Treffen bei Europol: EU-Mitgliedstaaten sollen Umgehen von Verschlüsselung lernen

Die verschlüsselte Telekommunikation stellt europäische Polizeien und Geheimdienste vor Probleme. Bei Europol fand nun ein Workshop von Strafverfolgungsbehörden statt. Die Polizeiagentur in Den Haag könnte zum „Kompetenzzentrum“ ausgebaut werden, das den EU-Mitgliedstaaten Hilfe bei der Entschlüsselung anbietet.

Bei der Polizeiagentur Europol in Den Haag könnte nach einem „Expertentreffen“ ein „Kompetenzzentrum“ gegen Verschlüsselung entstehen. CC-BY 3.0 JurgenNL

Gleich mehrere Abteilungen des Bundeskriminalamtes (BKA) nahmen an einem „Expertentreffen“ teil, das den Zugang von Strafverfolgungsbehörden zu verschlüsselter Kommunikation erörtert hat. So steht es in der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage von Inge Höger (Linke). Die Bundestagsabgeordnete hatte sich nach den Inhalten und Teilnehmenden eines Workshops erkundigt, der vor zwei Wochen bei der Polizeiagentur Europol in Den Haag abgehalten wurde.

Das Europol-Treffen hatte die damalige slowakische Ratspräsidentschaft im Herbst vergangenen Jahres angeregt. Nach Auswertung eines Fragebogens zur Problematik verschlüsselter Telekommunikation schlug die Regierung in Bratislava einen „Reflexionsprozess“ vor, in dem nach „praktischen Lösungen“ für die Herausgabe von verschlüsselte Daten gesucht werden soll. Dem Vorschlag zufolge könne auf die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften zurückgegriffen werden, die derzeit im Bereich elektronischer Beweismittel („e-evidence“) vereinheitlicht werden soll. Dabei geht es unter anderem um die Zusammenarbeit mit Internetdienstleistern zur Herausgabe verschlüsselter Daten.

Auch Großbritannien an Bord

Verantwortlich für die Durchführung des Treffens war das „Europäische Zentrum zur Bekämpfung der Cyberkriminalität“ (EC3), das bei Europol vor vier Jahren an den Start ging. Zu den weiteren Teilnehmenden gehörten Behörden aus Belgien, Österreich, Irland, Slowenien, Kroatien, Schweden, Dänemark, Finnland, Italien, Lettland und den Niederlanden.

Trotz des drohenden Ausscheidens bei Europol war auch Großbritannien bei dem Treffen voll vertreten. Nach den jüngsten Anschlägen in Manchester und London hatte die Premierministerin Theresa May eine verstärkte Überwachung des Internet angekündigt. Zur Herausgabe elektronischer Beweismittel verhandelt die britische Regierung derzeit ein Abkommen mit den Vereinigten Staaten. Hierunter könnten auch verschlüsselte Daten fallen. Die Regierung in Washington hat der Europäischen Union angeboten, den britisch-amerikanischen Vertrag später auch für andere Mitgliedstaaten zu übernehmen.

BKA beklagt Verbreitung von Verschlüsselung

Im Rahmen des „Informationsaustauschs zu Aspekten der Verschlüsselung“ hat das BKA in Den Haag vermutlich zur geplanten Gesetzesänderung in Deutschland vorgetragen. Das Bundesinnenministerium will die Schwelle zum Einsatz staatlicher Trojaner deutlich herabsetzen und auch für Straftaten wie Hehlerei oder Drogenhandel erlauben. Mit der Schadsoftware könnten Tastatureingaben vor oder nach einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mitgelesen werden. Die Verschlüsselung würde auf diese Weise zwar nicht gebrochen, aber nutzlos gemacht.

Diese „deutsche Lösung“ steht im Gegensatz zu einem französischen Vorschlag, der von den Herstellern den Einbau von Hintertüren in Verschlüsselungssoftware fordert. Die beiden Regierungen hatten ihre konträre Haltung in einem Schreiben an die Europäische Kommission erläutert. Seit vergangenem Sommer wurde das Papier in hochrangigen Arbeitsgruppen beraten, darunter im Ständigen Ausschuss für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit (COSI), im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV-2) sowie im Rat für Justiz und Inneres.

Europol als „Kompetenzzentrum“ zur Entschlüsselung

Die TeilnehmerInnen des Expertentreffens bei Europol wollen nun weitere Fallstudien durchführen, um die Verbreitung von Verschlüsselungstechniken und ihre Auswirkungen auf die Strafverfolgung zu untersuchen. In der Anhörung zum Einsatz von Staatstrojanern hatte der BKA-Vizepräsident Peter Henzler hierzu vorgetragen, dass beispielsweise bei politisch motivierter Kriminalität aus dem linken Spektrum fast jeder vierte Datenträger verschlüsselt gewesen sei. Laut dem Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Michael Greven, ist der für die Polizeibehörden auswertbare Anteil an der Kommunikation nur noch marginal und nehme „weiter rasant“ ab.

Weiterhin steht zur Debatte, bei Europol ein „Kompetenzzentrum“ zur Entschlüsselung von Telekommunikation einzurichten. Zwar würden keine Inhalte direkt an Europol ausgeleitet, die Behörden der Mitgliedstaaten könnten die Polizeiagentur um entsprechende Dienstleistungen ersuchen. Auch das im vergangenen Jahr gestartete „Europäische Justizielle Netz für Cyberkriminalität“ (EJCN) ist mit der Sondierung entsprechender Maßnahmen auf Ebene der Staatsanwaltschaften befasst. Zu den Vorschlägen gehört auch, Europol oder womöglich die Europäische Polizeiakademie mit Sitz in Budapest mit Schulungen zu beauftragen.

Legislativvorschlag der Europäischen Kommission?

Übermorgen soll sich das Treffen der Innen- und JustizministerInnen in Luxemburg damit befassen. Dort will die Europäische Kommission ihren Vorschlag mit „drei oder vier Optionen“ zum Zugang zu elektronischen Beweismitteln vorlegen. Dann wird auch der Vorhang zur Frage gelüftet, ob in Brüssel ein EU-weiter Legislativvorschlag zum Zugang zu Verschlüsselung vorbereitet wird.

2 Ergänzungen

  1. also wie ist das jetzt mit dem privaten passwort. wenn jemand angeklagt wird, muss er sein passwort herausgeben? oder kann er aussage verweigern um sich nicht selbst zu belasten? ist das paradox?

    1. Ein Zeuge darf u.a. bereits dann schweigen, wenn er sich die Gefahr zuziehen würde sich selbst zu belasten.
      Ein Angeklagter darf in D stets ohne Angabe von Gründen schweigen; er darf das bereits als Beschuldigter.

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