Netzpolitischer Wochenrückblick KW 36: Vorschläge für Plattformregulierung und wir gehen nach Brüssel

Das endgültige Programm für unsere fünfte „Das ist Netzpolitik!“-Konferenz diesen Monat in der Volksbühne ist online. Wir haben Ideen zur Plattformregulierung zusammengetragen und uns außerdem mit irreführenden Werbeversprechen für eine vielgenutzte Verhütungs-App beschäftigt. Seit dieser Woche freuen wir uns zudem über einen eigenen EU-Korrespondenten in Brüssel.

– Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Gary Bendig

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In genau vierzehn Tagen, am 21. September, öffnet die Volksbühne ihre Türen für unsere fünfte „Das ist Netzpolitik!“-Konferenz. Diese Woche haben wir das fertige Programm veröffentlicht. Auf zwei Bühnen wird es spannende Vorträge, Interviews und Diskussionen zu Themen geben, die uns und unsere Leserschaft bewegen. Parallel dazu gibt es ein vielfältiges Workshop-Programm in lockerer, entspannter Atmosphäre. Insgesamt haben wir mehr als 50 Sprecherinnen und Sprecher eingeladen.

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netzpolitik.org goes EU

Wir haben diese Woche erstmals dauerhaft einen Berichterstatter nach Brüssel entsandt. Alexander Fanta wird die nächsten Monate vor Ort beobachten, was auf europäischer Ebene in Sachen Datenschutz, Urheberrecht und digitale Freiheitsrechte passiert. Dies ist für unsere Redaktion ein Experiment: Wie lange Alex direkt aus der EU-Metropole berichten kann, hängt davon ab, ob wir das auch durch Spenden finanziert bekommen!

Ideen gegen die Marktmacht der Plattformen

Google beherrscht den Browser-Markt, den für Online-Videos und den für Smartphone-Betriebssysteme. Währenddessen betreibt Facebook die beiden größten sozialen Netzwerke und Messenger-Dienste der Welt. Die beiden Konzerne kontrollieren zentrale Infrastrukturen der digitalen Welt und nutzen ihre Marktmacht schamlos aus. In letzter Zeit ist die politische Diskussion um die Begrenzung der Macht der beiden Tech-Giganten konkreter geworden, deshalb haben wir in einem ausführlichen Beitrag Ideen zur Regulierung von Plattformmonopolen zusammengetragen.

Diese Woche stellten sich Twitter-Chef Jack Dorsey und Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg Fragen des Geheimdienstausschusses im US-Senat. Knapp zwei Monate vor den Zwischenwahlen für den US-Kongress lag das Interesse der Abgeordneten vor allem daran, welchen Fortschritt die Plattformen im Kampf gegen gezielte Desinformation und Wahlmanipulation gemacht haben. Sie ließen immer wieder durchblicken, dass dem Problem aus ihrer Sicht nur mit Gesetzen entgegenzukommen sei. Wie gesetzliche Maßnahmen ausgestaltet werden müssten, blieb dabei aber offen.

Google feierte diese Woche seinen 20. Geburtstag. Die kleine sympathische Suchmaschine hat sich über die Jahre zu einem übermächtigen Riesenkonzern entwickelt. In zahlreichen Bereichen hat Google (Beinahe-)Monopolstellung. Auch gerät Google immer wieder in die Kritik, zuletzt durch eine Studie des Vereins Goliathwatch. Dieser hat Googles sogenannte Autovervollständigung von Suchbegriffen genauer untersucht und weist nach, dass zahlreiche rassistische, sexistische und diskriminierende Begriffe vorgeschlagen werden. Goliathwatch fordert, dass Google die Autovervollständigung entweder ganz abstellt, oder ein Redaktionsteam für die Kontrolle der Suchvorschläge einstellt. Wir legen in einem Artikel dar, welche Alternativen es zu Google gibt und wie man den Fängen des Unternehmens entkommen kann.

#polizeitwitter geht weiter

Laut einer Umfrage des Medienmagazins Zapp betreiben die deutschen Polizeien 332 Accounts auf sozialen Netzwerken. Die niedersächsische Polizei rüstete sogar zwölf Polizeibeamte mit persönlichen Social-Media-Profilen aus. Der Polizei geht es angeblich darum, sichtbar und erreichbar zu sein, doch dafür erntet sie Kritik von einigen Seiten. Wir haben im Frühjahr durch unsere Recherchen und das #Polizeitwitter-Dossier die Debatte über Verantwortung und das Neutralitätsgebot von Polizei-Behörden in sozialen Netzen gestartet.

Social-Media-Plattformen wie Twitter und Facebook spielen bei der Organisation und Mobilisierung für Arbeitskämpfe eine immer größere Rolle. Twitter kann als Mittel zur Organisation von Streiks genutzt werden. Gleichzeitig kann es auch Machtverschiebungen in Richtung Unternehmensleitung geben. Das demonstrieren Forscher an der TU Wien, denen es anscheinend möglich ist, Streiks anhand von Social-Media-Daten vorherzusagen.

Staatstrojaner essen IT-Sicherheit auf

Die als „Staatstrojaner“ bekannten Ermittlungsverfahren werden seit Längerem von vielen Seiten kritisiert und es gibt dagegen mehrere Verfassungsbeschwerden. Wir veröffentlichten diese Woche eine Zusammenfassung der Bachelor-Arbeit von Frank Kuhn, der sich politikwissenschaftlich mit den Risiken des Staatstrojaners auseinandersetzt. 

Es stellt sich nicht erst seit der Verabschiedung des Staatstrojaners die Frage, ob deutsche Behörden Sicherheitslücken vor der Gesellschaft und Herstellern verheimlichen dürfen. Das Bundesinnenministerium arbeitet derzeit an einem gesetzlichen Rahmen für Schwachstellen-Management. Dr. Sven Herpig von der Stiftung „Neue Verantwortung“ stellt in einem Gastbeitrag Ideen für ein solches Schwachstellen-Management vor. Laut Herpig darf die Ausnutzung einer Sicherheitslücke nur die Ausnahme sein.

Trotz mehrerer Skandale um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) in Österreich sieht das deutsche Bundesinnenministerium rund um Horst Seehofer keinen Schaden in der Zusammenarbeit. Damit stellt sich die deutsche Bundesregierung Zweifeln an der Vertrauenswürdigkeit der österreichischen Behörde entgegen, obwohl diese auf internationaler Ebene einige Kritik erntete. Die Linke sieht in den Aussagen des Innenministers einen Freifahrtschein für die Rechten in Wien und warnt vor einer „Stärkung der neuen Achse Rom-Wien-Berlin“.

Trügerische Werbung für Verhütungs-App

Weiterhin haben wir diese Woche die Verhütungs-App Natural Cycles unter die Lupe genommen. Unsere Recherche zeigt: Die App ist weltweit die erste und bislang einzige zertifizierte Verhütungs-App. Damit macht das Start-Up offensiv Werbung. Für Nutzer*innen wird allerdings nicht transparent gemacht, dass das Herzstück der App, der Verhütungs-Algorithmus, im Zertifizierungsverfahren keine Rolle gespielt hat. Es gibt immer mehr Fälle, bei denen es durch die App zu ungewollten Schwangerschaften gekommen ist.

Bundesregierung schwächelt bei Open-Data

Aus den Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken geht hervor, dass sie freie Software und offene Regierungsdaten nicht so sehr im Fokus hat, wie sie es vorgab. Die Behandlung einiger Themen wurde auf die lange Bank geschoben. Das betrifft zum Beispiel die Überarbeitung des Open-Data-Gesetzes. Laut aktuellen Angaben der Bundesregierung ist damit erst 2021 zu rechnen. Im Koalitionsvertrag strebte die Bundesregierung noch an, „internationaler Vorreiter“ im Bereich Open-Data werden zu wollen. Doch bereits nach einem Viertel der Legislaturperiode ist von diesen Plänen nicht mehr viel zu hören.

Das kalifornische Landesparlament hat Regeln zur Netzneutralität beschlossen. Nun muss das Gesetz nur noch von Gouverneur Jerry Brown unterzeichnet werden. Kalifornien und andere Bundesstaaten setzen sich damit der seit Amtsantritt von Donald Trump republikanisch-dominierten Federal Communications Commission (FCC) entgegen, die die Netzneutralität letztes Jahr abschaffte.

Tipps für das Wochenende

Morgen, am Samstag den 8. September, findet in Hannover eine Großdemonstration gegen das geplante neue niedersächsische Polizeigesetz statt. Die Demonstration wird von einem breiten Bündnis von Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen getragen. Der Protestzug startet um 13 Uhr auf dem Ernst-August-Platz und endet mit einer Abschlusskundgebung vor dem niedersächsischen Landtag.

Unsere Autorin Constanze Kurz ist für den 151. netzpolitik.org-Podcast in den Berliner Hackerspace Raumfahrtagentur gefahren und hat mit dem Hacker roh über kaputte Geräte, Recycling und Reparaturmöglichkeiten gesprochen. Was steht besseren Reparaturmöglichkeiten im Weg und wie könnte die Politik für Verbesserungen sorgen?

Das Buch „Angela Merkel ist Hitlers Tochter. Im Land der Verschwörungstheorien“ gibt einen unterhaltsamen Überblick über gängige Verschwörungsmythen und erklärt dabei auch die sozialen und psychologischen Mechanismen dahinter. Wir empfehlen das Buch und haben eine Rezension verfasst.

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