Die bayerische Polizei wird in Zukunft Software des umstrittenen Überwachungskonzerns Palantir für ein so genanntes „Verfahrensübergreifendes Recherche- und Analysesystem“ (VeRA) einsetzen. Die Software soll verschiedene Datenbanken der Polizei miteinander verknüpfen.
In der Pressemitteilung der Polizei heißt es, dass man mit der technologischen Entwicklung Schritt halten müsse. Ziel sei es, die Analysefähigkeit der Polizei zur Bekämpfung und Verfolgung der schweren und organisierten Kriminalität und des Terrorismus erfolgreicher und schneller zu machen. Viel Text widmet die Pressemitteilung dem Datenschutz. So sei die Software nicht an das Internet angeschlossen, neue Daten würden nicht erhoben und Palantir sichere die Einhaltung der No-Spy-Klausel zu. Zudem würde ein unabhängiges Forschungsinstitut den Quelltext der Software prüfen, um mögliche Schadsoftware oder Hintertüren auszuschließen.
Kritik an Zweckentfremdung der Daten
Der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Thomas Petri spricht dem BR zufolge von einem massiven Eingriff in die Grundrechte sehr vieler Menschen. Laut einem Bericht der Legal Tribune Online sieht der Datenschützer, dass Millionen Menschen vom Einsatz der Software betroffen sein könnten. Es würde damit akten- und vorgangsübergreifend mit Datamining-Verfahren geforscht, was die Eingriffsintensität erheblich erhöhe. Petri hatte schon vor dem Zuschlag kritisiert, dass die ursprüngliche Erhebung der Daten zu ganz anderen Zwecken als der Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität geschehe. Wenn aber zu diesem Zweck automatisiert sämtliche Datenbanken durchsucht würden, seien diese Bereiche nicht mehr ausreichend getrennt, so der Petri laut einem Bericht des Spiegels.
Kritik gibt es auch am Ausschreibungsverfahren. Dieses sei „Palantir auf den Leib geschnitten“ sagt die linke Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg. Der Sprecher der bayerischen Grünen-Fraktion für Digitalisierung, Benjamin Adjei, spricht von einem „fragwürdigen Vergabeverfahren“.
Bundesweite Nutzung angekündigt
Die Einführung der Palantir-Software kann dazu führen, dass auch andere Polizeien in Deutschland diese nutzen. In der polizeilichen Pressemitteilung ist von einem „Projekt mit bundesweiter Bedeutung“ die Rede. Man habe einen Rahmenvertrag geschlossen. „Die neue Software kann nicht nur in Bayern zum Einsatz kommen“, sagt der Präsident des Bayerischen LKA Harald Pickert. „Polizeien von Bund und Ländern haben jetzt die Möglichkeit, ohne zusätzliche aufwändige Vergabeverfahren dieses innovative Analysesystem zu nutzen.“
Die bayerische Polizei ist nicht die erste in Deutschland, die auf Palantir setzt. Die Landesregierung in Hessen hatte die Anschaffung der Software freigegeben, die seit 2017 im Bundesland unter dem Namen „Hessen-Data“ eingesetzt wird. Die schwarz-grüne Landesregierung hat sich seitdem für eine Ausweitung eingesetzt. Indes weisen Bürgerrechtler:innen darauf hin, dass die Software im Konflikt mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung stehe. „Im Besonderen stellen Massendatenauswertungen, wie sie mit Hessen-Data möglich sind, den im Datenschutzrecht zentralen Zweckbindungsgrundsatz in Frage“, heißt es in einem Beitrag des Grundrechte-Reports von 2019 zum Thema.
Trotz dieser Warnungen hat seit 2020 auch die Polizei in NRW Software von Palantir in Betrieb. Die sogenannte „Datenbankübergreifende Analyse und Recherche“ (DAR) der Polizei NRW beruht auf der Software Gotham des US-Unternehmens Palantir. Auch die Europäische Polizeibehörde Europol nutzt Palantir für die Datenauswertung.
Palantir gehört unter anderem dem Investor Peter Thiel, der unter anderem wegen seiner Nähe zur amerikanischen Alt-Right-Bewegung in der Kritik steht. Thiel war ein Unterstützer von Donald Trump und finanziert konservative und republikanische Kampagnen in den USA. Thiels Ideologie des Monopols prägt auch die Kultur und Ausrichtung des Silicon Valley und seiner marktdominanten Konzerne wie Facebook.
Palantir hatte zudem eine unrühmliche Rolle im Skandal um Cambridge Analytica, in der der Überwachungskonzern bei der Auswertung der von Facebook abgezogenen Daten mitgeholfen haben soll. Der 2004 gegründete Überwachungskonzern hat eine große Nähe zum amerikanischen Sicherheit- und Geheimdienstapparats, zu seinen Kunden gehören unter anderem die CIA, die NSA und das FBI.
Zum Thema Vertrauen: Wie wärs denn mit einer Offenlegung des Source Codes? ;) Stichwort Open Source
Wie könnte man sich dagegen (juristisch) wehren? Reicht es, aus Bayern zu sein, um eine Klage gegen diese Maßahme einzureichen oder muss man „stärker betroffen sein“, also z.B. den Nachweis haben, dass seine Daten in einer der verknüpften Datenbanken steht?
Gerade im Hinblick auf die Zweckbindung der Datenerhebung ist dieses Vorhaben ein offenkundiger Verstoß gegen Grundrechte und hat daher meines Erachtens gute Aussichten auf Erfolg vor Gericht.
Eine Nachfrage. Was heißt konkret „Palantir den Zuschlag für eine Verknüpfung polizeilicher Datenbanken gegeben. „Welche Datenbanken“ (welche sind konkreter gemeint) „der Polizei“ (welche ist gemeint) sollen da mit welcher Software verknüpft werden.