Funkzellenabfragen in den USA: Jura-Professor fordert spezifisches Gesetz und Benachrichtigung Betroffener

Professor Brian Owsley
Professor Brian Owsley
Professor Brian Owsley

Funkzellenabfragen sind eine Routinemaßnahme, die tief in die Privatsphäre vieler Unschuldiger eingreift, ohne diese jemals darüber zu informieren. Was in Deutschland bekannt ist, schreibt jetzt auch ein amerikanischer Jura-Professor in einer Studie. Auch er fordert eine Beschränkung der Praxis, ein eigenes Gesetz und eine Benachrichtigungspflicht für Betroffene.

Netzpolitik.org berichtet regelmäßig über die routinemäßige, massenhafte Handy-Überwachung namens Funkzellenabfrage. Jeden Tag werden in Deutschland laut unseren Hochrechnungen mehr als zehn Funkzellenabfragen durchgeführt, mit 100 betroffenen Funkzellen und zehntausenden betroffenen Menschen. Wie aussagekräftig diese Daten sind, haben wir erst gestern beschrieben.

Weltweit nutzen Behörden und Dienste diese digitale Massenüberwachung. Harte Fakten (oder gar ein öffentliches Bewusstsein) aus anderen Staaten sind uns jedoch nicht bekannt. Lediglich in den USA arbeiten unsere Freunde der American Civil Liberties Union (ACLU) an diesem Thema. Vor zwei Jahren haben sie hunderte Anfragen quer durch die Staaten geschickt, um Informationen über die Praxis von Funkzellenabfragen zu bekommen. Die meisten antworteten erst nach einem Artikel in der New York Times zum Thema.

Die Antworten sind ähnlich wie bei uns: Es ist schwer, an harte Fakten zu kommen, aber wenn es welche gibt, sind diese erschreckend. Die Polizei der kalifornischen Stadt gab intern bekannt:

Geben Sie vor Gericht nicht mehr Informationen an, als für ihren Fall unbedingt nötig ist. Sagen sie den Medien niemals etwas über diese Techniken – besonders zur Funkzellenabfrage.

Brian Owsley, Jura-Professor an der Texas Tech University, hat die Antworten mal in einem Paper ausgewertet und eingeordnet: The Fourth Amendment Implications of the Government’s Use of Cell Tower Dumps in its Electronic Surveillance. Und das klingt vertraut:

Diese Dokumente, welche die ACLU erhalten hat, dokumentieren, dass diese Art der Überwachung in breitem Maßstab im ganzen Land geschieht. Zudem hat die Auskunft über Ortsdaten zu schwerwiegenden Verstöße gegen die Persönlichkeitsrechte unschuldiger Dritter geführt.

Staats- und Bundesgerichte haben sich kaum mit Funkzellenabfragen beschäftigt. Doch die Handlungen der meisten großen Mobilfunk-Betreiber, sowie persönliche Erfahrungen und Gespräche mit anderen Richtern, deuten stark darauf hin, „dass Funkzellenabfragen zu einer ziemlichen Routinemaßnahme für Strafverfolger geworden sind“.

Zur Erinnerung: Der Berliner Datenschutz-Beauftragte kam in seinem Prüfbericht zum Ergebnis:

Funkzellenabfragen sind „offensichtlich zum alltäglichen Ermittlungsinstrument geworden, das routinemäßig und ohne hinreichende Beachtung der gesetzlichen Vorgaben eingesetzt wird.“

Laut New York Times bekommen die Netzbetreiber in den Staaten viel Geld für Funkzellenabfragen:

The surging use of cell surveillance was also reflected in the bills the wireless carriers reported sending to law enforcement agencies to cover their costs in some of the tracking operations. AT&T, for one, said it collected $8.3 million last year compared with $2.8 million in 2007, and other carriers reported similar increases in billings.

In Deutschland gibt es pro Funkzellenabfrage nur 30 Euro, plus vier Euro für jede weitere Funkzelle.

Als Fazit fordert Owsley eine Beschränkung von Funkzellenabfragen, eine Anordnung nur mit Richterbeschluss, ein eigenes Gesetz dafür und eine Benachrichtigungspflicht für Betroffene:

The problem with cell tower dumps is that the federal government typically applies for them pursuant to 18 U.S.C. § 2703. However, this statute does not address cell tower dumps. Additionally, the Fourth Amendment has evolved to provide privacy protections for new electronic surveillance techniques, including cell tower dumps. People have a reasonable expectation of privacy in the cell site location information recorded by cellular providers.

Ultimately, it would be preferable for Congress to enact new legislation specifically addressing cell tower dumps, but that has not yet happened and does not appear likely in the near future. Any new legislation would still have to adhere to constitutional mandates or risk being found unconstitutional.

Applications for a cell tower dump should seek a warrant based on a demonstration of probable cause to obtain the cell site location information. Moreover, law enforcement officials and the courts should address the privacy rights of third-party individuals whose information is obtained through cell tower dumps. Such individuals need to be notified when law enforcement officials obtain their information. There also needs to be a mechanism whereby this private information is no longer in the government’s possession once the criminal investigation or prosecution has concluded.

In the end, protocols and probable cause with a warrant will ensure that privacy rights are balanced and protected against law enforcement’s interest in using electronic surveillance to further criminal investigations.

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