Die weibliche und lesbische Bloggerin aus Syrien namens Amina

Jung, lesbisch, rebellisch, eloquent und Bloggerin soll Amina Abdallah Araf al Omari gewesen sein und das auch noch in Syrien, wo gerade das Regime massiv und gewaltsam gegen Dissidenten vorgeht. Zumindest gab das Blog “A Gay Girl in Damascus” dies an, was im Februar startete und direkt aus Syrien von den Unruhen berichtete. Für viele Blogger und Journalisten war das enie Traumkombination, mehr Quoten sind selten zu bekommen. Vor einer Woche soll Amina von syrischen Polizeikräften abgeholt und verschwunden sein – zumindest schrieb das eine Verwandte in das Blog von Amina.

Sofort gab es im Netz viel Solidarität, Avaaz startete eine Petition, es gab Facebook-Gruppen, viele Medienberichte und noch mehr Tweets. Nur wenige versuchten zu verifizieren, ob es Amina überhaupt gibt. Natürlich ist die schwierig, wenn in einem Land gerade blutige Unruhen ablaufen und Blogger lieber unter Pseudonym bloggen, um nicht sofort von der Staatssicherheit abgeholt zu werden. Schwierig ist das vor allem, wenn man nicht in dem Land sitzt und trotzdem darüber schreiben will oder muss. Manchmal ist das aber auch notwendig: Im Fall von Amina kam jetzt raus, dass das mit jung, lesbisch und syrische Rebellin eine tolle Geschichte ist, aber auch nicht mehr: Ein 40-jähriger verheirateter weißer Mann aus den USA (der in Schottland studiert) hatte die tolle Idee, durch das Fake-Blog die Dissidenten in Syrien zu unterstützen und Aufmerksamkeit, sowie Solidarität für ihre Anliegen zu schaffen. Oder so. Sagt er zumindest, als immer mehr Menschen der Quelle nach recherchierten und er dann damit konfrontiert wurde. Die IP-Adresse seiner eMail verriet ihn, diese wurde zur Uni Edinborough zurück verfolgt. Nur hat er seiner Unterstützung alles noch schlimmer gemacht.

Dass am anderen Ende des Netzes immer auch ein Hund sitzen kann, sagte eine berühmte Karikatur schon in den Neunzigern. Auch während der grünen Revolution im Iran gab es viele Diskussionen über die Vertrauenswürdigkeit von Quellen. Bei Fotos und Videos ist es oftmals nicht ersichtlich, ob sie jetzt tatsächlich zu einem aktuellen Geschehen gehören, oder aus einer anderen Zeit und einem anderen Ort stammen. Das macht es schwierig, über Ereignisse zu berichten, vor allem, wenn man als Journalist und/oder Blogger kuratiert, filtert und Ereignisse aufbereitet. Und oft werden Videos, Geschichten und Fotos mit einem Klick schnell weiter verbreitet.

Wie man das lösen kann und welche Auswirkungen die Entwicklung dieser #Amina-Geschichte haben wird, ist immer noch etwas unklar. Erfolgreiche Blogger in Ägypten und Tunesien nutzten in der Regel keine Pseudonyme. sondern ihre realen Namen. Das hat ihnen auch in revolutionären Zeiten geholfen. Und sie waren verifizierbar. Aber man kann davon ausgehen, dass dies nicht in jedem repressiven Staaten hilft, in anderen wird man einfach abgeholt und ins Gefängnis gesteckt, gefoltert und erschossen. Nicht berichten hilft auch nichts, oft genug ist etwas dran und hinter Blogs und psyeudonymen Online-Identitäten stecken echte Menschen mit einem Anliegen und einer Geschichte – und keine Deppen mit etwas Langweile und einem Fake-Blog.

Weitere Quellen zu der Geschichte:

Andy Carvin und Ali Abunimah haben vor rund einer Woche schon versucht, die Identität zu klären und haben mit vielen Puzzlestücken und ihren Lesern geholfen, Licht hinter die Geschichte zu bringen. Und das ist eine spannende Geschichte, wie man gemeinsam mit Vielen anderen eine Quelle verifiziert und die Geschichte aufklärt.

Ethan Zuckerberg hat einen guten Überblicksartikel zu der Geschichte und auch der Guardian berichtet ausführlich.

Hier gibt es ein Video-Interview mit dem Fake-Blogger.

25 Ergänzungen

    1. @Dragan: In diesem Fall hat der Literat mit seiner Literatur soviel Schaden angerichtet, dass man ihn schon als Deppen mit etwas Langeweile bezeichnen kann.

      1. Leider ist das Blog bereits auf „privat“ gestellt, bevor ich es abkopieren konnte.

        MacMaster bezeichnet sich darin durchaus als Autor. Besonders interessant ist der Bericht über die Schöpfung der Figur Anima, die zuerst als Kommentatorin in anderen Blogs auftauchte, bis sie genug konkrete Form angenommen hatte, um ein eigenes Blog zu eröffnen.

        Dass die Geschichte bei einigen Lesern mehr Eindruck hinterlassen hatte als MacMaster es sich jemals erträumen konnte, ist nicht MacMasters Schuld. Es gab und gibt unzählige virtuelle Figuren und erfundene Geschehnisse, die das Leben einer großen Menge beeinflusste. Das geht los mit Propheten, Philosophendialogen, über Hagbard Celine, David Bowie, Sido …

        Natürlich kann ich mir vorstellen, dass sich MacMaster als Regisseur des ganzen wie der Allergrößte vorkam. Aber es ist doch nicht seine Aufgabe, die Show zu entlarven. Ich hatte mal eine VHS von Terminator, frei ab 16. Als Arnold da aus der Zukunft heranteleportiert wird, hält der Film an und eine Texttafel erklärt, dass er nur ein Roboter ist, nicht zwischen gut und böse unterscheiden kann und halt auf Gewalt programmiert wurde. Hätte MacMaster das auch machen sollen? Wirkt die Botschaft so wie es gelaufen ist, nicht ungleich stärker?

        Schade, dass er sich entschuldigt hat, und nicht die Qualitätsmedien und megalomanischen Blogger, die die Fiktion als bare Münze weitergegeben haben.

  1. Bevor ich als Bloggerin solche Nachrichten teile, sichere ich mich bei renommierten Nachrichtensendern wie zB CNN und BBC ab. Wenn diese die Nachricht bringen, kann ich auch nicht mehr tun, als sie für glaubwürdig zu halten. In diesem Fall leider zu unrecht. Dennoch habe ich lieber einmal zu oft als einmal zu selten unterschrieben. Tja.

    1. Danke für den Hinweis, finde den Kommentar ganz interessant – insbesondere den Hinweis zu der (E-Mail-)Beziehung, die der Autor in seiner Rolle einer Kanadierin vorgegaukelt hat.
      Ich persönlich glaube, da versucht jemand sich schnell noch als Märtyrer und Künstler darzustellen, der mittendrin einfach mal nicht über Konsequenzen nachgedacht hat.

      1. @Meph
        Deine Theorie, dass der US-Bürger, der sich für Amina Araf ausgegeben hat, nicht über die Konsequenzen nachgedacht hat, kann ich nicht teilen. Obwohl ich gern würde.
        Ich fürchte, er kannte die Konsequenzen nur allzu genau, immerhin hat er sie mehrfach und detailliert in seiner Rolle als Amina Araf beschrieben.
        Ich fürchte auch, er gefiel sich nur allzu gut in seinen zahlreichen Rollen:
        – als verfolgte lesbische Bloggerin,
        – als jemand, der die bessere Lesbe, die bessere Araberin, die bessere Bloggerin, die wortgewaltigere Erzählerin ist,
        – als jemand, dem in der Rolle als Aminas Vater, der die lebische Tochter gegen alle Unbill in Schutz nimmt, Tränen der Rührung über seine eigene phantasierte Güte und Großherzigkeit den Blick auf den Flachbild-Monitor verschleiern,
        – als DER INSZENATOR und schließlich
        – als Aminas zurückgebliebene Cousine, die glücklicherweise gerade noch „für den Fall ihres Verschwindens“ einige Postings auf Vorrat erhalten hatte.
        Dieser Mensch wusste sehr gut um die Konsequenzen. Er war planvoll genug, ein Bild von einem Facebook Account einer Unbeteiligten zu verwenden. Er hat schon im Vorfeld Medienkontakte aufgebaut. Und er hat mit der Amina Araf Story seine Omnipotenzphantasien ausgelebt … andere spielen dafür WoW oder Second Life, aber er spielte mit Menschen, mit ihrer Würde, ihrer Identität, ihrer körperlichen und seelischen Unversehrtheit.
        Na ja. Was ich sonst noch dazu meine, habe ich bei L-talk, Die Amina Araf-Story – Teil 2, geschrieben.

        @Ynokka: Danke! „alt, lesbisch, rebellisch, eloquent und Bloggerin“ gefällt mir gut!

  2. Die angebliche Bloggerin aus Syrien war also weiblich und lesbisch, der wirkliche Blogger ist ein US-Bürger in Großbritannien, ein Mann und verheiratet. Also in etwa das genaue Gegenteil? Er ist „weiß“, also das Gegenteil von „schwarz“? Sind die Syrer „Schwarze“? Werden Blogger auf „netzpolitik.org“ nach Rassen klassifiziert?

  3. Hm, irgendwie will sich bei mir da keine Empörung einstellen.

    Die wirklich Geschädigten sind ja die Regierung in Syrien, weil ihnen ein Verbrechen unterstellt wurde. Aber auch mit denen hab ich kein Mitleid.

    Und ansonsten ists halt ne Geschichte. Erinnert mich auch an den Film Pixelschatten von vor ein paar Wochen.

  4. Ich versteh das mit dem „Schaden“ auch noch nicht ganz. Kann mir jemand erläutern wodrauf sich die (aus meiner Sicht) Hysterie begründet?

    Die einzigen die angeätzt sein könnten sind doch wie erwähnt die syrische Regierung und evtl. die Medien die darauf reingefallen sind…für beide wie schon gesagt kein Mitleid.
    Und für den Rest (potentielle lesbische syrische Bloggerinnen eingeschlossen) ist doch nicht mehr geschehen, als das jemand durch falsche Fakten evtl. wahre Inhalte vermittelt hat.

    Wer ist denn nun der/die/das Geschädigte? :wirr (Unverständnis ohne Hintergedanken…)

  5. Die Geschädigten sind die armen Schweine, die wirklich von der syrischen Polizei abgehohlt wurden – Glaubwürdigkeit und so.

    1. Ok. Danke für die Anwort.

      Aber gibts echt Leute (Medien, whatever) die den allgemein, vorsichtig ausgedrückt, „unklaren“ Zustand der freiheitlichen Rechte in Ländern wie z.B. Syrien, Iran, Deutschland :P, etc. anzweifelt?

      Ich meine selbst WENN die Hälfte der „Betroffenen“ alles weiße, dicke, grad students sind, so bleiben doch zumindest einzelne „Echte“…das ist einfach Statistik (das es unwahrscheinlich ist das alle gefälscht sind).

      Und wenn ich nicht völlig neben dem Kinderwagen steh, dann sind bei solchen Themen doch meist „einer schon einer zuviel“ oder nicht?
      Ehrlich ich begreifs nicht….also die Aufregung…

      1. Klar ist es jetzt nicht so, dass die Leute plötzlich der syrischen Regierung glauben (das wär ja auch absurd).

        Das Problem ist eher, dass es sich Zeitungen, Nachrichtensendungen oder Blogs, die sich da gerade eine blutige Nase gehohlt haben, beim nächsten Vorfall zwei Mal überlegen werden, ob sie das nochmal riskieren.

        Wenn dann aber wirklich Aktivisten abgehohlt werden fehlt die Öffentlichkeit, und Öffentlichkeit ist der einzige Schutz, den diese Leute haben.

  6. Edith sagt: „Die IP-Adresse seiner eMail verriet ihn, diese wurde zur Uni Edinborough Edinburgh zurück verfolgt. Nur hat er mitseiner sogenannten „Unterstützung alles noch schlimmer gemacht.

    Besser, oder?

    on topic: Als hauptsächliche Verlierer sehe ich vor allem Menschen in Syrien, die in einer wahrscheinlich* deutlich homophoben Umfeld leben und nun mit neuen Anfeindungen konfrontiert sein dürften. Sekundäre Verlierer sind alle (politischen) Blogger, deren Glaubwürdigkeit relativiert wurde. BTW: Niemand hat vor, eine Mauer eine IPv6-Endgeräte-ID zu bauen.

    * War noch nicht dort, kenne nur durch nahöstliche Kultur beeinflußte Gebiete, die zusätzlich noch autochthone Homophobie pflegen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.