Wir veröffentlichen den Kriterienkatalog des BND, anhand dessen Asylbewerber für Befragungen ausgewählt wurden

Der BND befragte unter dem Tarnnamen „Hauptstelle für Befragungswesen“ Asylbewerber, teilweise zusammen mit Angehörigen des US-Militärgeheimdienstes DIA. Wer vom BND zu den Befragungen gebeten wurde, wurde in einem Kriterienkatalog definiert, den wir hier veröffentlichen.

Ehemalige Niederlassung der HBW Hannover – CC BY-SA 3.0 via freiheitsfoo

Wir veröffentlichen hier einen Kriterienkatalog der Hauptstelle für Befragungswesen (HBW) aus dem Jahr 2010, eine E-Mail mit der Liste interessanter Herkunftsländer und Korrespondenz aus dem BMI, die zeigen, wie allgemein die Kriterien zur Auswahl von Asylbewerbern für nachrichtendienstliche Befragungen waren. Das steht der Aussage entgegen, dass eine Pauschalübermittlung von Anhörungsprotokollen betreffender Asylbewerber nicht stattfand – denn die wäre rechtlich problematisch gewesen.

Die Hauptstelle für Befragungswesen (HBW) – eine ehemalige Tarnbehörde des BND – hat bis zu ihrer Auflösung im Jahr 2014 regelmäßig vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Auswahl von Asylbewerbern bekommen, die nachrichtendienstlich interessant sein können.

„Bewusst allgemein gehalten“ – Interpretation „in den Händen der Anwender“

Im Kriterienkatalog, der in der Schriftart Comic Sans abgefasst ist [sic!], finden wir Angaben zu „Personenhinweisen“. Interessant sind so beispielsweise jene, die Hinweise zu „Internationalem Terrorismus“ geben können oder etwa „Führungskräfte oder Personen mit Spezialkenntnissen“ in Bereichen wie Militär, Wirtschaft oder Infrastruktur. Aber auch „Krisen/Krisenpotentiale“ stehen auf der Liste. Und ein Unterpunkt, der auf vermutlich jeden Geflüchteten passt: „Menschenrechtsverletzungen“.

Auszug aus dem Kriterienkatalog der HBW (Replik)
Auszug aus dem Kriterienkatalog der HBW (Replik)

Wer tatsächlich an die HBW weitergeleitet wurde, lag „in den Händen der Anwender“, wie in einer Mail des Verbindungsbeamten der HBW im BAMF zu lesen ist:

Unser Kriterienkatalog ist bewusst allgemein gehalten und legt die Interpretation in die Hände der Anwender – Aktualisierungen müssten ja sonst konsequenterweise täglich erfolgen. Regelmäßige Information zum aktuellen Aufklärungsspektrum erfolgen über Präsentationen und Vorträge bei der Außenstellenbereisung mit 432.

Die erwähnten Außenstellenbereisungen sind sogenannte „Sensibilisierungsreisen“, von denen auch Leistner-Rocca in ihrer Anhörung im NSA-Untersuchungsausschuss berichtete. In einer uns vorliegenden Präsentation wird neben der Wiederholung der Kriterien aus dem Katalog primär auf die aktuellen Einsatzgebiete der Bundeswehr eingegangen. Später wurde aus dem Kriterienkatalog die „Montagsliste“ – eine Liste jener Länder, die gerade für den BND interessant waren.

„432“ bezeichnet das BAMF-Referat für „Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder“. Es entstand aus dem Sicherheitsreferat, das im Nachgang des 11. Septembers 2001 im BAMF gegründet wurde und das den Ausbau der Zusammenarbeit mit Geheimdiensten, BKA, Bundespolizei und Co. begründete.

Rechtsgrundlage gesucht

Das BAMF darf laut § 8 BND-Gesetz Daten an den BND nur dann eigeninitiativ übermitteln, wenn diese für dessen Eigensicherung oder die Abwehr schwerwiegender Gefährdungen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 relevant sind – etwa hinsichtlich eines bewaffneten Angriffs oder terroristischen Anschlags mit unmittelbarem Bezug auf Deutschland. Wenn der BND Daten anfragt, geschieht das nach § 8 Abs. 3 BND-Gesetz.

Die linke Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke wollte im Februar 2014 im Rahmen einer Schriftlichen Frage an das Bundesministerium des Innern (BMI) wissen, wie das BAMF sicherstellt, dass eigeninitiative Übermittlungen nur bei tatsächlicher Erforderlichkeit vorgenommen werden und wie sich „diese gesetzliche Hürde für die Datenübermittlung mit der pauschalen Übermittlung von Daten der Angehörigen bestimmter Herkunftsgruppen“ verträgt.

In E-Mails aus dem Abstimmungsprozess zwischen dem Referat für Asylrecht und Asylverfahrensrecht des BMI und dem BAMF sehen wir, dass das BMI beim BAMF nachfragte und sich zunächst nicht selbst beantworten konnte…

…nach welchen Kriterien und auf welcher rechtlichen Grundlage die pauschale Übermittlung an den BND erfolgt bzw. wie erklärt sich der Widerspruch zwischen eigeninitiativer und pauschaler Übermittlung?

Eigeninitiative und pauschale Übermittlung wegdefiniert

In der Antwort auf die Frage Jelpkes finden wir folgenden Satz:

Eine eigeninitiative pauschale Übermittlung von Daten der Angehörigen bestimmter Herkunftsgruppen durch das BAMF erfolgt nicht.

Doch wie kommt es zu einer solchen Aussage? Im Untersuchungsausschuss hat Leistner-Rocca berichtet, dass in zwei Fällen die Anhörungsprotokolle sämtlicher Asylbewerber aus dem Iran und aus Somalia weitergegeben wurden. Weitere Länder, die den BND im Februar 2014 interessierten:

Afghanistan, Usbekistan, Mali, Somalia, Libanon, Staaten des ehemaligen Jugoslawien, Sudan, Russische Föderation, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, China, Irak, Iran, Syrien, Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko, Burkina Faso, Pakistan, Indien und Jemen.

Nehmen wir exemplarisch die Asylstatistik aus dem Jahr 2013. Die oben genannten Länder bilden über 80 Prozent der Gesamtantragssteller. Weitergegeben wurden Daten von Erstantragsstellern zwischen 18 und 60 Jahren, die auch tatsächlich angehört wurden. Im BAMF rechtfertigt man die Abwesenheit einer pauschalen Übermittlung damit, dass der BND die Daten ja anfordere und eine Pauschalübermittlung auf Eigeninitiative nicht stattfinde. Nur dass eben die Anforderungen – sowohl durch Kriterienkatalog als auch Montagslisten – bewusst allgemein gehalten sind. Und dass das Anfordern nicht punktuell geschieht, sondern die Anhörungsprotokolle automatisch übergeben werden, sollte ein Entscheider des BAMF zu dem Ergebnis kommen, dass die befragte Person von Interesse sein könnte.

Es seien über die Herkunftsländerliste etwa sechs Prozent der Antragssteller „einer Prüfung unterzogen“ worden. Daher könne nicht von einer pauschalen Datenübermittlung geredet werden. 2013 schieden jedoch 37,1 Prozent der Antragssteller aufgrund ihres Alters per se aus. Weitere fielen aus der Auswahlmenge, da sie keine Erstantragssteller waren. Das betraf 2013 13,7 Prozent aller Antragssteller. Zudem werden einige Antragssteller nicht angehört und fielen von vorn herein aus.

Die Pauschalität wird hier von der HBW wegdefiniert. Aus einer eigeninitiativen Übermittlung wird eine angeforderte Übermittlung des BND – rein dadurch, dass die Anforderung des BND durchgehend aufrecht erhalten wird. Push wird zu Pull gemacht, damit es mit der Rechtsgrundlage passt.

„Befugnisnorm sucht man vergeblich“

Doch auch davon abgesehen gibt es Probleme mit der Plausibilität der Rechtsgrundlage. Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar 2012 ein Urteil zum Telekommunikationsgesetz erlassen, in dem das „Doppeltürprinzip“ erläutert wird:

Für Abruf und Auskunftserteilung müssen damit korrespondierende Rechtsgrundlagen bestehen, die wie Doppeltüren zusammenwirken.

Das heißt, sowohl für das Anfordern der Daten als auch für das Übermitteln müssen Rechtsgrundlagen bestehen. Zwar befasst sich das Urteil mit den Paragraphen 111 bis 113 des Telekommunikationsgesetzes, die Aussage des Bundesverfassungsgerichtes lässt sich jedoch allgemein auf personenbezogene Daten beziehen.

Bezüglich des Anforderns nutzt die HBW § 8 Abs. 3 BND-Gesetz. Ungeachtet dessen, dass diese Rechtsgrundlage für die Zeit, als die HBW unter Legende bestand und offiziell nicht zum BND gehörte, mehr als fragwürdig war – für die Übermittlung wird es noch schwieriger. Das drückt sich auch in der Mail eines BMI-Mitarbeiters im Referat für Asylrecht und Asylverfahrensrecht deutlich aus, der das oben erwähnt Urteil zu kennen scheint:

Falls man die Auffassung vertritt (ich nicht), neben einer Befugnisnorm für die anfragende Stelle bedürfe es einer Befugnisnorm für die angefragte Stelle, dann sucht man diese wohl vergeblich.

Weitermachen trotz Zweifeln

Trotz der Bedenken hinsichtlich der Datenübermittlung wurde die Praxis der Datenweitergabe an die HBW weiterverfolgt. Laut Leistner-Rocca sei man der einhelligen Auffassung gewesen, dass alles in Ordnung sei, in den vorliegenden Korrespondenzen stellt sich das anders dar. Nachdem die Montagslisten dazukamen, die Asylbewerber nach Ländern und nicht Kriterien abfragten, wurde ihren Angaben zufolge „wahrscheinlich“ nicht nochmal geprüft, ob alles rechtlich in Ordnung ist. Die Kriterien seien ja gleich geblieben.

Zum 30. Juni 2014 wurde die HBW geschlossen, die Zusammenarbeit des BAMF mit dem BND endete nicht mit diesem Datum. In welcher Form und unter welchem Namen diese heute erfolgt, darüber können wir derzeit nur spekulieren. Referat 432 existiert fort und heißt heute Referat 416 „Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder, Clearingstelle Präventionskooperation, Beratungsstelle Radikalisierung“.

In der Antwort auf eine Schriftliche Frage des linken Abgeordneten Jan Korte hieß es:

BND und BfV dürfen zur Erfüllung ihrer Aufgaben ihrerseits das BAMF um Übermittlung von Informationen aus Asylverfahren ersuchen […] Zur Gewinnung von […] relevanten Erkenntnissen können BND bzw. BfV künftig auch Befragungen von Asylbewerbern durchführen.

Wir müssen davon ausgehen, dass das BAMF weiterhin bereitwillig zuarbeitet. Hinweise über das heutige Vorgehen des BND zum Thema Asylbefragungen nehmen wir gerne über die üblichen Kanäle entgegen.

Stellungnahmen haben wir angefragt, wir sind gespannt auf Rückmeldungen.


Stellungnahmen zur Berichterstattung

Nina Warken, Obfrau der Union im Ausschuss:

Zur Beweisaufnahme in einem Untersuchungsausschuss gehören sowohl Akten als auch Zeugen. Ihr Beitrag schließt aus einzelnen Aktenstücken auf eine Unsicherheit bezüglich der Rechtsgrundlagen für die Übermittlung von Daten vom BAMF an den BND – und daraus weiter auf eine massenhafte Übermittlung von Asylbewerberdaten durch das BAMF an den BND. Die Ergebnisse der Befragung der auch von Ihnen zitierten Zeugin Leistner-Rocca stehen diesen Schlussfolgerungen allerdings eindeutig entgegen – und zwar schon im ersten Schritt, denn die Zeugin hat Zweifel an den Rechtsgrundlagen überzeugend ausgeräumt.

Konstantin von Notz, Obmann der Grünen im Ausschuss:

Die veröffentlichten Unterlagen verdeutlichen erneut, was auch die bisherigen Zeugenbefragungen im Untersuchungsausschuss bereits zeigten: Die Kriterien zur Auswahl von Flüchtlingen für Befragungen waren extrem pauschal. Ein solcher Katalog ist gerade kein Ersuchen des Bundesnachrichtendienstes im Sinne des § 8 Abs. 3 BND-Gesetz, sondern eine an eine Rasterfahndung erinnernde sehr unbestimmte allgemeine Anfrage an das BAMF. Eine derartige Pauschalübermittlung von Anhörungsprotokollen ist nicht vom BND-Gesetz gedeckt. Außerdem fehlt eine entsprechende Befugnis für das BAMF, Unterlagen aus dem Asylverfahren an den BND zu übermitteln. Das mag mit der fragwürdigen Legendierung der BND-Befrager als sog. Hauptstelle für Befragungswesen zusammenhängen, rechtfertigt aber keinesfalls den Verzicht einer rechtlichen Regelung. Zudem wissen wir, dass es auch zu solchen Befragungen durch Angehörige ausländischer Nachrichtendienste auf deutschem Boden kam – teilweise sogar, ohne dass BND-Mitarbeiter anwesend waren. Auch dies ist rechtlich hoch problematisch.

Deutlich wird insgesamt: Die Hauptstelle agierte offenbar jahrelang außerhalb des Rechts. Dies war, wie der veröffentliche E-Mail-Verkehr zwischen BMI und BAMF, aber auch die Zeugenaussagen im Ausschuss verdeutlichen, durchaus politisch gewollt. Durch eine Umdefinition der Rechtslage wurde diese scheinbar der nachrichtendienstlichen Praxis angepasst. Vor diesem Hintergrund kommt man nach Analyse der hierzu wiederholt gestellten parlamentarischen Nachfragen, den Antworten der Bundesregierung und dem nun veröffentlichen Mailverkehr zu dem Schluss, dass Parlamentarier jahrelang bewusst getäuscht wurden. Die Einschätzung meiner Kollegin, im Ausschuss seien Zweifel bezüglich der Rechtsgrundlagen ausgeräumt worden, kann ich vor diesem Hintergrund nicht ansatzweise nachvollziehen.

Martina Renner, Obfrau der Linken im Ausschuss:

Das Fehlen einer eigenen Rechtsgrundlage entsprechend dem Doppeltürmodell des BVerfG habe ich bereits in der Befragung mit den hierzu bisher vernommenen Zeugen von HBW und BAMF im UA kritisiert. Der Vertreter des BMI wies an dieser Stelle in der üblichen Art und Weise ungefragt daraufhin, dass die Regierung weiterhin davon ausginge, es habe sich bei § 8 Abs. 1 und 3 BNDG um eine ausreichende Rechtsgrundlage des BAMF für die Regelübermittlungen an den BND aufgrund von Kriterienkatalog und Montagslisten gehandelt. Da es tatsächlich eine besondere Norm für die Übermittlungen an das BfV gibt, ist davon auszugehen, dass sich Regierung und Dienste weiterhin im Dunstschleier fragwürdiger und geheimer Rechtsauslegung bewegen wollen. Es ist lang geübte Methode, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden und die Praxis ihrer Zusammenarbeit möglichst im Vagen zu halten. So erfahren Betroffene nicht, dass in ihre Grundrechte eingegriffen wird und der Öffentlichkeit bleibt das fragwürdige Vorgehen der Behörden verborgen. Dass es im Ergebnis auch an einer Rechtsgrundlage für das Aushorchen von Flüchtlingen durch Vermittlung des BAMF im Zusammenwirken mit dem amerikanischen Militärgeheimdienst fehlte, sollte niemanden überraschen. Die Frage bleibt, welche „Ersatzinstrumente“ sich die Dienste seither geschaffen haben.

Der BND kommentiert (nicht):

[D]ieser Themenbereich war und ist Gegenstand des 1. Untersuchungsausschusses. Entsprechende Zeugen wurden bereits gehört, weitere Zeugenvernehmungen sind nicht auszuschließen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir mit Blick auf den laufenden Untersuchungsausschuss und aus Respekt vor dessen noch nicht abgeschlossener Arbeit inhaltlich nicht Stellung nehmen können.

Das BMI kommentiert auch (nicht), mit gleichem Wortlaut:

[D]ieser Themenbereich war und ist Gegenstand des 1. Untersuchungsausschusses. Entsprechende Zeugen wurden bereits gehört, weitere Zeugenvernehmungen sind nicht auszuschließen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir mit Blick auf den laufenden Untersuchungsausschuss und aus Respekt vor dessen noch nicht abgeschlossener Arbeit inhaltlich nicht Stellung nehmen können.


Kriterienkatalog der HBW

bundesadlerSicherheitsbehörden
im Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes

Kriterien für Personenhinweise

1. Themenbezogene

  • Inner- und zwischenstaatliche Konflikte, Krisen/Krisenpotentiale
    • Ersthinweise und Entwicklungen
    • Menschenrechtsverletzungen
  • Fundamentalismus/Extremismus
  • Internationaler Terrorismus
    • Organisationen, Gruppierungen, Strukturen, Finanzierung usw.
  • Organisierte Kriminalität
    • Geldwäsche
    • Drogenproblematik
    • Organisationen, Anbau, Handel, Wege
    • Narcoterrorismus
      • Finanzierung des Internationalen Terrorismus durch Drogenhandel und andere OK-Formen
    • Migration, Schlepper- und Schleuserwesen
  • Wissenschaft und Technik
    • Atomphysik und -technologie
    • Biologische Forschung und Produktion
    • Genforschung
    • Chemische Forschung und Produktion
    • Trägertechnologie
    • Technologietransfer
    • Rüstungsindustrie und Waffentechnik
  • Waffenhandel

2. Funktionsbezogene

Führungskräfte oder Personen mit Spezialkenntnissen in den Bereichen:

  • Militär
  • Paramilitärische Organisationen
  • Politik, Parteien, oppositionelle Organisationen
  • Staatliche Administration
  • Wirtschaft, auch Energie und Rohstoffe
  • Infrastruktur
  • Nachrichtendienste

  • Einstufung: VS – Nur für den Dienstgebrauch
  • Autor: BMI – Referat M I 4 Asylrecht und Asylverfahrensrecht
  • Datum: 27. November 2013

HBW – VS-NfD

Liebe Frau ⬛⬛⬛⬛⬛,

insofern verweise ich auf den anliegenden AE [Antwortentwurf] des BND, dem ich telefonisch zugestimmt habe. Die DA [Dienstanweisung] Asyl „Sicherheit“ und den Kriterienkatalog der HBW füge ich ebenfalls an. Falls man die Auffassung vertritt (ich nicht), neben einer Befugnisnorm für die anfragende Stelle bedürfe es einer Befugnisnorm für die angefragte Stelle, dann sucht man diese wohl vergeblich.

Mit freundlichen Grüßen,
⬛⬛⬛⬛⬛
Referat M I 4
HR 2201


  • Autor: BAMF – Referat 416 (Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder)
  • Datum: 18. Februar 2014

AW: Nachfrage zur Beantwortung der Schriftlichen Frage MdB Ulla Jelpke

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr ⬛⬛⬛⬛⬛,

zur Erläuterung unserer Antwort auf die Anfrage von ULLA JELPKE füge ich erklärend hinzu:

Eine Übermittlung von Asylbewerberdaten auf eigene Initiative vom BAMF an den BND kann immer nur nach § 8 Abs. 1 BND-G erfolgen. Diese Rechtsgrundlage ist aber derart restriktiv (vgl. die Verweisungen in § 8 Abs. 1 Ziffern 1 und 2 BND-G, insbesondere den Verweis in das G-10-Gesetz), dass eine pauschale Datenübermittlung hierbei nicht in Frage kommt. Dies bedeutet in tatsächlicher Hinsicht: Eine pauschale Datenübermittlung auf Eigeninitiative des BAMF findet nicht statt. Insoweit gibt es also einen „Widerspruch“ zwischen pauschaler Datenübermittlung und der Eigeninitiative des BAMF – und dieser Widerspruch ist rechtlicher Natur, denn diese Datenübermitttung ist schlichtweg nicht zulässig und wird deswegen auch nicht durchgeführt.

Anders ist die Rechtslage jedoch, wenn der Bundesnachrichtendienst Daten vom BAMF anfordert. Eine derartige Anforderung und Übermittlung erfolgt nach § 8 Abs. 3 BND-G. Der Bundesnachrichtendienst hat Asylbewerberdaten nach bestimmten Kriterien vom BAMF angefordert. Diese Kriterien lauten:

    • nach Herkunftsländern
      • in denen die Bundeswehr Out-of-area Einsätze durchführt: zuletzt AFG, UZB (ISAF, UNAMA), MLI, (MINUSMA,, EUTM), SOM (ATALANTA), LBN (UNIFIL), Staaten des ehem. Jugoslawien (KFOR), SDN (UNAMID),
      • im Interesse des Auftragsprofils des Bundesnachrichtendienstes, zuletzt: RUS, GEO, ARM, AZE, CHN, IRQ, IRN, SYR, EGY, DZA, LBY, MAR, BFA, [?], PAK, IND, YEM

und

  • nach Alter der Antragsteller (ausschließlich Erwachsene, also Lebensalter ab Volljährigkeit / 18
    Jahren)

 

Die Herkunftsländerliste wurde dynamisch angepasst. Nicht alle Verfahren der genannten HKL sind auch im jeweiligen Abfragezeitraum tatsächlich eingesehen worden. Personen im Lebensalter über 60 wurden ebenfalls nachträglich ausgenommen. Es wurden lediglich Informationen zu Antragstellern übermittelt, die auch tatsächlich angehört wurden. Über die Herkunftsländerliste wurden ca. 6 % der Antragssteller einer Prüfung unterzogen. Insoweit kann nach meiner Auffassung hier auch nicht von einer pauschalen Datenübermittlung gesprochen werden – abgesehen davon ist dies in der parlamentarischen Anfrage von Frau Jelpke auch gerade nicht gefragt.

Die parlamentarische Anfrage bezieht sich nur auf die Initiativ-Übermittlung durch das BAMF (Variante 1, siehe oben). Und demnach ist die Aussage, dass „eine pauschale Datenübermitttung auf eigene Initiative durch das BAMF an den BND nicht stattfindet“ absolut richtig. Insoweit sollte nach meiner Auffassung der letzte Satz so belassen werden. Der Zusatz „auf Initiative des Bundesamtes“ sollte keineswegs allein gestrichen werden, denn dadurch würde die notwendige Differenzierung zwischen § 8 Abs. 1 und Abs. 3 BND-G verloren gehen, welche für die Datenübermittlung essentiell ist.

Ich möchte abschließend darauf hinweisen, dass die erfolgte Abstimmung mit dem VBB HBW beim BAMF
natürlich nicht die formelle Unterbeteiligung des BND durch das Bundeskanzleramt ersetzt.

Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

⬛⬛⬛⬛⬛

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11 Ergänzungen

    1. Das erhöht die Fälschungssicherheit enorm. Kein halbwegs normaler Fälscher würde auf eine solche Idee kommen…
      ;-)

  1. „Der Zusatz „auf Initiative des Bundesamtes“ sollte keineswegs allein gestrichen werden“
    Schon gruselig, wie hier Haarspalterei betrieben wird, um sich aus der Verantwortung ziehen zu können. Da leuchtet es acuh ein, warum parlamentarische Anfragen häufig so ins Detail gehen.

    Und natürlich Danke an den/die Dokumentenliferanten/in und an euch fürs veröffentlichen!

  2. In den vergangenen Stellungnahmen (auch vor dem NSAUA) wurde doch ‚klargestellt‘, dass sich die HBW nur für die lokalen Brotpreise interessiert.
    Gerade die sind jetzt aber nicht aufgeführt.

  3. Wunder, oh Wunder, dass man sich nicht nur für die Brotpreise interessiert. Die Geflüchteten sind für die Geheimdienste bestimmt ein Schatz an Informationen. (Wie ist die Stimmung in den Herkunftsorten? Welche Gruppen kämpfen da? Wer hat das sagen? Wo sind diese Gruppen stationiert? Wie ist die allgemeine wirtschaftliche Lage? usw…).
    Finde solche Befragungen wesentlich akzeptabler als die tägliche Massenspeicherung von Milliarden von Kommunikationsverbindungen unbescholtener Bürger. Natürlich gehe ich mal davon aus, dass sowas nicht unter Zwang erfolgt („Wenn Sie sich nicht kooperativ zeigen, könnte es sein, dass Ihr Asylantrag abgelehnt wird“).

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.