Das Kanzleramt muss auf unsere Klage hin Teile eines Kabinettsprotokolls zum Beschluß des viel kritisierten Leistungsschutzrecht für Presseverleger (LSR) herausgeben. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in der vorvergangenen Woche geurteilt, nachdem wir geklagt hatten. Wie aus der Urteilsbegründung hervorgeht, muss das Kanzleramt auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) Zugang zur Teilnehmerliste der Kabinettsitzung am 29. August 2012 gewähren, an dem das Kabinett über das Leistungsschutzrecht beriet – nicht jedoch zum Kurzprotokoll selbst.
Wir hatten im Sommer 2013 per Informationsfreiheitsanfrage das Kabinettsprotokoll vom 29. August 2012 haben wollen. In der Sitzung wurde das Leistungsschutzrecht beschlossen. Uns interessierte vor allem die Rolle des damaligen Staatsminister im Kanzleramt, Eckart von Klaeden (CDU), dessen Bruder Dietrich von Klaeden für den Axel-Springer-Verlag massiv für die Einführung des Leistungsschutzrechts lobbyierte. Unsere Anfrage wurde damals abgewiesen. Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit erklärte im 4. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit, dass diese Entscheidung zumindest diskussionswürdig sei. Das fanden wir auch.
Wir haben daraufhin geklagt, und das Verwaltungsgericht Berlin hat in erster Instanz geurteilt, dass wir zumindest die Teilnehmerliste erhalten, aber leider nicht den Auszug des Kabinettsprotokolls zu dem für uns interessanten Tagesordnungspunkt.
Ansgar Koreng von der Kanzlei „JBB Rechtsanwälte“, der uns vor Gericht vertritt, sagt dazu: „Das Gericht hat klargemacht, dass Kabinettsprotokolle – anders als das Bundeskanzleramt meint – jedenfalls nicht allgemein vom Informationszugang ausgeschlossen sind. Aber das Urteil ist noch nicht der Erfolg, den wir uns erhofft haben.“
Neben der Teilnehmerliste wollten wir nämlich auch Zugang zum Protokoll der Kabinettssitzung haben, um zum Beispiel kontrollieren zu können, wie stark der Einfluss von Interessengruppen auf die Gesetzgebung beim LSR war – angesichts grober Fehler im Gesetzgebungsprozess eine Frage von großem öffentlichen Interesse.
Widersprüchliche Urteilsbegründung
Damit hat unsere Klage neben dem konkreten Fall auch eine grundsätzliche Bedeutung, weil verhandelt wird, ob Protokolle aus Regierungsberatungen auf Antrag herausgegeben werden müssen. Wir glauben, dass die Öffentlichkeit die Möglichkeit haben muss – womöglich mit einem gewissen zeitlichen Abstand -, auch Zugang zu Kabinettsprotokollen zu bekommen, wie es in anderen Ländern wie den USA absolut üblich ist.
Um das zu klären, gehen wir in Berufung und klagen vor dem Oberverwaltungsgericht.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist in diesem Punkt widersprüchlich. Zum einen stellt es fest, dass ein Zugang zu Informationen aus Protokollen grundsätzlich möglich sein muss und zwischen öffentlichem Interesse und Geheimhaltung abgewogen werden muss:
Besonders hohes Gewicht kommt dabei dem Informationsinteresse zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung geht.
Zum anderen steht in dem Urteil jedoch, dass das Protokoll nicht herausgegeben werden darf, weil sich Kabinettsmitglieder als Folge in Sitzungen nicht mehr frei äußern würden. Weil das für Kabinettsprotokolle aber theoretisch immer angeführt werden könnte, käme diese Argumentation einer grundsätzlichen Ablehnung für Anfragen nach Protokollen gleich.
Wir gehen in Berufung
Dazu Ansgar Koreng: „Man muss schon sagen, dass wir hier auf juristisch noch völlig unerforschtem Gebiet unterwegs sind und daher der Ausgang des Berufungsverfahrens nicht seriös prognostiziert werden kann. Aber es wäre wünschenswert, wenn das Oberverwaltungsgericht sich nochmal mit dem klaren Widerspruch auseinandersetzen würde, der darin liegt, dass das Verwaltungsgericht zwar einerseits nicht von einer Bereichsausnahme sprechen möchte, andererseits aber die Hürden faktisch derart hochsetzt, dass wir doch bei einer Bereichsausnahme sind.“
In anderen Punkten ist das Urteil sehr erfreulich: Das Gericht stellt fest, dass personenbezogene Daten wie Namen von Regierungsmitgliedern keinen besonders hohen Schutz genießen und damit Anträge nicht grundsätzlich abgelehnt werden dürfen. Das öffentliche Interesse an den Daten ist im Fall des Protokolls höher als das private Interesse an Geheimhaltung.
Außerdem trifft der Schutz des „Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung“ hier nicht zu, eine etwas obskure und nicht im IFG selbst vorgesehene Ausnahme vom Informationszugang, die vom Bundesverfassungsgericht ursprünglich für Untersuchungsausschüsse entwickelt wurde. Sie wird häufig als Argumentation genutzt, um selbst Abgeordneten Informationen über Entscheidungsprozesse auf Regierungsebene vorzuenthalten.
Einstufung als „geheim“ hält Überprüfung nicht stand
Dass das Protokoll übrigens vom Kanzleramt recht willkürlich als „geheim“ eingestuft wurde, interessierte das Verwaltungsgericht nicht besonders. Eine solche Einstufung bedeutet nach dem IFG zwar theoretisch, dass man die im Dokument enthaltenen Informationen nicht herausgeben darf. Gerichte können die Einstufungen jedoch überprüfen und – wie hier – zu einem anderen Ergebnis kommen.
In dieser Hinsicht verwundert die Entscheidung des Gerichts nicht: Eine Einstufung des Protokolls zum LSR als „geheim“ würde voraussetzen, dass die Veröffentlichung der Information „die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann“.
Mit einem Gerichtstermin vor dem Oberverwaltungsgericht ist bei üblicher Bearbeitungszeit erst 2018 zu rechnen. Der Gang vors Verwaltungsgericht hat uns bisher etwa 2.000 Euro gekostet, für die nächste Instanz sind je nach Ausgang bis zu 2.650 Euro fällig. Zur Unterstützung der Klage freuen wir uns über Spenden.
Das wäre ja noch schöner, wenn ich als Steuerzahler und domit Arbeitgeber und Lohnzahler sämtlicher Parlamentsmitglieder und Parlamentarier, Regierungsmitglieder und -angestellter nicht mehr erfahren dürfte was in meinem Namen, an meiner Stelle, für und über mich entschieden wird!
Ist ja interessant! Wie kann man ein Gericht dazu auffordern, zu überprüfen?
nennt sich „Klage“. [rolleyes]
Dass das Protokoll übrigens vom Kanzleramt recht willkürlich als „geheim“ eingestuft wurde, interessierte das Verwaltungsgericht nicht besonders.
Die Regierung wird nicht davon ausgehen, die Sache damit wirklich dauerhaft geheimhalten zu können. Nur kann man so halt die Sache durchdrücken ohne lästiges Demokratiegebimmel. Anschließend kann man es aussitzen.
Und solange missbräuchliche Einstufungen absolut keinerlei Konsequenzen haben – im Endeffekt sogar eher belohnt als bestraft werden, wird sich an dieser Praxis auch nichts (zum Besseren hin) ändern.
der erste Absatz war ein quote.. :( Hint: evtl wäre eine Zeile mit Hinweisen zu Tags für Zitat, Fett-/Schrägschrift sinnvoll. Das wird ja in Foren immer irgendwie anders gemacht. Was gilt hier? Spitze klammer, eckige Klammer und dann ‚q‘ oder ‚quote‘? :|
HTML-Grundregeln.