Wochenrückblick KW 3Deutsche Verwaltung trifft auf Coronapandemie

Gesundheitsämter setzen noch immer auf Insellösungen statt auf Open-Source-Software, Microsoft Teams-Zwang in Schulen, ein neues Social-Media-Gesetz in der Türkei, neue Drohnen im Mittelmeer und ein neuer Transparenzbericht. Wir schauen gemeinsam auf die vergangene Woche.

Ein roter Panda schläft auf einem Baum.
Etwas verschlafen starten wir gemeinsam ins Wochenende. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Lance Anderson

Liebe Community,

diese Woche wurde der zweite Lockdown verlängert und verschärft. Das ist gut und nötig. Doch die dunklen Winterwochen, das bedrückend alltägliche Vernehmen der viel zu hohen Opferzahlen und die mangelnde Kinderbetreuung fangen langsam an, sich auf unsere kollektive Psyche auszuwirken. Das alles geht auch an unserer Redaktion nicht vorbei. Da ist auch das Ende der Amtszeit von Donald Trump kaum mehr als ein kurzes Aufatmen in einer Reihe langer Seufzer. Umso wichtiger ist es jetzt nachsichtig miteinander zu sein, wenn sich die Dinge gerade etwas schwieriger anfühlen als sonst.

Gerade im Homeoffice verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem immer mehr, gerade jetzt, wo es, nach der Sonne zu schließen, kaum mehr erkennbare Tageszeiten zu geben scheint. Das EU-Parlament fordert deshalb ein „Recht auf Abschalten“. In einer Resolution heißt es, Nichterreichbarkeit ist ein Grundrecht, das „untrennbarer Bestandteil der neuen Arbeitsmuster im neuen digitalen Zeitalter ist“. Bevor die Arbeitswoche aber ganz vorbei ist und die Bildschirme schwarz werden, schauen wir gemeinsam zurück.

Kafkaeske Verwicklungen

An vielen deutschen Schulen kommt Microsoft Teams im Online-Unterricht zum Einsatz. Was aber, wenn Schüler:innen nicht wollen, dass ihre persönlichen Daten mit Microsoft geteilt werden? Lukas Wagner ist so einer – als er die Datenschutzpraxis seiner Schule kritisiert, wird ihm vorgeschlagen einfach nicht am Online-Unterricht teilzunehmen. In einem Gastbeitrag berichtet er von seinen Erfahrungen.

Die Kontaktverfolgung in Deutschland kommt der Realität nur schleppend hinterher. Weniger als ein Drittel der Gesundheitsämter nutzt moderne Software, der Rest arbeitet mit Insellösungen, Excel und Fax. Dabei wäre die Umrüstung eines Amts auf die schon länger zur Verfügung stehende quelloffene Software Sormas innerhalb von 48 Stunden durchführbar. Doch bei den Kommunen gibt es Ablehnung.

Die Chefs von Bund und Ländern wollen bei deshalb mit mehr Arbeitskraft Abhilfe schaffen. Studierende sollen ausgebildet werden, um in den Semesterferien für Ämter Kontaktverfolgung zu betreiben.

Kafkaesk fühlt es sich auch an, wenn man versucht ein Abonnement von Amazon Prime zu kündigen. Sogenannte Dark Patterns stellen den Nutzer:innen so viele Hürden in den Weg, dass sie am Ende oft aufgeben. Norwegische Verbraucherschützer haben den Konzern deshalb verklagt.

Politik mit Nebenwirkungen

In der Türkei verpflichtet ein neues Social-Media-Gesetz Online-Dienste dazu, strenge Auflagen zu befolgen. Die autoritäre Regierung des Präsidenten Recep Erdoğan festigt damit ihre Kontrolle über mediale Berichterstattung weiter, nachdem immer wieder Journalist:innen vor Gericht oder im Gefängnis landen. Nach etwas Zögern erklärten sich aber fast alle großen Plattformen bereit, den Auflagen nachzukommen. Darunter Facebook, YouTube, TikTok, LinkedIn, Dailymotion und VKontakte.

Der neue US-Präsidents Joe Biden kann für zumindest zwei Jahre auf eine Mehrheit in beiden Häusern des US-Kongress bauen. Lange konnten Tech-Giganten sich über wenig Regulierung und zugedrückte Augen freuen. Das könnte sich nun ändern. Tomas Rudl hat sich angeschaut, welche offenen Rechnungen es mit dem Silicon Valley zu begleichen gilt.

Nach unserer Investigativrecherche mit dem Signals Network letzte Woche, haben nun Abgeordnete aus vier Fraktionen auf die Vorwürfe gegen Huawei reagiert. Die Ergebnisse werden als „besorgniserregend“ bezeichnet – in Hinblick auf ein neues Investitionsabkommen zwischen der EU und China könnte die Geschichte langfristige Folgen haben.

Wir werden in Zukunft wohl nur noch selten vom Ex-Präsidenten der USA, Donald Trump, hören. Schon kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt wurden diverse seiner Social-Media-Accounts gesperrt. Längst überfällig sagen die einen; ein Anzeichen zu großer Macht in der Hand weniger Tech-Giganten sagen die anderen. In unserem Podcast haben wir mit Expert:innen über die verschiedenen Implikationen gesprochen.

Eine der ersten Kritikerinnen der Accountsperren von Trump war Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dabei verstrickt sie sich vor allem in Widersprüche, meint Julia Reda in ihrer Kolumne.

Bewegungen des Militärs

Sieben Militärdrohnen des Typ „Global Hawk“ sind jetzt auf Sizilien stationiert und sind bereits erste Missionen geflogen. Im Rahmen eines NATO-Programms sollen sie „bildgebende Aufklärung“ in Richtung Lybien und Russland betreiben. Die zwei größten Beitragszahler sind Deutschland und die USA.

Die Bundeswehr hat schon in den 1960ern unbemannte Systeme zur Aufklärung geflogen. Laut Antworten auf parlamentarische Anfragen verfügt die Bundeswehr heute über fast 1.000 unbemannte Drohnen. Nicht mitgezählt wird etwa jede siebte Drohne – so viele stürzen nämlich ab oder werden in einer Notlandung zerstört. Matthias Monroy hat einen Überblick über die Geschichte von Drohnen in Deutschland geschrieben.

Frontex will mit einer neuen Software „Risiken“ auf den Meeren der Europäischen Union automatisiert erkennen. Eine Künstliche Intelligenz soll Fremdkörper bewerten und in einer „Bedrohungskarte“ visualisieren. Die israelische Firma Windward liefert die Anwendung und wirbt dafür mit dem Slogan „Fangen Sie die Bösewichte auf See“.

Und sonst so?

Justuy Dreyling, der die Wikimedia bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum vertritt, berichtet in der neuesten Ausgabe seiner Reihe über die letzte, virtuelle Tagung des Ausschusses für Urheberrecht. Inhaltlich ist er enttäuscht, dabei wäre es gerade jetzt an der Zeit, Sonderregeln für Krisensituationen zu finden – für digitalen, länderübergreifenden Unterricht zum Beispiel.

In eigener Sache nahmen wir uns diese Woche noch einmal die Zeit, vergangene Arbeiten unserer Redaktion zu würdigen. In einem Videoausschnitt aus unserem Jahresrückblick erzählt Chris Köver von ihren Recherchen zur Moderation von Inhalten auf TikTok, die international Wellen geschlagen haben. Unser EU-Korrespondent Alexander Fanta erzählt wiederum aus seinem Brüsselbüro im Wiener Exil wie es ist, aus der Ferne über EU-Politik zu berichten. Außerdem hat Stefanie unseren Transparenzbericht vom November veröffentlicht.

Wir wünschen euch ein schönes, ruhiges Wochenende!

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