Gescheitertes TransparenzgesetzEine verpasste Jahrhundertchance

Es hätte das legislative Kronjuwel einer progressiven Regierung werden können: Das Transparenzgesetz sollte die demokratische Kontrolle stärken und die Digitalisierung der Verwaltung voranbringen. Doch Innenministerin Nancy Faeser legte ihren Fokus lieber auf Überwachung als auf Transparenz. Ein Kommentar.

Schwarz-weiß-Foto vom Schloss eines Panzerschranks
Der Entwurf für ein Transparenzgesetz landete nicht im Parlament, sondern im Panzerschrank – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Jason Dent

Am Ende wird abgerechnet, das gilt auch für Legislaturperioden. Und so wurde in dieser letzten Sitzungswoche des 20. Bundestages nochmal schmerzlich bewusst, was die selbsternannte Fortschrittskoalition aus SPD, Grünen und FDP nicht erreicht hat. Ob bei der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen oder der Entkriminalisierung von Fahren ohne Fahrschein, die Ampel hat nicht geliefert. Von der langen Liste der uneingelösten digitalpolitischen Versprechen ist eines besonders bitter: das Transparenzgesetz.

Nach 16 Jahren merkelschem Stillstand wollte die Ampel eigentlich vieles anderes machen. Nicht erst nach den jüngsten Korruptionsskandalen um Masken-Deals oder Bestechung aus Aserbaidschan war der Handlungsdruck groß. Das Transparenzgesetz sollte nicht nur das dringend sanierungsbedürftige Informationsfreiheitsgesetz von 2005 überholen, sondern gleichzeitig endlich ernst machen mit einem Rechtsanspruch auf Open Data. Damit hätte die Ampel den deutschen Staat für Jahrzehnte positiv prägen können.

Der Gesetzentwurf war eigentlich fertig

Mit der proaktiven Veröffentlichung von Dokumenten, Verträgen, Daten und anderen staatlichen Informationen auf einem Transparenzportal hätte das Transparenzgesetz zum legislativen Kronjuwel einer echten Fortschrittskoalition werden können. Zahlt es doch gleich auf zwei Kernziele progressiver Politik ein: Erstens stärkt Transparenz die Demokratie. Bürger:innen, Journalist:innen und Forscher:innen könnten dem Staat auf die Finger schauen und besser informiert am politischen Diskurs teilnehmen.

Zweitens hätte das Transparenzgesetz ein Motor der Verwaltungsdigitalisierung sein können: Elektronische Aktenführung, einfache Veröffentlichungsprozesse, definierte Standards, klare Regeln. Auch die viele Arbeit bei der (Nicht-)Beantwortung von Informationsfreiheitsanfragen, über die Behörden so häufig stöhnen, hätte ein Ende gehabt. Weniger Bürokratie, mehr Demokratie.

Ein weitgehend fertiger Gesetzentwurf lag offenbar schon seit längerem in den Schubladen des Innenministeriums, so jedenfalls konnte man den parlamentarischen Staatsekretär Johann Saathoff im November 2024 auf einer Veranstaltung der SPD-Fraktion verstehen. Dass das Gesetz trotzdem nicht gekommen ist, haben wir Innenministerin Nancy Faeser von der SPD zu verdanken. Ganz in der Tradition ihrer konservativen Amtsvorgänger hat die Ministerin sich lieber für mehr Überwachung von Bürger:innen eingesetzt als für mehr Transparenz des Staates.

Wollte Faeser nicht oder konnte sie nicht?

Peinlich ist die Sache für IT-Staatssekretär Markus Richter. Der hatte zu Beginn der Legislaturperiode, offenbar ermutigt von seiner Ministerin, offensiv den Dialog mit der Zivilgesellschaft gesucht und sich dabei weit aus dem Fenster gelehnt. Im Herbst 2022 nahm Richter den Gesetzentwurf eines zivilgesellschaftlichen Bündnisses entgegen und stellte rasche Fortschritte in Aussicht: Bis Ende des Jahres solle es Eckpunkte zum Gesetz geben, mit etwas Glück schon 2023 einen Gesetzentwurf.

Seitdem geschah vor allem eines: Das Vorhaben wurde immer weiter nach hinten verschoben. Ende 2022 waren die Eckpunkte nicht in Sicht, auch im Sommer 2023 nicht. Wenig später hieß es dann, der Gesetzentwurf werde frühestens Ende 2024 veröffentlicht. So ein heikles Vorhaben in die letzte Phase einer wackligen Koalition schieben, noch dazu in den beginnen Wahlkampf – das konnte nicht gut gehen.

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Die Verantwortung für das Debakel tragen selbstverständlich nicht die Staatssekretäre, sondern die Ministerin. Von außen kann man nur rätseln: Wollte Faeser von Anfang an nicht mehr Transparenz? Hat sie das Projekt bei ihrer autoritären 180-Grad-Wende einfach aus dem Blick verloren? Oder war sie einfach nicht stark genug, sich in einem traditionell transparenzfeindlichen Ministerium durchzusetzen? Man weiß nicht, welche Variante schlimmer wäre.

Fest steht: Es ist schon das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass eine Sozialdemokratin ein fast fertiges Transparenzgesetz beerdigt. Erst vor wenigen Jahren hatte Franziska Giffey auf Landesebene in Berlin einen Kompromiss mit den damaligen Koalitionspartnern von Grünen und Linken in letzter Minute blockiert. Auf die Einlösung des Versprechens, gemeinsam mit dem neuen Koalitionspartner CDU ein Transparenzgesetz zu verwirklichen, wartet man in Berlin vergeblich.

Nur die Linke verspricht noch ein Transparenzgesetz

Bestätigt dürfen sich all jene sehen, die von Anfang an darauf hinwiesen, dass es wenig vielversprechend ist, ausgerechnet jenem Ministerium das Vorhaben zu überlassen, das ausgerechnet gegen den Bundesbeauftragten für Informationsfreiheit vor Gericht zog.

Warnungen aus der Zivilgesellschaft gab es wahrlich genug. Vorwürfe müssen sich deshalb auch zuständige Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP machen. Mit Konstantin Kuhle und Maximilian Funke-Kaiser von der FDP, Konstantin von Notz und Misbah Khan von den Grünen, SPD-Parteichefin Saskia Esken und anderen gibt es in ihren Reihen eigentlich starke Verfechter der Transparenz.

Spätestens als das Innenministerium nach dem Bruch der Ampel-Koalition doch noch manch einen fertigen Entwurf in die Gesetzgebung brachte, den für das Transparenzgesetz aber im Panzerschrank verschloss, wäre der Zeitpunkt für eine Initiative aus der Mitte des Parlaments gewesen. Da das Innenministerium zu diesem Zeitpunkt Anfragen nach dem eigenen Gesetzentwurf mit fadenscheinigen Begründungen ablehnte, hätten die Abgeordneten einfach mit dem Entwurf aus der Zivilgesellschaft arbeiten können.

So aber hat die Ampel eine historische Chance verspielt. Es könnte auf absehbare Zeit das letzte mal gewesen sein, dass es eine progressive Mehrheit im Parlament für echte Transparenz gab. Ein Blick auf die Wahlprogramme zeigt: Nicht mal mehr SPD und Grüne versprechen ein Transparenzgesetz, die CDU/CSU schon gar nicht. Tatsächlich ist die einzige Partei, die noch prominent ein Transparenzgesetz verspricht, die Linke.

12 Ergänzungen

  1. Zitat:“ Tatsächlich ist die einzige Partei, die noch prominent ein Transparenzgesetz verspricht, die Linke.“

    Ist das so?

    ChatGPT sagt:“Einführung eines Transparenzgesetzes auf Bundesebene: Im Dezember 2023 stellte die AfD-Fraktion eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung, um Informationen über den Stand der geplanten Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes zu einem Transparenzgesetz zu erhalten. „

    „ Initiativen zeigen, dass die AfD in verschiedenen Bereichen Transparenzgesetze thematisiert und eigene Vorschläge eingebracht hat.“

    „ Im aktuellen Wahlprogramm der Alternative für Deutschland (AfD) zur Bundestagswahl 2025 finden sich keine spezifischen Aussagen oder Forderungen zu einem Transparenzgesetz. Die AfD betont jedoch allgemein die Bedeutung von Transparenz und Bürgernähe in der Politik. “

    „ Obwohl kein spezifisches Transparenzgesetz im Wahlprogramm erwähnt wird, unterstreicht die AfD die Notwendigkeit von Transparenz in verschiedenen politischen Bereichen.“

    Wie konnte Euch das entgehen!? Ach ja, die Brandmauer und der ewige Kampf gegen Rechts. Ein guter Kampf gegen Radikalismus, Faschismus und für eine lebendige Demokratie wäre in erster Linie objektiver, ausgewogener Journalismus. Wann kapiert man das endlich?

    Man erntet immer, was man säht. Leider ist es dann meist zu spät.

    1. Gerne einfach das Wahlprogramm der AfD lesen statt ChatGPT zu befragen, wenn die Sehnsucht so groß ist. Dort findet sich keine Forderuung nach einem Transparenzgesetz. Auch sonst spielt das Thema Transparenz in dem Wahlprogramm so gut wie keine Rolle. Auf das, was irgendein ein Parteifunktionär irgendwo gesagt haben könnte, bezieht sich der zitierte Absatz nicht. Gemessen werden die Parteien an ihren Wahlprogrammen und ihren Taten, beides spricht eine klare Sprache: Transparenz ist kein Anliegen der AfD.

    2. Danke, genau so ist es nämlich.
      Die AFD will nur Reiche noch reicher machen. Partei Politiker mit eingeschlossen.
      Transparenz will eigentlich nur die Linke, das BSW und auch Teile der Grünen.
      Die SPD versagt leider auf ganzer Linie!

  2. Ich habe seit kurzem die deutsche Staatabürgerschaft erlangt – das ist also meine erste Wahl. Da im Bundestag zu wenig linke Positionen vertreten sind wähle ich die Linke (die Grünen sind zu liberal-konservativen mutiert).

    Lt. Sonntagsfrage stehen die seit einiger Zeit stabil bei 6% und wären wieder eine Partei.

    1. Ich kann keine Partei wählen, die Putin Wahlgeschenke machen will. Ich kann keine Partei wählen, die mit Versprechungen wirbt, von denen sie selber weiß, dass sie diese auch dann nicht umsetzen könnte, wenn sie 60% aller Stimmen bekäme, weil sie fern ab der Realität sind und nur den Stimmenfang dienen. Ich kann keine Partei wählen, die keine Lösung für Probleme anbietet, weil sie die Existenz dieser Probleme trotz evidenter Fakten leugnet.

  3. Es ist ja nicht so, dass die SPD in den vergangenen 50 Jahren weniger „gute“ Innenminister hervorgebracht hätte. Es waren nur deutlich weniger.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesministerium_des_Innern_und_f%C3%BCr_Heimat#Bundesminister_seit_1949

    Parteien haben generell ein Problem damit, dass Erwartungen auf Funktionsträger projiziert werden, die den Erwartungen von Wählern nicht gerecht werden. Die SPD betrifft das um so mehr, als von rechtskonservativen Parteien schon gar nicht erst erwartet wird, dass sie ihr Hardlinertum aufgeben.

    1. Na ja, wir leben in einer Herrschaft, da die meisten Menschen nicht vernünftig miteinander kooperieren können. Stattdessen Egoismus voll ausleben. (Ist wohl noch immer in unseren Genen um zu „Überleben“.)
      Also hat die Herrschende Klasse kein Interesse an Transparenz. Zumal alles mittels Netzwerke von den Reichen gesteuert wird! Siehe Reichtumsforschung von Hans Jürgen Krysmanski. „Wem gehört die EU“
      Und der Kapitalist will auch keine Transparenz.
      Das Problem ist m. M. Nach der Mensch. Zuviele Lügen um sich Vorteile zu verschaffen.
      Psychologie ist ein sehr interessantes Thema :-)
      Wer geglaubt hat, dass mit dem Internet alles besser wird, hat das System nicht wirklich verstanden.
      Und solange Staaten nicht verstanden haben, dass im Zeitalter der knapper werdenden Rohstoffe miteinander kooperiert werden muss, wird es immer Kriege geben.
      Das Problem der Menschheit ist der ungezähmte (Finanz) Kapitalismus mit seiner Gier. Darüber muss man auch nicht mehr diskutieren. Da Marx den sehr gut analysiert hatte.
      Privatbesitz an Grund und Boden ist eine Frechheit gegenüber der Natur. Und wird im scheitern der Zivilisation enden. Denn den Kapitalismus mit seiner Gier und Privatbesitz an Grund und Boden will keiner abschaffen. Hauptsache gegen Arme sein und diese DRANGSALIERN. Das nach unten treten und spalten gehört zum Herrschaftssystem! Alles doch schon lange erforscht. Siehe auch Pierre Bourdot.

  4. @Hans-Jörg

    Schade schade schade

    Die Funktionsweise von „KI“ noch nicht verstanden.
    Oder war das nun bewustes Streuen von „KI“ erstellten Fehlinformationen?

    Nur noch Strippenzieher unterwegs!

    1. Blödsinn.
      Was soll KI denn den Menschen besseres bringen. Außer natürlich denen, die daran verdienen?!
      Für die breite Masse gibt es eben NICHT MEHR WOHLSTAND. Sondern mehr EINSAMKEIT. DER MENSCH WURDE BEREITS ENTMENSCHLICHT UND ENTSOLIDARISIERT! Nicht einmal Linke sind noch sozial. Und doctorn auch nur an den Symptomen.
      Deswegen auch der Absturz der Partei.
      Und wer ehrlich ist muss zugeben, dass das Internet mehr Hass, Ausgrenzung und vorallem Umweltzerstörung geschaffen hat!!
      Kriege gehen um Rohstoffe und Besitz an Boden.
      Wir haben weltweit einen Elektroschrott!! Was eine Verschwendung von Rohstoffen für die nachfolgenden Generationen ist!! Politiker wollen diese Verschwendung auch nicht ändern. Weder Linke noch Rechte. Und immer mehr GELD BEI WENIFEN schafft noch mehr UMWELT UND SOZIALE Probleme!!
      ALSO Lebt Leute, scheiß egal.
      Die Menschheit ist eh schon verblödet!! Und starrt nur noch aufs Handy!!

      1. Falls Du keine „KI“ bist, solltest Du einen Kaffee trinken gehen und im Anschluss schauen, wem eigentlich der Beitragschreiber wohl meinte.
        TIPP:
        Den ersten Beitragsschreiber „Hans-Jörg“

        Habe Dir gerne geholfen ;-P
        Noch ein Kaffee?

  5. Ich lese immer „die Ampel“, aber seien wir doch mal ehrlich: Bei 9 von 10 Aussagen, die mit „die Ampel“ beginnen, müsste es eigentlich „die FDP“ heißen, denn die Grünen und die SPD waren sich selten extrem uneins und da wo man andere Position vertrat, da hätte man einen Kompromiss gefunden. Es war die FDP, die sich immer mit einem oder beiden uneins war und die Null Kompromissbereitschaft gezeigt hat.

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