Rede: Wir sind nicht gegen das Urheberrecht. Wir sind aber gegen verpflichtende Uploadfilter!

Auf der „Berlin gegen 13“-Demonstration in Berlin sind zur Stunde schon mehrere tausend Menschen, um für ein zeitgemäßes Urheberrecht und gegen Uploadfilter zu demonstrieren. Markus Beckedahl hat eine der Eröffnungsreden gehalten. Wir dokumentieren hier die Rede.

Platzhalter-Bild von vorher, bis wir nach der Demonstration ein besseres finden.

Ich bin Verleger, Urheber und Mitglied der VG Wort. Man muss das ja in diesen Tagen immer dazu sagen.

Denn die Befürworter dieser Urheberrechtsreform suggerieren derzeit immer, dass alle Urheber und Verleger und Mitglieder in Verwertungsgesellschaften hinter diesen jetzt beschlossenen Reformplänen stehen würden.

Ich stehe nicht dahinter und ihr offensichtlich auch nicht, sonst wärt ihr nicht gekommen.

Ich kann die Befürworter von Artikel 13 verstehen: Sie wünschen sich eine bessere Verhandlungsposition gegenüber Youtube, Facebook und Co. und sehen in dem gesetzlichen Konstrukt rund um Artikel 13 dafür einen Hebel.

Leider hab ich nicht das Gefühl, dass ihnen bewusst ist, dass die von ihnen gewünschten rechtlichen und technischen Umsetzungen das Internet, wie wir es kennen und schätzen gelernt haben, massiv verändern kann. Oder sie nehmen das in Kauf für ihren eigenen Vorteil.

Und ich hab nicht das Gefühl, dass man sich ausführlich und mit technischer Kompetenz mit möglichen Folgen beschäftigt und diese verstanden hat.

Sonst würden sie nicht behaupten, dass Uploadfilter keine Gefahr für die Meinungsfreiheit darstellen.

Ich bin für ein zeitgemäßes Urheberrecht. Aber die gerade zu Ende verhandelte Reform steht nicht dafür, sondern für eine mediale Welt von gestern.

Das Urheberrecht ist leider viel zu kompliziert.

Fragt mal den Chefverhandler Axel Voss von der CDU, der regelmäßig seine Unkenntnis über das Urheberrecht zeigt, aber trotzdem als Experte gilt.

Und der arbeitet an dem Thema seit Jahren und hat es aber immer noch nicht im Detail verstanden.

Wahrscheinlich liegt das auch daran, dass er selbst als reiner Konsument kaum betroffen ist.

Und seine Facebook-Seite von seinen Mitarbeitern säubern ließ, als Zweifel aufkamen, ob er für alle dort geposteten Meme und Bilder überhaupt die Lizenzrechte hätte.

Viele von uns sind aber keine Konsumenten mehr, wir sind durch das Netz auch Sender geworden. Und stehen bereits jetzt ständig mit einem Bein in einer Urheberrechtsverletzung oder haben schon Abmahnungen bekommen.

Nur um mal die Komplexität des Urheberrechts aufzuzeigen:

Das von der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichte Buch „Urheberrecht im Alltag“ erklärt auf 385 Seiten, was man als aktiver Nutzer im Netz alles beachten sollte, um bloß keine unbewusste Urheberrechtsverletzung zu begehen.

Das hätte Axel Voss mal lesen sollen, damit er verstanden hätte, dass von den Uploadfiltern in Artikel 13 nicht nur Youtube und Facebook betroffen sein könnte, sondern das halbe Internet noch dazu.

Denn nicht nur professionelle Fotos, was auch immer das ist, sind davon betroffen.

Sondern alle Fotos und Videos und Texte. Meine, Eure und auch die von Axel Voss. Auch wenn er kein professioneller Fotograf ist.

Ein Problem ist: Man schießt mit der Schrotflinte Artikel 13 auf Youtube und Facebook und trifft aber leider noch das halbe Internet dazu.

Wenn man alle Ausnahmen zusammenzählt, bleiben leider immer noch unzählige Plattformen übrig, die älter sind als drei Jahre und nach weitreichender Definition auch mit nur einem Banner zur Refinanzierung der Serverkosten als kommerziell gelten und zu Uploadfiltern verpflichtet werden können.

Unsere Befürchtung ist: Das stärkt nochmal die Großen extra, denn Google und Facebook haben bereits Uploadfilter-Systeme im Einsatz und können die an kleinere Unternehmen lizenzieren, die sich keine aufwändige Entwicklung leisten können.

Die Art und Weise, wie viele von uns kommunizieren, ist durch Uploadfilter gefährdet. Viele von uns kommunizieren mit popkulturellen Referenzen. Man nennt das im Volksmund auch Meme.

Meme basieren fast immer auf fremden Bild- oder Videoinhalten und funktionieren oft gerade deshalb, weil sie bekanntes oder popkulturelles Material aus Filmen, TV-Serien oder Presseberichterstattung in einen neuen Kontext stellen.

Und wenn Euch jemand erzählt, Meme und Parodien wären durch die Uploadfilter nicht gefährdet, dann lasst Euch nicht verarschen!

Trotz netter Formulierungen in Artikel 13 reichen aber das bestehende Zitatrecht und die Rechtssprechung zur Kunstfreiheit nicht aus, um Meme legal verwenden zu können.

Und hier ist das Problem: Wir haben kein Recht auf Remix im europäischen Urheberrecht, weil die Befürworter von Artikel 13 das nicht haben wollten.

Wenn man wirklich ein Interesse daran gehabt hätte, Meme und Parodien legal zu haben und nicht von Uploadfiltern blockieren zu lassen, dann hätte man ein Recht auf Remix durchgesetzt und die Verwendung von Memen legalisiert.

Da hab ich eher das Gefühl: Entweder haben es die Befürworter nicht ausreichend verstanden oder sie sagen nicht die Wahrheit.

Leider kann man das Gesetz nicht wieder zurückdrehen, wenn es denn in der Realität plötzlich viele Meme wegfiltert, obwohl doch viele Politiker versprechen, dass das nicht passieren wird.

Aber es gibt nicht nur Artikel 13 in dieser Reform.

Es gibt auch Artikel 11, das Leistungsschutzrecht.

Wir stehen hier vor Axel Springer, und deren Lobbyisten haben seinerzeit federführend das Leistungsschutzrecht für Presseverleger auf den Weg gebracht.

Damals haben wir schon befürchtet, dass das zu Lasten der kleinen Plattformen und Aggregatoren geht, Rechtsunsicherheit schafft und nur die Großen davon profitieren.

Und was wurde daraus? Kleine Aggregatoren gaben auf, viele Startups kämpften mit Rechtsunsicherheiten.

Und gerade Google, gegen die das argumentativ doch durchgesetzt werden sollte, bekam eine Freilizenz, weil sie sonst Verlagsangebote aus ihren Suchanfragen ausgelistet hätten.

Mit anderen Worten: Es ist genau das eingetreten, vor dem wir gewarnt haben.

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger wurde in Deutschland zum Rohrkrepierer. Und dann versprach der ehemalige EU-Kommissar Günther Oettinger, das als Exportschlager auf die EU-Ebene zu bringen.

Dann gibt es noch Artikel 12.

Und das ist der Grund, warum die Freischreiber als Verband der freien Journalisten mit uns heute hier demonstrieren.

Denn eigentlich sagt die Rechtssprechung, dass Erlöse aus Verwertungsgesellschaften komplett den Urhebern gehören sollten.

Aber mit Artikel 12 sollen die Urheber die Hälfte vom Kuchen mit Verlegern und Medienkonzernen teilen.

Wenn Euch jemand sagt, diese Reform stärkt die Rechte von Urheberinnen und Urhebern, dann sagt einfach: Artikel 12 macht das Gegenteil.

Auch dagegen demonstrieren wir hier.

Aber Uploadfilter drohen uns nicht nur im Rahmen der Urheberrechtsreform.

Wir recherchieren bei netzpolitik.org seit Jahren hinter dem EU Forum Internet her, wo Sicherheitsbehörden, Regierungen und Plattformen zusammenkommen und gemeinsame Maßnahmen koordinieren. Daraus ist der Verordnungsentwurf gegen Terrorpropaganda geworden.

Uploadfilter gegen Terrorpropaganda klingt erstmal gut, wenn man nur an Enthauptungsvideos des Islamischen Staats denkt. Aber die Definition, was unter Terror-Propaganda fallen kann, ist sehr vage.

Und wir befürchten, dass darunter auch schnell legitimer zivilgesellschaftlicher Protest wie am Hambacher Forst oder bei Ende Gelände drunter fallen könnte.

Denn sowohl der Energiekonzern RWE als auch die NRW-Regierung sprachen in diesem Zusammenhang von Terrorvorwürfen. Werden Klimaproteste dann zukünftig direkt beim Hochladen gefiltert und finden in unserer Realität dann nicht mehr statt?

Wer kontrolliert das eigentlich? Es gibt schon freiwillige Filter-Datenbanken, wo Sicherheitsbehörden Links reinschmeißen und große Plattformen diese automatisiert rausfiltern.

Wir wollten mal rausfinden, wie die demokratischen Kontrollen dafür sind, und waren erstaunt zu erfahren, dass es keine gibt.

Die EU-Kommission, die das Ganze vorangetragen hat und jährlich neue Zahlen präsentiert, wieviele Inhalte gesperrt werden, konnte nicht sagen, wer diese Datenbanken kontrolliert. Auch Europol als ausführende Sicherheitsbehörde hatte keine Ahnung.

Diese Entwicklung ist gefährlich. Hier wird eine gefährliche Kontroll- und Zensurinfrastruktur aufgebaut, die sehr schnell missbraucht werden kann.

Außerdem wissen wir aus so gut wie jeder Überwachungsdebatte: Wenn erstmal ein System eingeführt wird, dann reden wir nur noch über die Ausweitung, fast nie über die Rücknahme.

Und deswegen sind wir kategorisch gegen Uploadfilter.

Denn Systeme, die unsere Kommunikation beim Hochladen nach bestimmten Inhalten checken, sind einfach eine super Zensur- und Kontrolltechnologie.

Wenn die Befürworter dieser Reform das nicht verstanden haben, dann sollten sie sich lieber mal damit beschäftigen.

Und diese ganze Debatte ist schräg:

Es ist vollkommen ok, wenn die Musikindustrie Udo Jürgens als Lobbyisten in eigener Sache mit zu Kanzlerin Merkel schleppte, um für ein verschärftes Urheberrecht zu werben.

Es ist vollkommen ok, wenn das EU-Parlament den Musiker Jean-Michel Jarre als Lobbyisten in eigener Sache in einem Axel-Voss-Promo-Video verwendet und dabei gleich mit suggeriert, dass die Abstimmung um Uploadfilter schon gelaufen sei.

Aber sobald Youtuber in eigener Sache ihre Interessen artikulieren, ist alles von Google gekauft und inszeniert.

Und wenn sich Menschen im Netz für ihre und unsere Rechte einsetzen und Kritik an einem alten System und alten Strukturen äußern, dann sind das alles Bots. Dann sind wir laut EU-Kommission ein Mob. Das ist doch etwas verlogen!

Deswegen ist es gut und wichtig, dass so viele Menschen hier erschienen sind.

Deswegen ist es wichtig, dass viele Menschen im Netz ihre Kritik an den geplanten Uploadfiltern kommunizieren.

Und deswegen ist es richtig und wichtig, wenn viele Menschen sich in Briefen, Mails, Anrufen und Faxen an EU-Abgeordnete wenden und sagen:

Wir sind nicht gegen das Urheberrecht.

Wir sind aber gegen verpflichtende Uploadfilter, ob die jetzt namentlich da drin stehen oder nur juristisch beschrieben werden.

Und wir sind für ein offenes Internet, wo wir auch nach dieser Reform so kommunizieren können, wie wir es gewohnt sind.

Diese Uploadfilter ändern vieles und deswegen müssen sie raus aus diesem Gesetz.

Und jetzt viel Spaß und viel Motivation!

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4 Ergänzungen

  1. Der Uploadfilter tut das, was man bei der Digitalisierung an allen Ecken und Enden erlebt: Er zwingt den Bürger, sich einem automatisierten Prozess zu unterwerfen. Der programmierte Code entscheidet über richtig und falsch. Dagegen hilft kein Argument und kein Widerspruch. Der Mensch wird zum Objekt. Das widerspricht unserem Rechtssystem, unserem Menschenbild und führt in eine ungewollte Zensur. Deshalb müssen wir Digitalisierung weiter denken!

    Ebenso unstrittig ist, dass auch das Recht des Urhebers schützenswert ist. Deshalb vermisse ich hier die Diskussion über Alternativen zum Uploadfilter.

    Wäre Folgendes nicht eine gute Alternative:
    Jedem der eine Urheberrechtsverletzung schlüssig vorträgt, muss der Plattformbetreiber binnen 2 Wochen Name und Anschrift (oder IP Adresse) des mutmaßlichen Verletzers herausgeben. Dann können sich die Parteien ausserhalb der Plattform auseinander setzen und dazu ggf. Gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Damit hätten wir wieder einen rechtsförmlichen Prozess.

    Die Herausgabe von persönlichen Daten ist dann das geringere Übel.Das muss dann allerdings hingenommen werden und erscheint mir auch angemessen. Hat der Plattformbetreiber diese Daten nicht, dann muss er selbst die Rolle des Urheberrechtsverletzers übernehmen. Dazu könne er ein formelles Schiedsgerichtverfahren konstituieren, gegen dessen Urteil die Klage vor öffentlichen Gerichten möglich ist.

    Warum denkt niemand weiter?

    1. „Jedem der eine Urheberrechtsverletzung schlüssig vorträgt, muss der Plattformbetreiber binnen 2 Wochen Name und Anschrift (oder IP Adresse) des mutmaßlichen Verletzers herausgeben. Dann können sich die Parteien ausserhalb der Plattform auseinander setzen und dazu ggf. Gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Damit hätten wir wieder einen rechtsförmlichen Prozess.“

      Auf gar keinen Fall! Die Urheberrechtsindustrie versucht gerade Cloudflare und Co gerichtlich dazu zu zwingen die Kundendaten von maskierten Piraterieseiten heruaszurücken. Das ist aus meiner Sicht fatal, weil damit außerhalb des Tornetzwerk kaum mehr Bulletproof Sites möglich sind.

  2. „Wir sind nicht gegen das Urheberrecht. Wir sind aber gegen verpflichtende Uploadfilter!“ Interessant daran ist, dass die breite Ablehnung der Uploadfilter eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Urheberrechtsreform weitgehend unterdrückt.

    1. Diese Schuld liegt auf Seiten derjenigen, die Uploadfilter da juristisch reingeschrieben haben, ohne sie namentlich zu nennen und allen erzählt haben, das stände da gar nicht drin. Das kann man neben „mob“ und „bots“ einordnen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.