VersammlungsfreiheitProjektion auf russische Botschaft verboten

Politische Projektionen auf Botschaften, Regierungsgebäude und den Bundestag bewegten sich schon immer in einer rechtlichen Grauzone. Das Berliner Verwaltungsgericht hat nun einer Demo verboten, im Rahmen ihres Protests die russische Botschaft mit einer politischen Nachricht zu bespielen.

Botschaftsgebäude mit Projektion. Zu sehen ist nur "Russia is a...."
Beamer-Protest auf der russischen Botschaft in den USA im Jahr 2022 bei einer Demonstration. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / ZUMA Wire

In Berlin sind politische Projektionen beliebt. Hierbei werden leistungsstarke Beamer genutzt, um repräsentative Gebäude mit politischen Botschaften zu bespielen. In der Regel wird dazu vorab keine Erlaubnis eingeholt. Greenpeace wirbt mit solchen Projektionen für Meeresschutz, andere Aktivist:innen beziehen so Position gegen die AfD. Auch netzpolitik.org hat schon einmal das Kanzleramt und ein Bundestagsgebäude mit Projektionen verziert.

Solche Projektionen befinden sich rechtlich in einer Grauzone. Meistens hat die Polizei keine Handhabe, um gegen solche Aktionen vorzugehen. Im Jahr 2016 hatte der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert kein Problem mit einer Projektion auf den Deutschen Bundestag. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte in einem anderen Fall aber gegen die Nutzung des Paul-Löbe-Hauses als Projektionsfläche geurteilt.

Das Berliner Verwaltungsgericht untersagte jetzt einer Demonstration eine Projektion auf die russische Botschaft. Ein Verein wollte im Rahmen eines Protests am 24. Februar Bilder und Videos auf die Außenwand der Botschaft übertragen und hatte dies bei der Versammlungsbehörde angemeldet. Die Berliner Polizei untersagte die Projektion, wogegen die Anmelder:innen einen Eilantrag beim Berliner Verwaltungsgericht stellten.

„Würde der diplomatischen Mission“

Der Antrag blieb allerdings erfolglos, wie es in einer Pressemitteilung des Gerichts heißt. Laut dem Beschluss der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG 1 L 57/24) beeinträchtige die geplante Projektion von Bildern und Videos auf Gebäudeteile der Botschaft die Würde der diplomatischen Mission. Nach dem Wiener Übereinkommen aus dem Jahr 1961 über diplomatische Beziehungen (WÜD) „treffe den Empfangsstaat die besondere Pflicht, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Räumlichkeiten einer diplomatischen Mission vor jedem Eindringen und jeder Beschädigung zu schützen und um zu verhindern, dass der Friede der Mission gestört oder ihre Würde beeinträchtigt wird“, so das Gericht.

Daraus folge zwar nicht, dass die Botschaft davor zu schützen sei, Kritik und entsprechende Meinungsäußerungen wahrzunehmen. Auch seien friedliche Demonstrationen vor diplomatischen Vertretungen grundsätzlich zulässig. Allerdings, so argumentiert das Gericht weiter, sei das „Erscheinungsbild des Botschaftsgebäudes als Repräsentanz eines Staates bei der Erfüllung diplomatischer Aufgaben essenziell“. Daher würden Projektionen die Gefahr bergen, dass der Botschaft „eine von ihr nicht geäußerte oder gebilligte Meinung unzutreffend zugeschrieben werde“.

In der Abwägung gibt das Gericht der Würde der diplomatischen Mission mehr Gewicht als der Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Demonstrierenden. „Die Unverletzlichkeit der Würde der am internationalen völkerrechtlichen Verkehr beteiligten Staaten sei unverzichtbare institutionelle Mindestvoraussetzung für das friedliche Zusammenleben der Staaten“, und sei im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, heißt es weiter in der Pressemitteilung.

Die Projektion zu untersagen, stelle demgegenüber einen geringfügigen Eingriff in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit dar, weil Demonstrationen vor Botschaftsgebäuden weiterhin stattfinden könnten. Den Veranstalter:innen der Demo schlägt das Gericht vor, eine Leinwand vor der Botschaft aufzustellen.

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Der Verein kann noch gegen ihn Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen.

Update 22.2.:
Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat den Beschluss des Landgerichts bestätigt.

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12 Ergänzungen

  1. Den Begriff „Würde“ mit einer diplomatischen Vertretung der Russischen Föderation in Verbindung zu bringen, ist an Dreistigkeit nicht überbietbar. Foltern und töten sie jetzt mit Würde?

    1. Auch ich bin darüber gestolpert. Kann ein Staat seine „Würde“ nicht auch verwirken, wenn er systematisch das Kriegsrecht und die Menschenrechte verletzt?

      1. Den Begriff der Würde auf Institutionen auszuweiten ist ohnehin ein Kunstgriff, der generell zu hinterfragen ist. So ausgeweitet wird proklamierte Institutions-Würde zu einem herrschaftlichen Macht-Instrument, mit der die Achtung vor Funktionsträgern eingefordert wird, ganz unabhängig von deren würdigen oder eben auch nicht würdigen Tun.

        Eine Institution verliert selbstverständlich ihre Würde, wenn sie sich nicht würdevoll verhält. Die Russische Föderation hat ihre Würde (nach unserem Sprachgebrauch) durch ihr Tun längst, und für jeden sichtbar nachhaltig verwirkt. Da ist nichts Respektables übrig, was gewürdigt werden kann. An die Stelle von Würde ist Einschüchterung, Folter und mordende Gewalt getreten, und das ständige Abstreiten von Verantwortung für das eigene schäbige Handeln.

      2. Noch(?) sind wir nicht im Krieg mit Russland.

        „Würde“ wird in diesem diplomatischen / rechtlichen Zusammenhang halt anders definiert. Wenn dann, falls so etwas erlaubt würde, im Gegenzug die Russen dann z.B. Propaganda auf die deutsche Botschaft projizieren würden hier auch alle Schnappatmung bekommen.

    2. Wie in dem Artikel korrekt zitiert, wird im Wiener Übereinkommen der Begriff „Würde“ verwendet, vielleicht ein wenig überstrapaziert für diesen Zweck. Einem Gedenkort für Kriegsopfer mag man noch „Würde“ zubilligen, aber Gebäuden aus denen würdelose Aktionen, wie der Tiergarten-Mord vorbereitet wurde?
      Das Verwaltungsgericht Berlin hätte mit sprachlicher Eloquenz das Wort „Würde“ vermeiden können, auch wenn es sich auf das Wiener Abkommen bezieht. Darin Besteht der eigentliche Skandal.

      1. Immer niedlich der Gedanke, man koenne sich rechtliche Grundlagen durch Wortvermeidung schoenluegen.

        Das Wiener Uebereinkommen ist darauf ausgerichtet, einen Kontakt, und damit Loesungsmoeglichkeiten, unter moeglichst allen Umstaenden offen zu halten. Dahinter stehen die Erfahrungen mit ein paar Jahrhunderten Krieg. Das versteht die konsequent auf Eskalation bis zum bitteren Ende getrimmte social media Meute natuerlich nicht.

        1. Vienna Convention on Diplomatic Relations Article 22

          2. The receiving State is under a special duty to take all appropriate steps to protect the premises of the mission against any intrusion or damage and to prevent any disturbance of the peace of the mission or impairment of its dignity.

          Wie Sie vielleicht aus dem Fenster beobachten konnten, war der Zugang zur Mission zu keinem Zeitpunkt erschwert. Ein Schaden an der Fassade entstand durch die Lichtprojektion nicht.

          Was nun „disturbance of the peace of the mission or impairment of its dignity“ anbelangt, könnte ja nur dann die Würde beeinträchtigt worden sein, wenn eine falsche Behauptung zu lesen gewesen wäre.

          Da Sie sich ja mit Zitat: „schoenluegen“ [Schreibweise wie im Original] gut auskennen, haben Sie ihre Wahrheit sicherlich schon im Köcher.

          1. Case in Point. Und deswegen haben viele Angst davor, den „moralischen Gutmenschen“ echte Macht zugeben.

          2. > Und deswegen haben viele Angst davor, den „moralischen Gutmenschen“ echte Macht zugeben.

            „Gutmensch“ ist bekanntlich ein abwertender politischer Kampfbegriff, der von der 5. Kolonne Moskaus, wie auch der Neuen Rechten im Westen gleichermaßen gerne gebraucht wird.
            https://de.wikipedia.org/wiki/Gutmensch

            Hätten Soldaten der Russischen Föderation bei ihrer Invasion der Ukraine ein Mindestmaß von Moral besessen, wären sie in Butscha nicht zu Kriegsverbrechern geworden.

            Die neuen Helden (in der ehemaligen Sowjetunion) sind jene, die hinter Gittern noch sagen: „Habt keine Angst!“ und „Fürchtet Euch nicht!“ Das macht wiederum den Feiglingen im Kreml so sehr Angst, dass sie diese ermorden.

  2. @die Vorposter
    Wir sollten doch wenigstens respektvoll mit Denen und Anderen umgehen. Wie sollen wir sonst zu einer Befriedung in der Region kommen? Wenn man denen die „Würde“ abspricht, kommen wir sicher nicht weiter. Die dort ansässigen Diplomaten vermitteln ja auch nach Russland und wenn die sich schon schlecht behandelt fühlen, wird es eben noch schwieriger Einigungen zu finden.

    1. Und niemand hier will einzelnen Personen ihre Menschenwürde absprechen, denn hier geht es um ein Gebäude und um eine Begründung des Berliner Verwaltungsgerichts, dass sich um die Tragweite des Begriffs „Würde“ wenig Gedanken gemacht hat.

      Und keine Sorge, Diplomaten der Russischen Föderation „fühlen“ sich stets schlecht behandelt. Das ist genau genommen schon Teil ihrer Ausbildung, damit sie ihre Opferrolle glaubhafter spielen können. Hier Wattebällchen anzuwenden wäre schon nicht mehr Appeasement sondern das Gegenteil angewandter Klugheit.

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