das sind nur diejenigen, die uns bekannt sind.

Das Fazit

Wenn Artikel 13 die größten Plattformen zur Rechenschaft ziehen würde, wäre das eine gute Sache. Wenn Artikel 13 sicherstellen würde, dass Künstler:innen ihr Publikum leichter erreichen könnten, wäre das eine gute Sache. Wenn Artikel 13 die Anzahl der Gatekeeper reduziert, kleineren Künstler:innen mehr Macht verleiht und es ihnen ermöglicht, für ihre Arbeit leichter bezahlt zu werden, wäre das eine gute Sache. Stattdessen geht es darum, das Internet, wie wir es kennen, zu demontieren, die Starken zu stärken und ein Rechtschaos zu schaffen. Viele Gegner:innen von Artikel 13, auch die Zivilgesellschaft, unterstützen die Ziele des Vorschlags, den Künstler:innen mehr Macht und mehr Kontrolle zu geben. Leider gibt es wenig Hinweise darauf, dass die Reform eine Chance hat, dieses Ziel zu erreichen.

Wie die Internationale Journalisten-Vereinigung (International Federation of Journalists) sagte: „Die Urheberrechtsrichtlinie verspottet die Autorenrechte von Journalisten, indem sie Übernahmeverträge und Mobbing fördert, um Journalisten zu zwingen, ihre Rechte abzutreten, und den Verlegern eine Freifahrt ermöglicht, um mehr Gewinne zu erzielen, während die Journalisten Null erhalten“. Diese Analyse gilt für alle Bereiche. Artikel 13 ist nicht für Künstler:innen gemacht.

Quelle: Internet

Joe McNamee, ehemaliger Geschäftsführer von European Digital Rights (EDRi), hat mit einen Raum in Brüssel und im Herzen der Europäischen Union aufgebaut, damit digitale Grundrechte gehört werden können. EDRi hat gegen übermäßige Urheberrechtsbestimmungen in der EU gekämpft, zuletzt gegen die Artikel 11 und 13. EDRi hat sich auch für die europäischen Netzneutralitätregeln und gegen privatisierte Strafverfolgungen eingesetzt und war maßgeblich an dem heftigen Lobbykampf um die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beteiligt, die die digitale Privatsphäre der Menschen in Europa und darüber hinaus verbessert hat. McNamee kam 2009 zu EDRi, zu einer Zeit, als es keine Interessengruppen für digitale Grundrechte mit Sitz in Brüssel gab, trotz der Bedeutung der EU-Entscheidungen für die globale digitale Freiheit. In den neun Jahren, die seitdem vergangen sind, hat sich EDRi zu einem festen Bestandteil der Politikgestaltung für digitale Grundrechte entwickelt. Bevor er zu EDRi kam, arbeitete McNamee elf Jahre lang in der Netzpolitik, unter anderem für die European Internet Services Providers Association. Seine Internet-Karriere begann er 1995 beim Helpdesk von CompuServe UK.

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17 Ergänzungen

  1. „Wenn sie sich dafür entscheiden, nicht mit einer Verwertungsgesellschaft zusammenzuarbeiten, sind Künstler:innen allein“ – und welche Gründe könnte es hierfür geben? Bin selbst Künstler und habe für meine VG bisher nur Dank und Lob über.

    1. Wo kommen z.B. Podcaster unter, GEMA oder VG Wort? Wo kommen Youtuber unter? In der Regel sind Verwertungsgesellschaften für „klassische“ kreative Berufe gemacht. Ich bin in der VG Wort mit meinen Texten drin. Aber wenn ich meine Podcasts nicht abtippe und einreiche, werden die nicht mit berechnet. Und es gibt Unmengen Nutzungsformen, die so auch nicht abgebildet werden. Was ist, wenn ich Fotos mache und sie veröffentliche, aber kein professioneller Fotograf im klassischen Sinne bin?

      1. Bei Twitter hat ein Hobbyfotograf doch seine Anfrage an die VG Bild-Kunst geteilt.
        Wenn man nicht mit seinen Fotos Geld verdient, vertreten die einen nicht.

        Bei mir wäre es auch so.
        Hobbyfotograf auf div. Konzerten, verdiene kein Geld damit, stelle meine Fotos aber den Bands / Veranstaltern kostenlos zur Verfügung.

        Jetzt erzählen einem (vor allem GEMAianer) immer von Pauschallizenz, dass es mir danach besser geht (da besser geschützt und von einer VG „vertreten“).
        Die VG würde ja dann auch mit meinem Material Geld verdienen – nur wie soll ich da dann dran kommen, wenn die nur Profis aufnehmen?
        Also die Bilder verwerten sie schon gern, aber Mitglied sein is nich.
        Hört sich für mich so an wie die Art13 Befürworter über Youtube sprechen

    2. – Manche wollen keinen Inkassowachhund.
      – Manche wollen kein Privatunternehmen als Torwächter.
      – (Manche machen mit, aber legen Rechtsmittel ein, um nicht zu kurz zu kommen, z.B. bei Pauschalanteilen für Verlage, mit denen man nichts zu tun hat.)

      Es gibt natürlich Gründe, in der GEMA zu sein, wenn es einem nützt. Machtkonzentrationen helfen der Gesellschaft aber nicht immer (nur), irgendwo muss eine Balance zwischen Realität und Sinn erfolgen, sonst fackelt alles irgendwann ab. Immer nur Macht zu berücksichtigen, führt garantiert ins verderben.

    3. Man macht sich abhängig von Verwertungsgesellschaften. Wenn man drin ist, kann man nicht mehr alles selber entscheiden. Außerdem geht es darum, dass niemand gewungen werden sollte, irgendwo Mitglied zu sein. Ich hab auch von Künstlern schon viel schlechtes z. Bsp. über die GEMA gehört.

  2. Gut beschrieben, wie diese Richtlinie im Grunde ein bösartiger Versuch geworden ist.

    Hier werden auch verschiedene Gruppen gegeneinander ausgespielt. Die (in Verwertungsgesellschaften) organisierten Urheber tendieren vielleicht zur Unterstützung, während die Fachwelt aus dem IT-Bereich sicherlich nicht zufrieden ist.

    Dummerweise sind die größten Verlage als Nutznießer der Reform vorgesehen, so dass das Medienbild Bände spricht. Zumindest haben die öffentlich rechtlichen noch Satiresendungen, aber sonst ist es kein Thema. Es sollte aber vielleicht Thema sein, denn hier macht sich ggfls. u.a. der Rechtsstaat zum Gehilfen seiner eigenen Abschaffung – und der Nivellierung seiner demokratischen Legetimierung.

    Demokratische Legitimation kann für den Rechtsstaatsanteil nur gelten, wenn dieser weder sich selbst noch die Demokratie abschafft :) – sonst ist er belanglos.

  3. Wieso ist immer von Benutzern die Rede wenn eigentlich Produzenten und Kreative gemeint sind. (leider auch hier im Text)
    Bei YT sind die Benutzer diejenigen die ein Video runterladen.
    Produzenten und Kreative (meist ist das ein und die selbe Person) laden ihre Inhalte auf die Plattform. Das wird aber auch Gesetzestext falsch bezeichnet.

    Würde man die richtige Bezeichnung wählen, würde sofort deutlich werden gegen wen sich das Gesetzt richtet. Gegen die Kreativen von neuen Kunst-Formen von Inhalten.

    1. Die Verwendung von „Benutzer“ im Artikel ist schon korrekt. Benutzer sind diejenigen, die die Plattform, also Webseite, verwenden. Das ist eine sehr große und vielfältige Gruppe.

      Produzenten haben einen Account und benutzen die Webseite hauptsächlich zum Hochladen und zum Organisieren ihrer Videos. Einige von ihren werden von YouTube bezahlt und sind damit so etwas wie freie Mitarbeiter oder Subunternehmer.

      Konsumenten benutzen die Webseite hauptsächlich zum herunterladen und (falls sie einen Account haben) zum Kommentieren.

      Und dann gibt es die Kunden, das ist noch einmal eine andere Gruppe von Nutzern. Diese bezahlen dafür, dass ihre Werbung zwischen den anderen Videos angezeigt werden. Sie benutzen die Webseite zum Hochladen und Organisieren ihrer Werbevideos.

      Letzten Endes sind das aber alles Nutzer der YouTube-Platform.

  4. Brauchen wir bei all den Risiken die Richtlinie überhaupt, um der Kreativindustrie im Internetzeitalter das Überleben zu sichern?

    Brauchen wir nicht: Die Gewinne der Musikindustrie sind in den letzten Jahren regelrecht explodiert. Und zwar zu einem großen Teil durch das Internet!

    Zahlen zu Film- und Printindustrie gibt es in dem Artikel zwar nicht. Eine ähnliche Entwicklung ist jedoch an zu nehmen. Wenn auch mit Verzögerung: Der Musikindustrie geht es gut, weil sie vor einigen Jahren angefangen, das Internet als Vertriebsplattform zu akzeptieren, statt alle neuen Geschäftsmodelle pauschal zu verteufeln. Zumindest die Zeitungs- und Buchverlage haben da noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Unabhängig von Gesetzesänderungen.
    Quelle: https://www.techdirt.com/articles/20190317/01022441808/as-recording-industry-announces-massive-growth-why-do-we-need-article-13-again.shtml

    1. Sehe ich genauso. Ein guter Schritt dahin wäre es mal junge Künstler zu unterstützen anstatt den großen Playern, Tür und Angel zu öffnen. Ist es eben doch die Kreativität von jungen unabhängingen Musikern gewesen die neue Vertriebswege erschlossen haben. Das war keine Idee der Musikindustrie. Das haben die auch nur wieder adaptiert und bis ins Nirvana optimiert.

    2. Wenn man sich natürlich einen so schönen Zeitraum rauspickt wie ab 2009, mag das so aussehen. Zur Musikindustrie: Die ältesten Zahlen, die ich gefunden habe, stammen von 1999 und wenn man das inflationsbereinigt liest, dann war damals der Umsatz so grob das doppelte von heute… Also nix mit Goldenen Zeiten

      Und was die „Hausaufgaben“ der Printindustrie vulgo des Journalismus angeht, kann ich als dort Tätiger nur sagen: Die Bezahlung wird immer schlechter, die Kollegen rennen scharenweise zu PR. Seit mehr als zehn Jahren werden tragbare digitale Geschäftmodelle geuscht, aber keine gefunden. Wie auch: Google/Facebook verdienen in einem Quartal mehr Geld als alle Medienunternehmen in Deutschland zsuammen in einem Jahr! Und mit Paywalls allein ist da nicht aufzufangen. Meien Prognose: Ein paar große Medienmarken werden mit (günstigen) Paywalls überleben, ansonsten gitb’s Clickbait-Portale und Newsrooms von Unternehmen – viel Spaß…

    3. Wenn man sich natürlich einen so schönen Zeitraum rauspickt wie ab 2009, mag das so aussehen. Zur Musikindustrie: Die ältesten Zahlen, die ich gefunden habe, stammen von 1999 und wenn man das inflationsbereinigt liest, dann war damals der Umsatz so grob das doppelte von heute… Also nix mit Goldenen Zeiten

      Und was die „Hausaufgaben“ der Printindustrie vulgo des Journalismus angeht, kann ich als dort Tätiger nur sagen: Die Bezahlung wird immer schlechter, die Kollegen rennen scharenweise zur PR. Seit mehr als zehn Jahren werden tragbare digitale Geschäftmodelle geuscht, aber keine gefunden. Wie auch: Google/Facebook verdienen in einem Quartal mehr Geld als alle Medienunternehmen in Deutschland zusammen in einem Jahr! Und mit Paywalls allein ist das nicht aufzufangen. Meine Prognose: Ein paar große Medienmarken werden mit (günstigen) Paywalls überleben, ansonsten gitb’s Clickbait-Portale und Newsrooms von Unternehmen – viel Spaß…

  5. Meine Anmerkung zum Artikel von Herrn Joe McNamee ist:

    Toller Artikel, für jeden der Lesen kann, verständlich ausgedrückt!

    Nur eines wurde leider vergessen! Wem nutzt der Vorschlag zur Urheberrechtsreform und den Befürwortern von Artikel 13 wirklich?

    1. den Rechtsanwälten die sich spezialisiert auf Artikel 13 stürzen und eine Menge Geld mit Abmahnungen und Streitverfahren vor den Gerichten rausholen, die DSGVO hat hier ja schon eine gewisse Vorbildhaftigkeit.

    2. den unseriösen Geschäftemachern, die ein gewisses Grundpolster an finanziellen Mitteln zur Verfügung haben, denen es nicht weh tut, das einzusetztende Kapital auch mal zu verlieren.

    Denn trotz Urheberrecht, Patenten, Markenrechten und GEMA, wird es immer wieder Schlupflöcher geben um das sog. Urheberrecht „legal“ zu umgehen, denn mit einem gewissen Hang zur Kriminalität schaffen es solche Leute immer wieder das „Sahnehäupchen“ eines Kuchens zu sichern.

    Diese Erfahrung habe ich leider selber machen müssen, ich habe mir vor ca. 25 Jahren einen Markennahmen teuer schützen lassen, im Inland und Ausland, Dafür habe ich sehr viel Geld beim Patentamt ausgegeben.

  6. Es tut mir Leid, aber dieser Beitrag ist sehr oberflächlich und liefert keine wirklichen Argumente – stattdessen nur Behauptungen:

    1. „Die Plattform geht kein rechtliches Risiko ein, wenn sie alles potentiell problematische löscht.“ Woran wird diese Vermutung festgemacht? Haben uns Beispiele aus der Vergangenheit nicht eher gezeigt, dass z.B. Google und Facebook bei vermeintlichen Rechtsverletzungen knallhart ihre Nutzer schützen? z.B. werden weniger als die Hälfte der Google-Löschanträge befolgt; Facebook/Twitter und rassistische oder ehrverletzende Äußerungen ist ein anderes Problem, etc.

    2. „Denn wenn keine Einigung zugunsten der Plattformen erzielt wird, entscheiden diese sich einfach für einen Verbot der Inhalte.“ Das ist ein grundsätzliches Problem und wird durch die Urheberrechtsreform kaum berührt. Die berechtigte Besorgnis des Diktats einiger weniger US-Datenkraken wird nicht durch eine Urheberrechtsreform gelöst, sondern muss viel grundsätzlicher angegangen werden. Diese Plattformen sind eben keine Straßen, auf denen jeder gleiche Nutzungsrechte hat, sondern gigantische Monopole. Hier müssen viel wesentlichere Änderungen greifen. Dies kann man aber nicht an einer Urheberrechtsrichtlinie festmachen.

    3. „Die gute Nachricht für diejenigen, die falsche Urheberrechtsansprüche erheben, ist, dass dies weiterhin nicht bestraft wird. Das bedeutet, dass jede:r einen Anspruch auf irgendeinen Inhalt erheben kann, ohne dafür bestraft zu werden; auch unter dem bestehenden Rechtsrahmen ist es einfach und risikofrei, falsche Behauptungen aufzustellen, sodass Betrüger:innen seit kurzem YouTube-Kanäle mit der Geltendmachung falscher Urheberrechtsansprüche erpressen.“ Diese Aussage zu lesen, finde ich eine Frechheit. Hier wird die Existenz von § 263 StGB (Betrug) einfach geleugnet. Auch entbehrt diese Aussage jeglicher rechtspolitischer Expertise: eine Richtlinie zum Urheberrecht soll einfach eine/n Straftatbestand/OWi einführen, weil ein paar Betrüger auf Youtube ihr Unwesen treiben? Vielleicht sollte hier noch einmal darüber nachgedacht werden, wann und unter welchen Umständen Straftatbestände eingeführt werden können/sollten und ob Europa hierfür überhaupt die Kompetenz für hat.

    Allein diese drei Behauptungen zeigen, dass dieser Beitrag keine sachliche Diskussionsgrundlage bilden kann. So sehr ich Herrn McNamee zustimmen möchte (mehr Rechte für Künstler*innen, weniger Macht für Internetgiganten), so sehr ist dieser Beitrag leider misslungen. Im Ergebnis fühlt es sich daher für mich leider mehr nach falscher Panikmache an, als dass Probleme sachlich erörtert werden sollen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.