Unter dem Titel „The hashtag that became a movement“ hatte Leil-Zahra Mortada vergangenen Dienstag beim Digiges-Abend die Kampagne OpAntiSH vorgestellt. OpAntiSH heißt ausgeschrieben „Operation Anti Sexual Harassment“ und existiert seit dem Arabischen Frühling. Ziel war, auch Frauen die Teilnahme an Protesten zu ermöglichen und diese vor sexuellen Übergriffen auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo zu schützen. Wie das funktioniert hatte Leil-Zahra im Vortrag eindrücklich geschildert:
Nicht für die AkteurInnen der Revolte spielte das Internet eine zentrale Rolle, auch OpAntiSH war auf Twitter und Facebook stark präsent. Leider knickte die Kampagne mit der Zeit ein, die Gewalt gegenüber Frauen nahm nicht ab und die AktivistInnen konnten für deren Sicherheit nicht garantieren.
Seit gestern ruft OpAntiSH per Indiegogo zur finanziellen Unterstützung eines Mannes auf, der vor zwei Wochen versuchte sich selbst zu verbrennen. Er war einer von 26 Verhafteten die nach einer Razzia in einem Badehaus im Polizeigewahrsam landeten. Die Polizeiaktion fand in Anwesenheit der homophoben Moderatorin Mona Iraqi statt, die für einen staatsnahen Fernsehsender arbeitet und offensichtlich vorab informiert war. In ihrer Sendung und auf ihrer Facebook-Seite stellte sie die Männer unverpixelt zur Schau.
Zwar wurden alle Festgenommenen später wieder entlassen und von allen Vorwürfen freigesprochen – vielleicht wegen des großen weltweiten Medieninteresses. Jedoch werden die nun landesweit bekannten Männer in ihrem Alltag weiterhin verfolgt. OpAntiSH dazu:
Irrespective of whether these men belong to the LGBTIQ community or not, or if they engage in same-sex relations; the accusation and the consequent detention were enough to destroy their lives in a country where homosexuality is constantly persecuted. Social stigma, discrimination, and an immense emotional stress let alone the trauma of the human rights violations they suffered.
Einer der Männer hielt dem öffentlichen Druck nicht stand und liegt nun mit lebensgefährlichen Verletzungen im Krankenhaus. Die Familie kann die hohen Kosten einer sofort benötigten Behandlung nicht tragen.
Im Februar waren sieben weitere Männer wegen des Praktizierens von männlicher Homosexualität verhaftet worden. Nach Medienberichten hatte die Polizei Fake-Profile in Sozialen Medien angelegt, um den Betroffenen nachzuspüren. Die ägyptische Polizei nutzt auch die unter Homosexuellen beliebte App „GrindR“, um sich unter Vorspiegelung einer Kontaktanbahnung mit Männern zu treffen um diese dann zu misshandeln und festzunehmen. Seit Oktober 2013 sollen mehr als Hundert als homosexuell beschuldigte Männer inhaftiert worden sein.
Das lässt Erinnerungen wach werden an das deutsche Bundeskriminalamt (BKA), das den ägyptischen Staatssicherheitsdienst wenige Wochen vor den Revolten 2011 zu „Open Source Internetauswertung im Bereich des internationalen Terrorismus“ geschult hatte. Die Kontrolle des Internet hatte im Versuch der der staatlichen Niederschlagung der Aufstände eine wichtige Rolle gespielt. Immer noch sitzen zahlreiche BloggerInnen in Haft oder sehen sich hohen Strafen gegenüber. Vor zwei Wochen wurde der regierungskritische Blogger Alaa Abd El Fattah zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.
Ungeachtet der Staatsgewalt gegen oppositionelle Bewegungen oder Menschen mit anderer sexueller Orientierung hat das BKA Verhandlungen zur Polizeizusammenarbeit wieder aufgenommen. Das Bundesinnenministerium will ein bilaterales Abkommen schließen, damit Ägypten die „speziellen Herausforderungen des Anti-Terrorkampfes“ erfolgreich bewältigen könne.
Die Gespräche waren vor zwei Jahren wegen staatlicher Übergriffe auf Eis gelegt worden. Sämtliche Inhalte der nun neu gestarteten Verhandlungen bleiben aber geheim. So können auch die bereits vorliegenden „Gegenvorschläge“ der ägyptischen Regierung nicht öffentlich geprüft werden. An Vorgesprächen waren nicht nur Polizeibehörden beteiligt, sondern auch der Militär-Geheimdienst DMT.
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