Netzpolitischer Wochenrückblick KW 09: #freedeniz

Die Woche im Überblick: Solidarisierung mit Deniz Yücel und allen in der Türkei inhaftierten Journalisten, Staffel drei der unendlichen Geschichte der Verschlimmbesserung der Störerhaftung startet und Günther Oettingers EU-Urheberrechtsreform steht zurecht in der Kritik.

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Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel sitzt wegen seiner kritischen Berichterstattung in der Türkei im Gefängnis – ebenso wie über 150 andere inhaftierte Journalisten. Wir fordern ihre Freilassung und erinnern gleichzeitig an Einschränkungen der Pressefreiheit in Deutschland und der EU. Mit ihnen ließen sich – bei veränderter politischer Lage – ähnliche Vorwürfe konstruieren.

Als leserfinanziertes Medium setzen wir uns nicht nur für Transparenz ein, wir sind auch selber transparent. In dieser Woche geben wir Euch Einblicke in unsere Einnahmen und Ausgaben im Januar 2017.

Ende der Störerhaftung? Comeback der Netzsperren?

Die Bundesregierung lädt zu einer neuen Runde der unendlichen Geschichte der Verschlimmbesserung der Störerhaftung ein. Dieses Mal könnte der Abmahnindustrie vielleicht endgültig der Hahn zugedreht werden. Große Sorge bereitet uns jedoch, dass es dafür im Gegenzug ein Comeback der Netzsperren geben könnte. Das wäre ein sehr schlechter Tausch, es geht auch ohne! Hoffnung macht uns, dass es auch innerhalb der Regierung Kritik an den Plänen gibt. Die Geschichte der Rechtsunsicherheiten bei offenen WLANs geht also weiter.

Einige Hoffnung liegt dabei in den Freifunk-Communities. Eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen und Forschungsorganisationen lädt zur Mitwirkung an einem offenen Brief zur Neuordnung der europäischen Telekommunikationsmärkte ein. In dem Schreiben skizzieren sie, wie gute Bedingungen für gemeinwohlorientierte Netzinitiativen aussehen könnten – und warnen vor den Auswirkungen von Störerhaftung und Vorratsdatenspeicherung.

EU-Urheberrechtsreform: Große Kritik am Vermächtnis von Günther Oettinger

Sowohl unabhängige Wissenschaftler als auch die Parlamentsberichterstatterin Catherine Stihler üben scharfe Kritik an den Plänen der EU-Kommission für ein europäisches Leistungsschutzrecht. Auch der Vorschlag für automatische Upload-Filter kommt schlecht weg. Was zivilgesellschaftliche Organisationen wie Wikimedia und Mozilla an den Plänen kritisieren, haben wir hier zusammengefasst.

Derweil droht Oettingers Kollegin, EU-Justizkommissarin Jourová, das Privacy-Shield-Abkommen aufzukündigen, wenn die US-Regierung sich nicht an die Vereinbarungen hält. Seit US-Präsident Donald Trump festgelegt hat, den Datenschutz für Ausländer aufzuheben, ist die Zukunft des Datenschutzabkommens zwischen der EU und der USA ungewiss.

Informationsfreiheit: Hamburg top, Bayern floppt

Im ersten bundesweiten Vergleich von Gesetzen zur Informationsfreiheit stehen die norddeutschen Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen an der Spitze. Schlusslicht sind Bayern, Hessen, Niedersachsen und Sachsen – dort gibt es weiterhin kein Recht auf Zugang zu staatlichen Informationen.

Staatliche Institutionen sind jedoch auch im Besitz von Daten, die nicht einfach ungeprüft veröffentlicht werden sollten. Dass dies im Rahmen von eigentlich lobenswerten Open-Data-Programmen trotzdem manchmal der Fall ist und welche Gegenmaßnahmen zu treffen sind, haben Wissenschaftler der Harvard University in ihrer Studie „Open Data Privacy Playbook“ beschrieben. Unser Autor Leonhard Dobusch sitzt als „Vertreter des Internets“ im ZDF-Fernsehrat und beschreibt diese Woche, wie die ZDF-Verwaltungsräte gewählt werden.

Unterhaltungstipps fürs Wochenende

Verschlüsselung ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sei es, um vertraulich miteinander zu kommunizieren oder Dateien sicher zu speichern. Der Princeton-Professor Edward W. Felten hat nun nachvollziehbar die Grundlagen von Verschlüsselung erklärt – in einfachen Worten, die jeder versteht. Wir haben seinen Artikel übersetzt. Warum Verschlüsselung wichtig ist, erklärt Andre Meister als Gast im Logbuch-Netzpolitik-Podcast, wo es um sein Fazit zu drei Jahren Geheimdienst-Untersuchungsausschuss geht.

Der WDR hat eine sehr wohlwollende Dokumentation über den SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz gemacht, die samt Home-Story so unkritisch wurde, dass sie auch direkt von der SPD selbst stammen könnte. Die Taz hat ein lesenswertes Interview mit den drei Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach, Jan van Aken und Bärbel Höhn über das Ende ihrer Abgeordnetenzeit veröffentlicht. ARTE beschreibt in zwei Folgen einer sehenswerten Musik-Dokumentation, wie sich Musik von Tonträgern bis zur MP3-Datei entwickelt hat, sowie die Geschichte des Samplings (bis vor 20 Jahren).

Wir wünschen ein entspanntes Wochenende und eine gute neue Woche.

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Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

Eine Ergänzung

  1. Schweden führt die allgemeine Wehrpflicht wieder ein und wird von allen geschasst. Und die internationale Aufmerksamkeit richtet sich dankenswerterweise wieder auf Nordkorea. Damit bleibt im Inland alles gut, doch wir üben lieber schon mal für den Ernstfall, mit PolizeisoldatInnen.

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