Menschenrechtler fordern Ende der Aufweichung des Völkerrechts bei Kampfdrohnen

In einer völkerrechtlichen Analyse fordern Menschenrechtler die Bundesregierung auf, zu einer engen Auslegung des Völkerrechts zurückzukehren und Unterstützungshandlungen für US-Drohnenangriffe einzustellen. Für die Bundeswehr sollen keine Kampfdrohnen angeschafft werden, ohne völkerrechtliche Fragen vorher neu zu bewerten.

Kampfdrohne MQ-9 Reaper vor dem Start in der Creech Air Force Base in Nevada, USA. CC-BY-NC 2.0 Airman Magazine

Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) hat ein Positionspapier zum Einsatz von bewaffneten Drohnen veröffentlicht, das sich mit völkerrechtlichen Fragen und der Verantwortung Deutschlands auseinandersetzt: „Terrorismusbekämpfung in Syrien und unbegrenzter Einsatz von Kampfdrohnen? Deutschland muss der Aufweichung des Völkerrechts ein Ende setzen“.

In Deutschland baut sich für alle Parteien Druck auf, in Sachen Drohnen eine politische Position zu beziehen und dabei das Völkerrecht zu beachten. Denn Kampfdrohnen mit tödlichen Waffen werden nicht nur von den Vereinigten Staaten eingesetzt, derzeit auch in Syrien und Irak, sondern sollen nach Willen der Unionsfraktion im Bundestag künftig von der Bundeswehr operiert werden. Zwar setzte der Haushaltsausschuss des Bundestages kurz vor Ende der Legislaturperiode im Juni 2017 die Entscheidung über die Anschaffung bewaffnungsfähiger Drohnen doch nicht mehr auf die Tagesordnung. Aber nach der Wahl kommt das Thema unweigerlich wieder auf die Agenda.

Andreas Schüller, der Leiter des Programmbereichs Völkerstraftaten und rechtliche Verantwortung beim ECCHR, fordert auf Grundlage der rechtlichen Analyse des ECCHR-Positionspapiers für die vorerst verschobene Entscheidung über Kampfdrohnen von einer neuen Bundesregierung nach der Wahl:

Eine Entscheidung über die Anschaffung bewaffneter Drohnen durch eine neue Bundesregierung sollte rechtliche Standards klar formulieren unter einer engen, restriktiven Auslegung des Völkerrechts.

Verstöße gegen das Völkerrecht

Bisher zeigt die Bundesregierung keinen Willen, mögliche Verstöße gegen das Völkerrecht zu unterbinden, wenn es um US-Drohnen geht. Das ECCHR-Positionspapier gibt nun Empfehlungen ab, die „dringend“ eine „Änderung der Völkerrechtspolitik durch die Bundesregierung“ anmahnen. Man müsse sich wieder an den völkerrechtlichen Bestimmungen orientieren, die strikt und eng auszulegen seien.

Das müsse durch die Bundesregierung auch öffentlich kundgetan und international dafür gerungen werden, der Erosion und den Aufweichungen des Völkerrechts entgegenzuwirken. Das betrifft auch die Anti-ISIS-Koalition in Syrien und Irak. Deutschland fliege zwar selbst keine Luftangriffe, unterstütze sie aber durch eigene Aufklärung und Datenweitergabe. Die Beteiligung an der Anti-ISIS-Koalition in Syrien und Irak basiere aber auf einer zu weitgehenden Auslegung des Völkerrechts. Für diese beiden Länder liegt auch keine UN-Resolution vor, die eine Gewaltanwendung erlauben würde.

Die Bundesregierung solle sich zudem dafür einsetzen, bei Völkerrechtsverstößen die Verantwortlichen festzustellen, die Opfer zu entschädigen und Personen strafrechtlich zu belangen.

Nach einer völkerrechtlichen Prüfung und Neujustierung könne das Ergebnis sein, dass die Bundesregierung keine militärischen Mittel einsetzen wird und auch die „Unterstützungshandlungen“ einstellt und keine Geheimdienstinformationen für solche Angriffe mehr bereitstellt. Das betrifft insbesondere den Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz, von dem aus die Planung, Überwachung und Auswertung von Drohneneinsätzen erfolgt.

In jedem Falle aber sollen hierzulande keine Kampfdrohnen angeschafft werden, ohne zu einer engen Auslegung des Völkerrechts zurückzukehren. Es dürfe nicht nur eine politische Entscheidung sein, ob und wann bewaffnete Drohnen eingesetzt werden, sondern eben auch eine am Völkerrecht orientierte.
 

obama und trump
Barack Obama und Donald Trump am Tag der Angelobung am 20. Januar 2017.
Bild: Airman Magazine, CC BY-NC 2.0.

 
In der Dokumentation Geheimer Krieg von Norddeut­schem Rundfunk und Süddeut­scher Zeitung ist der Drohnenkrieg vor allem in der Obama-Zeit analysiert. Seit Beginn der Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident zeigen sich Änderungen beim Einsatz der Drohnen. Wir haben Andreas Schüller gefragt, was in den Vereinigten Staaten aktuell zu beobachten sei. Er verweist nicht nur auf die gestiegene Anzahl der Einsätze:

Es gibt mehr Drohnenangriffe seit Amtsantritt von Trump. Zudem wurde die Schwelle für die Einsatzentscheidungen abgesenkt, insbesondere was das Kriterium der Vorsichtsmaßnahmen zur Verhinderung ziviler Schäden betrifft.

Konsequenzen für die deutsche Regierung

Schüller fordert auch Konsequenzen daraus, dass die Bundesregierung durch Angaben der amerikanischen Partner und auch durch die Befragungen im NSA-BND-Untersuchungsausschuss (Seite 1088f.) mittlerweile nicht mehr bestreiten kann, dass sie Kenntnis über die Datenweitergabe für Drohneneinsätze der Vereinigten Staaten hat. Dass die Bundesregierung sich auf die bloße Auskunft der US-Amerikaner verlasse, wonach das Völkerrecht eingehalten werde, genügt ihm nicht:

Die Bundesregierung muss ihre völkerrechtliche Position zu Drohnenangriffen offenlegen. Sie darf keine Daten an die USA weitergeben und darauf vertrauen, dass die USA diese nur völkerrechtskonform verwenden. Denn die völkerrechtliche Position der USA beruht an mehreren Stellen auf einer zu weitgehenden und daher rechtswidrigen Auslegung völkerrechtlicher Normen.

Auch Amnesty International fordert schon seit Jahren, dass die Bundesregierung auch öffentlich dafür eintreten müsse, dass sich die Vereinigten Staaten an geltendes Recht halten. Die Open Society Justice Foundation, deren Anwälte den Sohn eines Drohnenopfers vertreten, haben Ende August Beschwerde gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Zweibrücken und Stuttgart eingelegt, die keine weiteren Ermittlungen wegen Drohnenangriffen unternehmen wollen. Auch das ECCHR hat in der Vergangenheit eine jemenitische Familie von Drohnenopfern vor dem Verwaltungsgericht Köln sowie weitere Opfer vertreten.

Die rechtlichen Normen, die Schüller anspricht, sind in dem Positionspapier bewertet und abgedruckt: Es ist der Artikel 2 der UN-Charta zur territorialen Unversehrtheit von Staaten, dazu der Artikel 51 über Fragen des Selbstverteidigungsrechts. Auch das Grundgesetz ist einschlägig, nach dem die körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person in Artikel 2 als Menschenrecht garantiert ist. Die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert in Artikel 2 ebenfalls das Recht auf Leben für jedermann und schreibt vor, dass ein Todesurteil nur nach Entscheidung eines Gerichts vollstreckt werden darf. Auch der Artikel 6 der UN-Zivilpaktes schützt das Recht auf Leben. Außerdem sind die Artikel 48, 51 und 57 des Genfer Abkommens von 1949 einschlägig, die bei bewaffneten Konflikten den Schutz von Zivilisten vorschreiben.

Das ECCHR hat neben dem Positionspapier aus Konferenzbeiträgen und Gesprächen auch eine Videosammlung über die Drohnenkriege zusammengestellt.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

5 Ergänzungen

    1. Guten Tag,

      deine Hoffnung kann ich nicht teilen. Es wäre auch nicht hinnehmbar diese Last den Entwicklern aufzubürden. Vielmehr hätten die Macher der jeweiligen Lizenz schon darauf achten müssen, dass ihre Software nicht für militärische Zwecke genutzt werden dürfte. (Ich erinnere mich dunkel an eine Endbenutzer-Vereinbarung seitens SUN für das Betriebssystem Solaris.)
      Es ist hier wie mit dem Hersteller eines Brotmessers. Dieser kann auch nicht für die Zweckentfremdung des Brotmessers in Haft genommen werden. Niemand käme auf die Idee zu hoffen, dass der Hersteller eines Brotmessers eine Sicherung zur Verhinderung der Zweckentfremdnung einbauen würde.
      Bei einer Software könnte eine nicht gewollte Nutzung mit einer Endbenutzer-Vereinbarung verhindert werden. Vielleicht sollte eher in diese Richtung gedacht werden, als eine Hoffnung zu hegen, die sich nicht erfüllen wird.

      Freundlicher Gruß

      Jonas

      1. Sy, mit „Techis“ meinte ich Menschen die mit Schraubenschlüssel hantieren oder die Konstruktionen entwickeln.
        Softwareleute sind da tatsächlich aussen vor … search u. rescue ist halt für eine cpu dasselbe wie seek u. destroy.
        Da hilft nur Lizenzen ändern.
        Btw könnte man da nicht was forken?
        PaxLinux o.ä.?
        Ich würde es nutzen, rein aus Prinzip.

  1. Die Open Society Foundation, deren Anwälte den Sohn eines Drohnenopfers vertreten, haben Ende August Beschwerde gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Zweibrücken und Stuttgart eingelegt

    Fast. Das war nicht OSF, das ist nämlich eine ganze Gruppe von Stiftungen, sondern die „Open Society Justice Initiative“, eines der vielen, vielen Unterprojekte.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.