Foren: Anglerinnen und Autoschrauber protestieren gemeinsam gegen Uploadfilter

Die EU-Urheberrechtsreform bedroht eine der ältesten Formen der Internetkommunikation: die Foren. Nun haben sich mehr als 380 deutschsprachige Foren zusammengeschlossen. Sie wollen zeigen, dass es in der Debatte um viel mehr als YouTube geht – und rufen ihre 15 Millionen angmeldeten Nutzer zum Protest auf.

Ob Angeln, Grillen oder der Ausbau des Hochdachkombis – es gibt für jedes Thema ein Forum. Doch auch diese könnten durch die EU-Urheberrechtsreform bedroht sein. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Robson Hatsukami Morgan

Sie tauschen sich über Meerschweinchen aus, fachsimpeln über italienische Oldtimer oder diskutieren, wie man die dicksten Barsche fängt. Wer Informationen über Camping, Ultra-Leicht-Trekking, Drohnen, Zierfische oder Umstandsmode braucht, findet in Foren Gleichgesinnte und oftmals gute Antworten auf Fachfragen. Foren sind nicht nur eine der ältesten Kommunikationsformen im Netz, sie sind in ihrer Gesamtheit ein Spiegel der Gesellschaft und begründen eine riesige, frei zugängliche Wissenssammlung. Jetzt sehen sich Foren durch die EU-Urheberrechtsreform und Uploadfilter in ihrer Existenz gefährdet.

Deswegen hat Andreas Jürgensen „Foren gegen Uploadfilter“ gegründet. Mittlerweile hätten sich 385 deutschsprachige Foren mit mehr als 15 Millionen angemeldeten Nutzer:innen diesem Bündnis angeschlossen, verkündet die Aktionsseite.  „Wir machen uns Sorgen, dass die EU-Urheberrechtsrichtlinie unsere Foren und damit die Diskussionskultur im deutschsprachigen Internet existenziell gefährdet“, sagt Jürgensen gegenüber netzpolitik.org. Die öffentliche Debatte zur EU-Urheberrechtsrichtlinie drehe sich fast ausschließlich um YouTube und andere große US-amerikanische Plattformen. Dabei gerate aus dem Blick, dass Diskussionsforen jeder Größe ebenso von der neuen Richtlinie betroffen sein könnten. Eine Lizenzierung von allen Rechten und eine Vorabkontrolle seien für die oftmals auch hobby- oder vereinsmäßig betriebenen Dienste nicht zu leisten.

Hintergrund der Sorge der Forenbetreiber ist, dass Foren unter die zentrale Definition in Artikel 2 der Urheberrechtsreform fallen könnten: Ihr Hauptzweck ist das Hochladen, Organisieren und Darstellen geschützter Werke – nämlich die Text- und Bildbeiträge ihrer Mitglieder. Im Gegensatz zu Wikipedia oder Github sind Foren nicht von der EU-Urheberrechtsreform ausgenommen.

„Kahlschlag in der deutschen Forenlandschaft“

Zudem seien mit der EU-Urheberrechtsreform viele Rechtsunsicherheiten verbunden, die erst in den nächsten Jahren geklärt werden könnten. „Diese Phase der Unsicherheit wird einen Kahlschlag in der deutschen Forenlandschaft auslösen“, befürchtet Jürgensen – und mit ihm ein riesiges Bündnis, das die Pluralität und die Vielfalt des Internets abbildet. Ein Forensterben wegen der EU-Urheberrechtsreform wäre ein kultureller Verlust, das zeigt ein Blick auf die Liste der Unterstützer des Bündnisses.

Jürgensen hebt hervor, dass Foren schon heute Verantwortung bei der Durchsetzung von Urheberrechten übernehmen: „Die Rechte der Urheber sind in unseren Augen ein hohes Gut, das wir als Betreiber gemeinsam mit unseren ehrenamtlichen Moderatoren täglich schützen“. Schon heute müsse man als Forenbetreiber viele gesetzliche Regelungen beachten und sie täglich bei den Mitgliedern auch aktiv durchsetzen. Dazu zählen neben Datenschutz auch Persönlichkeitsrechte und das Urheberrecht. Jürgensen ist der Ansicht, dass das heutige „Notice and Take Down“-Verfahren die Foren bereits heute genug in Haftung nehme. Das Verfahren sieht vor, dass Betreiber 24 Stunden nach einer Benachrichtigung Rechtsverstöße entfernt haben müssen. „Dies ist unsere Verantwortung, die wir bewusst und gerne tragen“, so Jürgensen weiter.

In einem offenen Brief an die EU-Abgeordneten heißt es: „Foren sind nicht nur für ihre eigenen Mitglieder eine digitale Heimat, sondern auch eine unerschöpfliche Wissensquelle für die Allgemeinheit.“ Durch die EU-Urheberrechtsreform könnten diese digitalen Orte des Wissens, der Fachsimpelei, der gegenseitigen Hilfe  – und damit gut organisierte Communities bedroht werden.

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5 Ergänzungen

  1. A) Super Perspektive für einzelne Entwickler, die mit einer Community arbeiten wollen.
    * Identifizieren der Benutzer (international) -> keine Kunden, bzw. nicht machbar.
    * Nicht öffentlich machen -> kein Effekt, kein Fortschritt, keine Benutzer.
    * Alles von Hand sichten ist im allgemeinen Fall nicht leistbar.

    B) Was ist mit Steganographie? Quasi unverschlüsselte Steganographie in einem Allerweltsbild, oder der Schlüssel ist halt öffentlich bekannt.
    * Das ist doch sicherlich illegal :).
    * Wird das Bild dann in Zukunft unabhängig vom enthaltenen, allen zugänglichen, urheberrechtlich geschützen Inhalt geblockt?

    C) Welcome to hell.

  2. „XDefinition in Artikel 2 der Urheberrechtsreform fallen könnten: Ihr Hauptzweck ist das Hochladen, Organisieren und Darstellen geschützter Werke – nämlich die Text- und Bildbeiträge ihrer Mitglieder.“

    Damit ist die Definition aber noch nicht zu Ende_ weiter heißt es:

    „…aus wirtschaftlichen Gründen…“

    Wer ein kommerzielles Forum betreibt und durch das Hochladen und Zugänglichmachen der Beiträge der Mitglieder Geld verdient, ist mit drin in der Definition. Nicht-kommerziell betriebene Foren hingegen nicht.

    1. Wobei die Definition für kommerziell eben auch schwierig ist. Wenn ein Ehrenamtlicher mit ein paar Werbeeinblendungen oder durch ein kleines Sponsoring seine Serverkosten herausholt, dann fällt er schon wieder unter das Gesetz.

      1. Das bezweifle ich. Die Definition zielt auf die Zielrichtung, den Zweck des Betriebs der Plattform ab. Ein privat betriebenes Forum dient dem Austausch von Interessierten. Daran ändern auch Werbebanner zur Kostenminimierung nichts, es sei denn, es wäre nachweisbar, dass der Hauptzweck das Geldverdienen ist.
        Bei Sponsoring könnte es allerdings anders aussehen… das ist schon eher ein gefährlicher Grenzfall.

        1. Gerade bei ehrenamtlich betriebenen Foren ist jede Rechtsunsicherheit schlecht, weil dann Leute lieber das Projekt beenden als sich Risiken auszusetzen. Das war ja auch ein Problem bei der DSGVO-Einführung, bei der das am Anfang reihenweise (teils brachliegende) Blogs zum Sterben brachte.

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