Auf den letzten MeternBiden und Trump wollen TikTok-Sperrung verhindern

Am Sonntag soll TikTok in den USA abgeschaltet werden. Aber die App bleibt eventuell doch. Und gerüchteweise soll Elon Musk sie kaufen. Nutzer:innen suchen derweil nach Alternativen – und wechseln zu einer App, die noch enger mit dem chinesischen Staat verbandelt ist.

Telefon mit Tiktok-Logo vor Trump-Porträt
In den USA hat TikTok 170 Millionen Nutzer:innen. Deren Aufmerksamkeit will sich Donald Trump nicht entgehen lassen. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / TheNews2

Die chinesische Social-Media-App TikTok wird in den USA möglicherweise doch nicht gesperrt, zumindest vorerst. Der Sender NBC hat aus Regierungskreisen erfahren, dass die Biden-Administration das für Sonntag geplante Verbot der App hinauszuzögern versucht. „Amerikaner sollten nicht erwarten, dass TikTok am Sonntag plötzlich gesperrt wird“, zitiert der Sender einen Regierungsmitarbeiter.

Ein im Frühjahr verabschiedetes Gesetz räumte ByteDance, dem chinesischen Anbieter von TikTok, 270 Tage ein, um die US-Sparte von TikTok zu verkaufen. Die Frist läuft am Sonntag ab. Laut Gesetz darf die App dann nicht mehr in US-amerikanischen App-Stores erhältlich sein. Nutzer:innen erhalten dann auch keine Updates mehr. Bis zu 5.000 Dollar Strafe drohen den App-Stores pro Mensch, dem sie TikTok weiter zugänglich machen.

Heute entschied der Supreme Court, dass das Verbot nicht gegen die Redefreiheit verstößt. Vergangene Woche Freitag hatte TikTok noch in einer Anhörung vor dem Supreme Court vergebens versucht, die Durchsetzung des Gesetzes zu verhindern. Daraufhin plante TikTok Berichten zufolge, die App zu Sonntag in den USA abzuschalten.

Trumps 180-Grad-Wende

Ebenfalls am Sonntag ist der letzte Amtstag von Joe Biden. Am Montag übernimmt Donald Trump die Regierungsgeschäfte. Trumps Team kündigte gestern an, nach Wegen zu suchen, die App weiter am Markt zu halten. Laut der Washington Post erwägt Trump eine Anordnung zu erlassen, allerdings ist unklar, ob diese juristisch Bestand hätte. Er kann das Verbot der App um drei Monate herauszögern, wenn es ernstzunehmende Verkaufsverhandlungen gibt.

Im Jahr 2020 hatte Trump noch den Verkauf TikToks in die Wege geleitet. Damals stoppte ein Gericht seine Pläne. Im jüngsten Wahlkampf vollzog der kommende Präsident dann eine 180-Grad-Wende und sprach sich entschieden gegen ein Verbot der App aus. Im Dezember bat Trump die Richter:innen, das Verbot aufzuschieben, um Zeit für eine politische Lösung zu haben. Zuletzt äußerte sich Trump positiv über die App und betonte ihre Bedeutung für den Wahlkampf. Außerdem zeigte er sein Wohlwollen gegenüber TikTok, indem er Geschäftsführer Shou Zi Chew als Ehrengast zu seiner Amtseinführung einlud.

Das der Sperrung zugrundeliegende Gesetz begründet der Kongress mit der nationalen Sicherheit. Durch die App könnten sensible Nutzer:innendaten in die Hände der chinesischen Regierung fallen. Oder diese könnte in den USA gezielt die öffentliche Meinung manipulieren. TikTok bestreitet die Vorwürfe und hat sich in der Vergangenheit wiederholt von der chinesischen Regierung distanziert.

Reißt sich Musk TikTok unter den Nagel?

Laut Bloomberg ziehen chinesische Funktionäre in Betracht, die Plattform an Elon Musk zu verkaufen – was TikTok allerdings dementiert. Musk selbst reagierte mit Lach-Smileys auf die Gerüchte.

Dennoch gibt es gute Gründe, warum ein Verkauf zustande kommen könnte. Das Geschäft mit Musk sei attraktiv für die chinesische Führung, sagt der Tech-Analyst Dan Ives. Der Milliardär ist nicht nur eng mit Trump befreundet, sondern pflegt auch gute Kontakte nach Beijing.

Außerdem verfolgt Musk offenbar weiterhin den Plan, eine „Everything-App“ zu schaffen – eine Plattform, auf der Nutzer:innen chatten, posten, Videos schauen und einkaufen können. Mit dem Kauf von TikTok könnte Musk diesem Ziel einen Schritt näherkommen. Die App könnte ihm außerdem Trainingsdaten für sein KI-Startup xAI liefern. Nach dem Kauf von Twitter änderte Musk dort die Nutzerrichtlinien, um die persönlichen Daten der Nutzer:innen verwenden zu dürfen.

Nicht zuletzt könnte Musk mit einem Kauf von TikTok auch ideologische Ziele verfolgen. Auf X schaffte der Milliardär Faktenchecks weitgehend ab und lockerte die Community-Guidelines. Heute ist X ein Ort für Hass und Hetze – und ein Sprachrohr für die MAGA-Bewegung. Das gleiche Schicksal könnte TikTok ereilen, falls ein Verkauf zustande kommt.

Nutzer:innen flüchten zur nächsten chinesischen Plattform

Währenddessen wechseln viele Nutzer:innen schon jetzt zu einer anderen chinesischen App: RedNote. RedNote gilt als eine chinesische Antwort auf Instagram. In den vergangenen Tagen stand die App fast durchweg auf Platz eins des US-amerikanischen Apple App Store, der Hashtag #TikTokRefugees trendete.

TikTok versucht, sich staatsfern zu geben. RedNote aber gehört zum chinesischen Technologiekonzern Tencent, der offenkundig Verbindungen zum chinesischen Militär hat. Laut Human Rights in China untersteht die App der direkten Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas. Schon der Name der App zeigt die Nähe zur Regierung: „Xiaohongshu“ bedeutet auf Englisch so viel wie „Little Red Book“. So wird auch die Mao-Bibel genannt.

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