Snowden-Vernehmung im NSA-Untersuchungsausschuss: Opposition geht vor den Bundesgerichtshof

Seit Einsetzung des NSA-Untersuchungsausschusses wird um die Art und Weise der Vernehmung von Edward Snowden gerungen. Da sich Große Koalition und Bundesregierung weigern, eine Befragung von Snowden in Deutschland voranzubringen, gehen Grüne und Linke nun vor den Bundesgerichtshof.

Demonstranten fordern im August 2014 auf der „Freiheit statt Angst“-Demonstration den NSA-Whistleblower Edward Snowden nach Deutschland zu holen. Bild: Jakob Huber/Campact unter CC BY-NC 2.0-Lizenz

Die Oppositionsfraktionen im Bundestag haben einen Antrag an den Bundesgerichtshof gestellt, um eine Vernehmung von Edward Snowden im NSA-Untersuchungsausschuss zu erreichen. Der Ausschuss hatte bereits im Mai 2014 beschlossen (pdf), den Whistleblower als Zeugen zu vernehmen, dies ist aber bislang nicht geschehen.

Eine der Klägerinnen, die Obfrau der Linksfraktion im NSA-Untersuchungsausschuss, Martina Renner, sieht dafür auch die Bundesregierung verantwortlich: „Koalitionsmehrheit und Bundesregierung missachten den Untersuchungsauftrag des Bundestages, um die US-Regierung nicht zu verärgern.“ Dass die Bundesregierung die Beziehungen zur USA über eine Aufklärung stellt, ist auch in einem 2014 von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten deutlich geworden. Dort heißt es:

Vor diesem Hintergrund dürften nach Auffassung der Bundesregierung vorliegend die außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschlands gegenüber dem möglichen Interesse des Untersuchungsausschusses an einer Vernehmung von Herrn Snowden in Deutschland überwiegen.“

Snowden kann nur in Deutschland umfassend aussagen

Beim Streit zwischen der Koalitionsmehrheit von SPD und CDU/CSU und der Opposition geht es um die Frage, wie und wo die Befragung Snowdens stattfinden soll. Die Opposition verlangt eine persönliche Befragung in Deutschland unter Zusicherung der Bundesregierung, dass Snowden nicht ausgeliefert wird. Die Koalitionsparteien möchten den Whistleblower stattdessen per Video oder bei einem Besuch in Moskau befragen. Dies lehnte Snowden allerdings in der Vergangenheit mehrfach ab. So erklärte sein deutscher Anwalt Wolfgang Kaleck in einem bei uns veröffentlichten Brief:

Aus den bereits mehrfach dargelegten Gründen, insbesondere wegen der damit verbundenen Sicherheitsrisiken, steht der Zeuge Edward Snowden – trotz grundsätzlicher Aussagebereitschaft – für die avisierte Videovernehmung in Moskau nicht zur Verfügung.

Von Notz: Snowden ist unverzichtbar für den NSA-Ausschuss

Die Koalition ignorierte diese Aussagen und forcierte weiterhin eine Vernehmung via Video, die Snowden wie zu erwarten ablehnte. Bleibt es bei dieser Situation, würde es nie zu einer Vernehmung von Snowden vor dem NSA-Ausschuss kommen. Dabei hat dieser mehrmals angeboten, in Deutschland persönlich auszusagen. Dagegen sperren sich aber Koalition und Bundesregierung vehement. Diesbezügliche Anträge der Opposition wurden von der Koalitionsmehrheit mehrfach abgelehnt.

Der zweite Kläger, der Obmann der Grünenfraktion im NSA-Ausschuss, Konstantin von Notz, hält eine Befragung für unverzichtbar: „Er ist ein Insider, der für den Untersuchungsauftrag zentrale Aussagen machen kann. Eine Erfüllung des Untersuchungsauftrages kann ohne die Vernehmung von Edward Snowden nicht gelingen.“

Bundesgerichtshof soll Vernehmung erzwingen

In ihrem Antrag an den Ermittlungsrichter kritisiert die Opposition die Weigerung der Koalition, den Beweisbeschluss vom Mai 2014 umzusetzen, als rechtswidrig. Sie schreibt:

Im Verfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG gerügt werden kann daher insbesondere, dass der „effektive“ Vollzug eines Beweisbeschlusses missbräuchlich verzögert wird und jedenfalls ein Verhalten des Ausschusses, das einen Vollzug letztlich gänzlich unmöglich zu machen droht.

Soll heißen, dass eine Erfüllung des Beweisbeschlusses vom Mai 2014 – Snowden zu vernehmen – nur per Befragung in Deutschland möglich ist. Auf die Erfüllung hat die Opposition nach ihrer Ansicht als Antragstellerin ein Anrecht („Beweisdurchsetzungsrecht“), welches von der Koalition gebrochen wird.

Konkret fordert die Opposition nun den Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof auf, zu entscheiden, dass erneut im Ausschuss über einen Antrag der Opposition abzustimmen und diesem mehrheitlich zuzustimmen ist. Der Antrag sieht die Vernehmung Snowdens in Deutschland und ein Amtshilfeersuchen an die Bundesregierung vor.

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8 Ergänzungen

  1. Ich frage mich immer wieder, was das bringen soll. Erstens haben die Medien weltweit ca. 1700! Dokumente veröffentlicht, was vollkommen ausreichend für eine Beurteilung des Sachverhalts ist und zweitens würde man ihn sehr sicher von deutschen Boden aus ausliefern, wenn die USA das explizit einfordern. Da kann sich Kleindeutschland sicher nicht widersetzen. Ich frage mich, ob die Damen und Herren aus dem Ausschuss lediglich ihre eigene Haut schonen wollen, weil das Lesen so unangehm ist?

    Oder liegt das an dem Universalmaulkorb, dass Beamte im Staat Deutschland das Zeugs nicht lesen dürfen? Presse ist frei, also was soll das Theater? Lest den Kram für den Ausschuss, oder schließt den Ausschuss, fertig. Das BFV kann sicher weiterhelfen wo man das lesen kann.

    Aber wer ständig ruft, Snowden komm nach Deutschland, ist ein naiver Narr und zu faul sich damit selbst zu beschäftigen / sich um echte Aufklärung bemühen zu wollen. Dann lasst es einfach bleiben PUNKT. Das ganze Drama hat eh nur zur Verschärfung der Überwachung beigetragen.

    1. Dass ihn Deutschland ausliefern würde, ist keine Selbstverständlichkeit. De Facto droht in den USA auf Hochverrat die Todesstrafe. Und selbst wenn, würden sich die Regierungsparteien für viele junge Wähler auf Dauer unwählbar machen. Klar, dass man den Konflikt scheut.

  2. Yippieh !!!
    Anders als für meinen Vorredner „Klausi“ macht das kommende BGH Urteil für mich den Unterschied aus zwischen Rechtsstaat und Unrechtsstaat:
    sollten wir es wirklich NICHT schaffen, dem Verfassungs-Verteidiger Edward Snowden Zeugenschutz anzubieten, dann sind wir bereits ein Unrechtsstaat.
    Wenn wir Schutz für Edward Snowden doch noch schaffen, dann ist das der erste Schritt dahin, uns die Kontrolle zurück zu erarbeiten, um dem Machtmissbrauch durch Geheimdienste + Regierung nicht weiter hilflos zuzusehen, sondern unserem Grundgesetz wieder zur Geltung zu verhelfen.
    Mit Whistleblower-Schutz für Verfassungsverteidiger und mit echter freier Berichterstattung (d.h.: nie wieder „Landesverrat“ gegen netzpolitik.org! ) bin ich bereit, übertriebene Sicherheitskonzepte auszuhalten.
    Aber ohne Edward Snowden Schutz in Berlin anzubieten, ist für mich klar, wohin wir reisen: Oppositions-/Berichterstattungs-Unterdrückung => Unrechtsstaat !

    1. Das ist doch total naiv. Wäre Snowden in Berlin kannst Du davon ausgehen, dass die den einsacken, schneller als einem lieb ist. Letztendlich wäre damit auch einfach zu rechnen. Wenn ich jetzt in den BND marschiere, alles an mich nehme, es veröffentliche, nach Russland flüchte, dann kann ich sicher sein, dass die mich suchen. Das ist einfach der Preis bei dieser Art der Unternehmung und da gibt es nur das Exil, wenn man nicht wegen Landesverrat im Bau landen möchte. Besonders brisant ist dazu die Tatsache, dass er eben in Russland sitzt und die nicht sicher sein können, ob er abgezogen wurde bzw. in welchem Umfang.

      Was glauben Sie wie viele Geheimdienste der FVEYs in Berlin aktiv sind? Und sie alle werden ihn suchen…. Das hat mit Deutschland an sich erst mal weniger zu tun, denn das entscheidet dann weniger Deutschland, er ist kein Deutscher Staatsbürger.

      1. Natürlich ist er kein Deutscher Staatsbürger. Er ist ja geflohen, streng genommen ein politischer Flüchtling, welcher bei uns Schutz bekommen sollte.
        Aber der Bundesregierung fehlen einfach die Eier, die Handelsbeziehungen zu den USA (anscheinend) aufs Spiel zu setzen.

        1. Genau deswegen darf er einfach nicht nach Deutschland einreisen. Lebensgefahr ist sicher. Deutschland kann ihn zudem nicht effektiv schützen vor den Zugriffen der Dienste. Die nutzen hier teils selbst das US-Zeugs.

      2. „Wäre Snowden in Berlin…“ <= Laura Poitras ist auch hier.
        "Das ist einfach der Preis dieser Art der Unternehmung" <= wenn Verbannung der Preis für Verfassungs-Verteidigung ist, dann sind die Verbannenden ein Unrechtsstaat (wie oben schon gesagt). Wenn Sie unsere Verfassung verteidigen, indem Sie offen legen, was Geheimdienste gegen Artikel 10 GG, 5 GG, 3GG u.a. tun, dann können Sie sich auf Artikel 20 Absatz 4 berufen – aber ja: ich hätte sehr gern mal ein anständiges tragfähiges Whistleblower-Schutz-Gesetz für Verfassungs-Verteidiger, Herr Maas wollte doch auch dafür etwas tun ?
        "in Russland" <= bitte nicht auf den lügenden Chef unseres Inlandsgeheimdienstes hereinfallen. Einfach mal Citizen Four ansehen, oder das Buch von Greenwald lesen. Snowden ist US-amerikanischer Verfassungspatriot.
        "Five Eyes in Berlin! <= ich muss das nicht einschätzen können: denn es ist Edward Snowdens Entscheidung, ob er hierherkommt schlussendlich, oder nicht. Zuvor wird aber das Urteil über uns davon abhängen, ob wir nun endlich mal umsetzen, was das EU-Parlament am 29.10.2015 beschlossen hat (Schutz-Angebot an Snowden),
        und ich möchte auch nicht wieder hören, wie schwierig das angeblich diplomatisch der US-Regierung gegenüber sei: wir setzen nur eine Resolution des EU-Parlaments um! Wenn nicht mal das geht…-
        "Mit Deutschland weniger zu tun" <= Patrick Sensburg und Christian Flisek haben zu verantworten, dass Edward Snowden keine Alternative zu Moskau hat, ich denke, dass wissen Sie.

  3. Hier versuchen uns auch ein paar Scharlatane als Minister „Innere Sicherheit“ zu verkaufen. Nur Innere Sicherheit und Internetspitzelei sind zwei Paar Schuhe. Was Snowden publizierte war eigendlich bekannt. Wie eine Schnüffelsoftware heißt ist egal. Er lieferte nur die Fakten nach. Damit mussten es auch die „Politiker“ offiziell zur Kenntnis nehmen. Sehr ungern, wie man sieht. Die sind zu feige zuzugeben, dass sie mit solchen Typen nicht nur kooperieren, sondern ihnen auch in den *** kriechen.

    Nehmen wir mal Google &. co als DIE Supergeheimdienste. Die wissen über (fast) jeden alles. Das vermarkten sie. Deshalb kaufen die Leute trotzdem nur das, was sie brauchen. Der Markt ist gesättigt. An dem Punkt stehen wir und deshalb soll „Innere Sicherheit“ als neue Marktlücke verkauft werden. Das ist eine Form von Dachschaden, die man vielleicht in den USA oder Rußland verkaufen kann, in Europa und anderswo sollte das ein Ladenhüter bleiben. Wir haben andere Probleme als „Politik“. Wir müssen nicht mit denen im Buddelkasten spielen. Sollen sie doch doof sein, egal.

    Der Beweis ist denkbar einfach. Die Werbeeinnahmen der Datenkraken sollen behauptet enorm steigen. (Ich persönlich halte die Zahlen für Schwindel.) Die Gewinne der werbetreibenden Konzerne fallen seit über einem Jahr. Also ist die Werbung nicht effizient. Die Konzerne werden darauf zunehmend verzichten. Danach, neue Runde, neues Glück, für manche vielleicht auch nicht mehr.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.