Nach der heutigen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) äußerten die Mitglieder sich deutlich zu den Rechtsverstößen des BND. Über Jahre seien Ziele in EU- und NATO-Staaten unrechtmäßig ausgespäht worden, sagte der PKGr-Vorsitzende Andre Hahn.
Das geschah mittels BND-eigener Selektoren, beispielsweise Handynummern, E-Mail-Adressen oder IP-Adressen von Personen, die Aufklärungsziele des BND sind. Die BND-Selektoren sollen angeblich am geheimen Auftragsprofil der Bundesregierung vorbeigegangen sein, das wurde im Oktober bekannt. Daraufhin sah das PKGr in Pullach einige der BND-Selektoren ein. Zu konkreten Überwachungszielen gehören Medienberichten zu Folge beispielsweise der französische Außenminister, das FBI und Botschaften von EU-Staaten. Also Institutionen der vielzitierten „befreundeten“ Staaten.
Auch einzelne Deutsche sollen in den Selektoren zu finden gewesen sein, so Hahn weiter. Das PKGr war selbst erst im Oktober durch die Bundesregierung über die problematischen Selektoren informiert worden. Das zeigt, wie die parlamentarische Kontrolle zum Scheitern verurteilt ist, wenn die Mitglieder der Kontrollinstanzen nur lückenhaft und viel zu spät über Missstände informiert werden.
Regierungssprecher Steffen Seibert äußert sich zu den Erkenntnissen des PKGr mit beeindruckender Realitätsferne. Seiner Meinung nach scheint alles prima gelaufen zu sein:
Die Bundesregierung begrüßt die Untersuchung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zu den vom Bundesnachrichtendienst bei der Strategischen Fernmeldeaufklärung eingesetzten eigenen Selektoren. Das Bundeskanzleramt hatte das Parlamentarische Kontrollgremium eigeninitiativ unterrichtet und die eingesetzte Task Force von ihrer Einsetzung an unterstützt.
Weiter kündigt er an, man arbeite an einer Reform der Strategischen Fernmeldeaufklärung, die „klare Verantwortlichkeiten innerhalb der Abteilung für Technische Aufklärung“ schaffen soll. Das stimmt nicht gerade optimistisch, denn es ist zu befürchten, dass die außer Kontrolle geratenen Überwachungsmaßnahmen im Nachgang eher legalisiert statt eingeschränkt und besser beaufsichtigt werden können.
Es wird auch schwierig sein, den BND zu Transparenz zu verpflichten. Solange die Desinformationstaktik fortgesetzt wird und man nicht weiß, was man kontrollieren soll, ist es für die Kontrolleure unmöglich, die richtigen Fragen zu stellen.
Seibert schließt mit wohlbekannter Rhetorik ab, die von Mal zu Mal selbstironischer wirkt:
Schließlich gibt es aber auch im Zusammenhang mit der Frage der eigenen Selektoren keine Hinweise auf eine massenhafte Ausspähung deutscher und europäischer Staatsbürger.
Was im Kontrollregime offenkundig fehlt: Zwangsmaßnahmen gegen die politische Führung des Bundeskanzleramts, wenn sie fahrlässig oder vorsätzlich die Geheimdienstaufsicht schleifen lässt.