Die EU macht Ernst mit der Plattformregulierung: Die Anti-Terrorpropaganda-Verordnung kommt und manche sagen, sie sei eine Art Copyright-Richtlinie auf Steroiden. Aber worum geht es bei der „Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte“, mit der die EU Radikalisierung im Internet verhindern möchte, eigentlich?
Das besprechen wir in einer neuen Folge NPP mit Elisabeth Niekrenz. Die Juristin ist seit Anfang des Jahres politische Referentin bei der Digitalen Gesellschaft und warnt vor der Verordnung. Diese könne instrumentalisiert und zu einem „Export von Meinungsfreiheitsbeschränkungen“ genutzt werden. Selbst ohne böse Absicht kann die hochgradig politische Definitionsfrage, was eigentlich „terroristische Inhalte“ sind und wie sie erkannt und bekämpft werden, gravierende Auswirkungen auf die digitale Öffentlichkeit haben.
Ein Podcast über Plattformen, Definitionsmacht und Meinungsfreiheit.
Hintergrund: Was auf dem Spiel steht
Der im Herbst vorgestellte Verordnungsentwurf der EU-Kommission zielt darauf ab, mutmaßlich terroristische Inhalte aus dem Netz zu entfernen. Dies soll die Radikalisierung von Nutzern eindämmen und in einem weiteren Schritt dazu führen, dass weniger Terroranschläge verübt werden, führte jüngst die Justizkommissarin Věra Jourová gegenüber netzpolitik.org aus.
Umsetzen will die Kommission das mit einer engmaschigen Zensurinfrastruktur, die für alle in Europa tätigen Online-Dienste gelten soll. Innerhalb von nur einer Stunde müssten sie auf einen Hinweis von Behörden reagieren und mutmaßlich terroristische Inhalte auf ihren Plattformen sperren oder löschen.
Zudem sieht ihr Gesetzesentwurf „proaktive Maßnahmen“ vor, also Uploadfilter, mit denen die Anbieter solche Inhalte direkt nach dem Hochladen erkennen, einschätzen und gegebenenfalls entfernen sollen. Im Falle von Verstößen kann der Einsatz von Uploadfiltern angeordnet werden, hohe Geldstrafen sollen für Abschreckung sorgen.
Während die EU-Mitgliedstaaten den Vorschlag der Kommission in Rekordzeit und inhaltlich fast deckungsgleich angenommen haben, legte das Parlament erst vor wenigen Tagen seine Position fest. Dabei gelang es den Abgeordneten zwar nach zähen Verhandlungen, besonders gefährliche Bestimmungen wie die Uploadfilter oder grenzüberschreitende Löschanordnungen aus dem Entwurf zu werfen. Auf Drängen der Konservativen blieb jedoch die einstündige Frist enthalten. Wir besprechen, was das bedeutet und wie es mit dem Gesetzesvorhaben weitergeht.
NPP172 zur Anti-Terrorpropaganda-Verordnung der EU:
Hier ist der Link zum Download von NPP172 zur EU-Anti-Terrorpropaganda-Verordnung als mp3-Datei.
Alternativ bieten wir NPP172 zur EU-Anti-Terrorpropaganda-Verordnung auch als ogg-Datei zum Download.
Shownotes:
- Vorschlag für eine Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte
- Datenbank des EU-Parlaments mit allen relevanten Dokumenten und Entwicklungen
- Die Stanford-Forscherin Daphne Keller über den EU-Verordnungsentwurf, privatisierte Rechtsdurchsetzung und den Export von Meinungsfreiheitsbeschränkungen
- Archive.org über die Problematik zu breit gefasster Löschersuchen
- EU-Kommission will Terrorismus mit Upload-Filtern und automatischen Systemen bekämpfen
- EU-Innenminister segnen großflächige Internetzensur mit Uploadfiltern ab
- EU-Parlament unterstützt einstündige Löschfrist für „terroristische“ Inhalte
- Christchurch: Es gibt keine technische Lösung für rechten Terrorismus
- Terror Content Regulation: Die Vorschläge von Kommission und LIBE-Ausschuss im Überblick
- Die Internetpolizei: Wie Europol unliebsame Inhalte löschen lässt
- Plattformen: Die Zukunft von „Notice und Takedown“ in Europa
- Unsere bisherige Berichterstattung, von der „freiwilligen Selbstregulierung“ über den Verordnungsentwurf der Kommission bis hin zu den aktuellsten Entwicklungen
- Unsere bisherige Berichterstattung über Europols Meldestelle für Internetinhalte
- Unsere bisherige Berichterstattung über das „EU Internet Forum“
- Alle Folgen von „NPP – Dem Netzpolitik-Podcast“
- Die Digitale Gesellschaft auf Twitter
Mich würde interessieren, was der Unterschied zwischen einer einfachen, einer aktiven und einer „proaktiven Maßnahme“ ist.
Zur Debatte stehen zwei Ansätze: Die Kommission und der Rat wollen „proaktive Maßnahmen“, das Parlament will „spezifische“.
Als proaktive Maßnahme gilt u.a. die „Verwendung automatisierter Werkzeuge“, um (siehe Artikel 6[2])
Das Parlament wiederum sieht folgendes als „spezifisch“ an:
Danke für den beeindruckenden Podcast!
Ich möchte auch wissen, welche (- Justiz-… oder unabhängige-… ) Behörde in Deutschland Löschungen bei Plattformen anfordern würde, falls die EU-Richtlinie kommt.
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In Artikel 5 GG steht: eine Zensur findet nicht statt.
Bisjetzt ist es keine Zensur, wenn Europol / IRU Löschvorschläge melden an Plattformen, auf die gleiche Art, die wir alle in Anspruch nehmen können, und bei der die Plattform selbst entscheidet, ob sie löscht.
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Sobald eine Behörde mit dieser Richtlinie in der Hand zwingend an eine Plattform meldet, wird es jedoch Zensur: => also müssten dann doch die Grundlagen gelten, die wir bisher aus den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zu Artikel 5 haben, sonst wäre es ein Widerspruch zum Wesensgehalt des Grundgesetzes. Muss es dann nicht glasklare Definitionen geben, was überhaupt zur Löschung vorgegeben werden darf?
Danke. Wie im Podcast besprochen konnte oder wollte das BMI unsere Presseanfragen nicht beantworten. Wir erwarten jedoch in Kürze eine Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage, die genau diese Frage stellt. Wir sind gespannt, ob es mittlerweile mehr dazu gibt.
Die Antwort auf die Kleine Anfrage ist mittlerweile öffentlich und leider nicht sonderlich ergiebig.
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/094/1909413.pdf
Jedenfalls sind Stand jetzt das Bundeskriminalamt und einige Landeskriminalämter am „Trusted Flagger Program“ beteiligt. Vermutlich wird das in Zukunft so weitergeführt werden, aber wir werden sehen.
https://netzpolitik.org/2018/eu-kommission-droht-mit-gesetzgeberischen-massnahmen-zur-entfernung-von-internetinhalten/
Der Art. 5 (1) GG im Wortlaut:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Da bereits der Hauptartikel wie viele anderen aus CDUCSUFDPSPDGRÜNELINKEAFD von einer „Meinungsfreiheit“ faseln, die es weder in unserem GG noch sonstwo in unseren Gesetzen gibt, kann jeder Itzig frank und frei behaupten, dass die Meinungsfreiheit, die nicht als Sache nicht als Freiheit auch nicht als Recht und nicht einmal als geistige Vorstellung zu existieren vermag auch nicht zensiert wird.
Dass dagegen unser aller, nämlich eines/r jeden Recht auf freie Meinungsäußerung und -verbreitung wie auch sich ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen unterrichten darf seit mehr als 60 Jahren durch die Länderpressegesetze und die gesamte Presse unseres Landes mit Füßen getreten wird und genau durch die Verantwortlichen (Redakteuren und Verleger) der „freien“ Presse eine permanente millionenfache und uns, den Trägern des Rechts, entmündigende Zensur stattfindet, erachten bereist nahezu alle als normal und rechtens, zumindest, wenn es gegen Personen gerichtet ist, deren Meinungen wir nicht teilen. und falls es gegen unsere Meinung gerichtet ist als ungerecht. Wie korrumpiert muß ein Inhaber des Rechts auf freie Meinungsäußerung für jeden sein, dieses Recht für den Schutz seiner eigenen privaten Meinung billigend in Kauf zu geben, zu opfern und aufzugeben, damit derjenige dessen Meinungsäußerung einem missfällt einer „gerechten Zensur“ unterworfen werden darf. Und was ist, wenn Deine Meinung irgendwann mal in der Minderheit und als mißliebig gilt?
Wenn wir unser aller Recht aus Art. 5 (1) GG nicht schleunigst wieder herstellen und uns unsere 20 verbrieften Grund-, Schutz- und Abwehrrechte gegen den Staat, wie es das BVerfGer in einem Urteil von 1958 zu urteilen pflegte, für uns wiedergewinnen, sehe ich nichts als schwarzbraun für die Zukunft
Die Episode scheint im Feed bei Pocket Casts noch nicht aufzutauchen. Die letzte dort gezeigte Folge ist NPP171. Wäre schön, wenn das jemand fixen könnte ;-)
Danke vielmals
Danke dir für den Hinweis! War ein dem Osterwochenende geschuldeter interner Fehler.
NPP172 kann bei Itunes nicht abgespielt/runtergeladen werden – angezeigt wird er aber.
Danke für den Hinweis, wir sehen uns das an.