(Fast) alle Urheberrechtsprobleme in einem Video: Andy Baio über die neue Prohibition

Andy Baio, einer der Gründer des XOXO Festivals, hat kürzlich ein Video von einem Vortrag veröffentlicht, der in sehenswerten 30 Minuten noch einmal fast all jene Dinge auf den Punkt bringt, die im derzeitigen Urheberrecht grundlegend falsch laufen.

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Weil sich Andy Baio aber klarerweise auf die Situation in den USA bezieht, habe ich im folgenden noch einmal die zentralen Themen seines Vortrags aufgelistet und mit Links zu Blogeinträgen hier auf netzpolitik.org versehen, die sich mit den jeweiligen Themen auseinandergesetzt haben. Auf diese Weise wird zweierlei deutlich: Erstens, die genannten Probleme begleiten uns schon eine ganze Weile und werden sich nicht von alleine und auch nicht nur durch einfachere Lizenzierungsangebote lösen, wie die EU Kommission immer noch zu glauben scheint. Zweitens ist die Situation in Europa tendenziell noch schlechter als in den USA, obwohl es dort eine – wie Baio deutlich macht: unzureichende – Fair-Use-Klausel im Copyright gibt.

Urheberrecht, Internet-Memes und Remixkultur: Baio steigt mit Harlem Shake als dem jüngsten Beispiel für ein Internet-Meme ein, bei dem Rechteinhaber vom Verzicht auf Rechtsduchsetzung profitieren und gleichzeitig massenhaft kreative Potentiale breiter Bevölkerungsschichten aktiviert werden. Beobachten konnte man das auch schon am Vorgänger-Meme „Gangnam Style“: „Zur netzpolitischen Dimension von Gangnam Style“.

Remixkultur und Digitalisierung: Unter Verweis auf die vierteilige Serie von Kirby Ferguson „Everything is a Remix“ macht Baio nicht nur deutlich, dass Kreativität und Kultur immer schon sehr unmittelbar auf bestehenden Werken aufgebaut haben, sondern dass durch den umfassenden Zugang zu digitalen Inhalten in Kombination mit der Möglichkeit unmittelbar-globaler Veröffentlichung Ausmaß und Bedeutung von Remixkultur und Remixrechten eine neue Dimension erreicht haben. Ebenfalls von Kirby Ferguson: „Everything Is A Remix: THE MATRIX“.

„No copyright intended“: Schon 2011 hatte Baio darüber gebloggt, dass hunderttausende YouTube-Nutzer in den Erläuterungen zu ihren Videos Sätze wie „No copyright intended“ einfügen um deutlich zu machen, dass sie mit ihren Mashups oder Tanzvideos eben keine kommerziellen Verwertungsinteressen verfolgen. Die massenhafte Verbreitung dieser Praktik demonstriert, dass fast alle Menschen in ihrem Online-Nutzungsalltag mit dem Urheberrecht in Berührung kommen, allerdings kein Verständnis – im doppelten Sinne – für dessen Funktionslogik vorherrscht. Wie man kurz- und mittelfristig auf diese Situation durch rechtliche Anpassungen reagieren könnte, hat Till Kreutzer in einem Gastbeitrag ausführlich dargelegt: „Auf dem Weg zu einem Urheberrecht für das 21. Jahrhundert: Ideen für eine zukünftige Regulierung kreativer Güter“.

YouTube Content ID: Um den alltäglichen und massenhaften Urheberrechtsverletzungen auf Online-Plattformen doch noch irgendwie Herr zu werden, setzen Rechteinhaber und Plattformbetreiber auf immer ausgefeiltere Formen privat-technologischer Rechtsdurchsetzung. Eines der wirkmächtigsten Verfahren in diesem Zusammenhang ist das von Baio kritisierte Content-ID-System von YouTube: „Private Rechtsdurchsetzung mittels Content ID: neue Regeln, neuer Algorithmus“.

Kreativitätsbremse Samplingverbot: Fans von elektronischer Musik oder HipHop können (k)ein Lied davon singen, dass die Zahl der Samples in kommerziellen Produktionen rückläufig und die Schwierigkeit der Abklärung von Samplingrechten eine der größten Kreativitätsbremsen überhaupt ist. So verweist auch Baio darauf, dass das Album „Paul’s Boutique“ von den Beastie Boys heute praktisch unmöglich auf legale Weise zu realisieren wäre. In Deutschland wiederum hat erst kürzlich der BGH seine restriktive Sampling-Rechtssprechung in der Entscheidung „Metall auf Metall II“ bestätigt: „Sampling-Urteil des BGH: Zwei Takte Leistungsschutzrecht“.

Vorbild Zwangslizenz bei Cover-Versionen: Anlässlich seines Kickstarter-finanzierten Projekts „Kind of Bloop“, einem 8-Bit-Cover von Miles Davis berühmtem Jazz-Album „Kind of Blue“, meint Baio völlig zu Recht: „Cover songs are the only sane licensing in the copyright world“. Diese Feststellung gilt zu 100% für die Situation in Deutschland: „Zur netzpolitischen Dimension von Heino: Covern erlaubt, Remixen verboten“. Warum Baio dennoch urheberrechtliche Probleme mit seinem „Kind-of-Bloop“-Projekt hatte, ist auf seinem Blog noch einmal ausführlich dokumentiert, hatte aber nicht mit der Musik sondern dem Pixel-Cover zu tun.

Fair Use: Baio beschreibt, wie schwer es in den USA ist, durch die Fair-Use-Klausel des dortigen Copyrights gedeckte Kreativität auch rechtlich durchzusetzen. In Europa ist es jedoch so, dass jenseits des abgeschlossenen Katalogs an urheberrechtlichen Ausnahmen („Schranken“) überhaupt nichts möglich ist. Hierzulande ginge es deshalb überhaupt erst einmal darum, Dinge möglich zu machen: „Urheberrecht: Erlauben und Vergüten“.

Abmahnungen als Geschäftsmodell: Wie in Deutschland hat sich auch in den USA eine Abmahnindustrie gebildet, die mit Massenabmahnungen Geld verdient. Die Höhe von Abmahnungen ist aber in der Regel völlig unverhältnismäßig. So betont Baio, dass auch kleine Entschädigungen ein Vielfaches dessen ausmachen, was auf herkömmlichen Wege verdient werden könnte: „Small settlement will make far more money than running years of YouTube ads.“ Auch in Deutschland ist leider kein Ende dieses „Abmahnwahns“ in Sicht: „Die Abmahnindustrie wird von dieser Koalition weiter gefördert werden“.

Angesichts dieser Liste ist das Fazit von Baio, dass wir es mit einer neuen Form von Prohibition zu tun haben, durchaus berechtigt:

„We have a vocal and powerful minority, which is the record and film industries, fighting to criminalize common-place activities from law-abiding people. We have turned every teenager with a computer into a criminal.“

Schade ist nur, dass Europa bei der Kreativitätsprohibition im Unterschied zur Alkoholprohibition nicht nur mitmacht, sondern in vielen Bereichen sogar über die USA hinausgeht.

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