Netzpolitischer Wochenrückblick KW 9: Der Cyberzähler läuft heiß

Der Ailurus Fulgens, gemeinhin bekannt als Roter Panda (Foto: brunswyk unter CC BY-SA 3.0)

In dieser Woche haben uns nicht nur die Morddrohungen gegen einen Sahnetorten-werfenden Clown beschäftigt, sondern auch die Pläne für ein gemeinsames polizeiliches Überwachungszentrum und die Cyberaktivitäten der Bundeswehr.

Im Folgenden der Überblick über die wichtigsten Themen und Artikel der letzten sieben Tage, der auch als Newsletter abonniert werden kann.

Staatsvertrag zum Geheimen Überwachungszentrum

Regelmäßig werden durch anonyme Quellen Dokumente aus öffentlichen Behörden und Unternehmen geleakt. Auch die Berichterstattung von netzpolitik.org basiert auf solchen Informationen. Eines unserer Grundprinzipien ist es, uns zugespielte Dokumente wenn möglich auch zu veröffentlichen und durch einen Artikel einzuordnen. Unsere Redakteurin Anna Biselli hat in einem Beitrag für das Magazin prager frühling über die Bedeutung von Leaks für die öffentliche Debatte geschrieben:

Leaking ist Transparenz von unten, wo der Staat verfehlt, von sich aus genügend Informationen bereitzustellen, um eine gesellschaftliche Diskussion über Grundrechtsgefährdungen zuzulassen.

In dieser Woche haben wir gleich mehrere Dokumente veröffentlicht. Unter ihnen den Entwurf für den Staatsvertrag zum Geheimen Überwachungszentrum. Die Bundesländer Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen planen die Telekommunikationsüberwachung ihrer Polizeibehörden in einer zentralen Behörde zu bündeln. Über die Aufgaben, Befugnisse und Kosten dieser Behörde gibt es im Staatsvertrag nun endlich etwas genauere Informationen. Bisher waren nicht einmal die Landtags-Abgeordneten der betroffenen Bundesländer über den aktuellen Planungsstand informiert. Wir hoffen mit dieser Veröffentlichung, wie auch mit jeder anderen, eine öffentliche Debatte anzustoßen.

Der Cyberzähler läuft heiß

Die „Cyberaktivitäten“ der Bundeswehr waren in dieser Woche mehrmals Thema bei uns: Aus dem Verteidungsausschuss berichtet Fabian Warislohner über die vierstündige Sachverständigenanhörung zum Einsatz der Bundeswehr im Internet. Es ging neben den verfassungsrechtlichen Grundlagen und der notwendigen Mandatierung auch um die Frage der Attribution, also Zuordnung von Cyberattacken. Am Ende hatte unser Cyberzähler übrigens 128 Mal das etwas überstrapazierte Wörtchen erfasst.

Dass die Bundeswehr aber nicht nur eigene Systeme schützt, sondern auch ihre offensiven Fähigkeiten ausbaut, geht aus einem von uns veröffentlichten Sachstandsbericht des Bundesverteidigungsministerium hervor. Für diejenigen Leser*innen, deren Cyber-Toleranzgrenze noch nicht überschritten ist, empfiehlt sich das öffentliche Fachgespräch der Linksfraktion im Bundestag zur Militarisierung der Netze am Mittwoch nächster Woche.

Kritik an Privacy Shield & EU-Datenschutzverordnung

Begonnen hatte unsere Woche mit der Veröffentlichung der Vorhabendokumentation der Bundesregierung. Sie gibt Auskunft über geplante Gesetze und andere Vorhaben der einzelnen Ministerien. Im Bundestag war die EU-Datenschutzgrundverordnung Thema: Grundsätzlich sei sie zu begrüßen, aber es gebe großen Verbesserungsbedarf, monierten die geladenen Sachverständigen in einer Anhörung. Kritik ist auch am neuen EU-US-Datenabkommen Privacy Shield angebracht, zu dem die EU-Kommission am Montag weitere Dokumente veröffentlichte. Wir haben mal hinein geschaut und urteilen: „Safe Harbor in neuem Anstrich.“

Internationale Erfolgsmeldungen

Konstruktiver und lösungsorientierter Journalismus ist neuerdings ja in aller Munde, daher hier nun ein paar Erfolgsmeldungen aus aller Welt: In Indien hat das Parlament erfreulicherweise eine Richtlinie verabschiedet, nach der zukünftig kein Patentanspruch mehr genehmigt wird, der nur im Bereich der Software liegt. Ein positiver Schritt um den Softwarepatente-Wahnsinn zu beenden.

In Großbritannien hat eine Kampagne von 140 Nichtregierungsorganisationen dazu geführt, dass eine durchweg mit Transparenzgegnern besetze Kommission nun wider Erwarten für Informationsfreiheit eintritt. Aus den USA kommt die Meldung, dass ein New Yorker Gericht Apple in seiner juristischen Auseinandersetzung um die Entsperrung von verschlüsselten iPhones den Rücken stärkt.

Es soll ja noch Leute geben, die die Oscar-prämierte Dokumentation „Citizenfour“ über die Enthüllungen von Edward Snowden immer noch nicht gesehen haben. Für jene dieser Hinweis: Sie ist aktuell mal wieder in der NDR-Mediathek zum Streamen verfügbar.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

6 Ergänzungen

  1. Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen? nehmen wir noch Mecklenburg-Vorpommern dazu und ich hätte einen Namensvorschlag:

    Ministerium für Staatsvertraglich geregelte Überwachung, kurz MfS.

  2. Der Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“ und einer seiner Kollegen saßen bis vor Kurzem in Haft. Dann ordnete das Verfassungsgericht an, die beiden Journalisten freizulassen.

    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will die Entscheidung des Verfassungsgerichts aber nicht akzeptieren, er strebt eine erneute Inhaftierung der Reporter an. Die Angelegenheit sei noch nicht beendet, sagte Erdogan laut Medienberichten.

    Die größte regimekritische Zeitung der Türkei „Zaman“ hat ihn hierfür heftig kritisiert, was für Erdogan ein willkommener Anlass ist, das Zeitungsgebäude durch türkische Polizisten gewaltsam stürmen zu lassen. Vor dem Gebäude lieferten sich die Sicherheitskräfte Schlachten mit Demonstranten und setzten dabei Wasserwerfer ein. Zuvor hatte ein Istanbuler Gericht entschieden, einen staatlichen Treuhänder für die Zeitung zu ernennen.

    Nun will die türkische Regierung die Kontrolle über die Zeitung übernehmen. „Zaman“ steht der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen nahe, der im US-Exil lebt. Gülen war einst ein Verbündeter des türkischen Staatspräsidenten, hat sich mit ihm aber überworfen. Gülens „Hizmet“-Bewegung wurde zuvor von Erdogan zur Terrororganisation erklärt.

    Vor dem Sondergipfel der EU und der Türkei zur Flüchtlingskrise verlangt Bundesinnenminister Thomas de Maizière indes mehr Anerkennung für die Leistungen der Türkei: „Wir sollten nicht Schiedsrichter bei den Menschenrechten sein.“

    De Maizière, der sich während der Landesverrat-Affäre um netzpolitik.org repressiv zeigte, findet in der Türkei Gesinnungsbrüder. Das ist gelebter Pragmatismus und Opportunismus in Zeiten, wo Pressefreiheit und Menschenrechte nicht so recht in die Interessenlage der Bundesrepublik zu passen scheinen. Da ist es hilfreich „verständnisvolle Freunde“ zu haben.

    Für de Maizière ist es auch kein Problem, dass einflussreiche Kreise in den letzten Monaten eine blühende Schleuserindustrie aufgebaut hat, die den Wohlstand weniger in der Türkei mehrt und gleichzeitig den NATO-Partner und ohnehin geschwächtes EU-Mitglied Griechenland in ernsthafte Schwierigkeiten bringt. Griechenland und die Türkei sind nach wie vor verfeindet, tragen ihren Konflikt inzwischen aber subtiler aus.

    So wie der schwunghafte Handel mit dem brutalen IS-Regime in Syrien Regierungskreisen in der Türkei mindestens bekannt waren, so wird die „Handelsware Flüchtling“ effizient verwertet. Und nun dürfte der Reibach für die Regierung Erdogan noch zusätzlich mit EU-Milliarden begossen werden.

    Man darf nachrechnen, wie viel davon bei den flüchtenden Menschen ankommen wird.

    1. Da die Türkei zum langjährigen Auftragsprofil der Bundesregierung für den BND zählt, ist Herr de Maizière eigentlich stets erstklassig darüber informiert, wer in den letzten Monaten in der Türkei außerordentliche Profite zu verzeichnen hatte. Oder lesen die Analysten gar nur türkische Zeitungen, wo doch die Auswahl verlässlicher Quellen immer kleiner wird?

    2. Knapp 60 Prozent der türkischen Wähler in Deutschland haben bei der Neuwahl zum Parlament in der Türkei für die islamisch-konservative Regierungspartei AKP gestimmt. Wie die staatsnahe Nachrichtenagentur Anadolu mitteilte, seien 59,7 Prozent der in der Bundesrepublik abgegebenen Stimmen auf die AKP von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan entfallen.

      Solch ein hohes Ergebnis erzielte die Partei demnach in keinem anderen europäischen Land, in Großbritannien etwa kam die Partei nur auf rund 20 Prozent. Insgesamt erhielt die AKP bei der Wahl am Sonntag 49,5 Prozent der Stimmen.

      Nach den vorgezogenen Neuwahlen kann die AKP somit nun auch dank der in Deutschland lebenden Türken mit absoluter Mehrheit weiterregieren. Rund die Hälfte der 2,9 Millionen wahlberechtigten Türken im Ausland lebt in Deutschland.

      Ist es nicht wunderbar, dass Merkel’s aktive Wahlhilfe für Erdogan nun Früchte trägt?

      Kritiker warfen Merkel vor, Erdogan und die islamisch-konservative Regierungspartei AKP mit dem Besuch zwei Wochen vor der Parlamentswahl aufzuwerten. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in Deutschland forderte von der Bundeskanzlerin während ihres Türkei-Aufenthalts klare Worte zur Menschenrechtslage. Zugleich unterstützen aber auch einige deutsche Politiker den Besuch Merkels in Istanbul.

  3. Maas: SPD hält auch nach Landtagswahlen Kurs !!???
    5. März 2016, 20:50 Uhr

    Berlin (dpa) – Bundesjustizminister Heiko Maas rät seiner Partei, ihren Kurs unabhängig vom Ausgang der Landtagswahlen fortzusetzen. Er sei überzeugt, dass die SPD am Ende von ihrer klaren Haltung profitieren werde, sagte Maas der dpa. Die Menschen hätten ein feines Gespür dafür, „wer nur populistisches Theater spielt oder wer in der Regierung tagtäglich um die richtigen Antworten auf die wesentlichen Fragen ringt“, sagte Maas.

    Was sagt mir mein feines Gespür jetzt über Heiko Maas? Der muss uns doch alle für vollkommen verblödet halten, dieser VDS-Umfaller.

    Der ist außerdem nicht in der Position auch nur irgendwas zu „raten“, der bekommt nämlich von Gabriel einen Sprechzettel, den er dann auswendig lernen darf.

    1. In BaWue duerfte sich das fuer die SPD in der Regierung voll auszahlen, sie wird das gesetzte Ziel des Projekts 18% geradezu pulverisieren.

      Wer buergerlich mit einem Hauch Oekologie oder Zukunftsdenken waehlen will, waehlt Gruen. Wer wirklich soziale Probleme angehen will, waehlt Die Linke. Wer glaubt, dass es ihm schon gut gehen werde, wenn es „der Wirtschaft“ in Form der Konzerne gut geht, waehlt CDU. Die ueblichen Verdaechtigen waehlen FDP. Bleiben die Salonlinken inkl. Beamten, die Angst haben, dass ihnen Die Linke ihre Villen im Tessin wegnimmt, und die resistenten Altwaehler. Fuer Gabriel reicht das im Bund vermutlich nochmal fuer Vizekanzler, danach geht er in Pension mit sicherer Versorgung…

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.