Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, das morgen in erster Lesung durchs Parlament gehen soll, ist verfassungsrechtlich nicht tragbar. Das sagen wir und andere seit Beginn des wahnwitzigen Turbogesetzgebungsprozesses, doch nun gelangen auch Juristen des Bundestags zu einem ähnlichen Urteil. In zwei Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, die wir einsehen konnten, führen sie aus, wo der Gesetzentwurf Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes bzw. des Europäischen Gerichtshofes nicht erfüllt.
Hauptkritikpunkte sind: Regelungen zur Datenverwendung, -löschung oder -weitergabe erfüllen nicht die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, sie seien nicht „normenklar“ genug. Unklarheiten fänden sich auch an vielen weiteren Stellen des Textes, beispielsweise bei der „Regelung zur Weitergabe der Vorratsdaten an andere Behörden für andere Zwecke.“
Die Benachrichtigungspflicht sei nicht hinreichend umgesetzt. Denn eigentlich sei gefordert, dass ein Betroffener vor vor der Datenerhebung zu benachrichtigen ist. Dass das bei einer Pauschalerhebung der Daten aller nicht passieren kann, ist ein inhärenter Widerspruch. Auch der Schutz von Berufsgeheimnisträgern, der im Gesetzesentwurf dadurch vorgesehen ist, dass die Daten zwar gespeichert, aber nicht verwendet werden dürfen, fällt durch.
Ebenso fehlt den Gutachtern die von Berufgeheimnisträgern abgesehene Beschränkung des Personenkreises, der zum Gegenstand der Maßnahme wird sowie eine Beschränkung auf schwerste Straftaten:
Der [Referentenentwurf] trägt daher dem vom Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 8. April 2014 gegen die Richtlinie 2006/24 erhobenen Einwand, keine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme anhand des Ziels der Bekämpfung schwerer Straftaten hinsichtlich der Speicherung von Vorratsdaten vorzusehen, nicht hinreichend Rechnung.
Etwas unklar ist auf europarechtlicher Seite, ob die Europarechtswidrigkeit einzelner Regelungen zur generellen Rechtswidrigkeit führt, da das Gesetz in seiner Gesamtheit betrachtet werden müsse.
Besonders verwundern wird das Ergebnis der Gutachter niemanden. Vor allem mit Blick darauf, in welcher Geschwindigkeit das Gesetz aus dem Hut gezaubert wurde. Erst Mitte April wurden überraschend Leitlinien für das Gesetz vorgestellt, morgen passiert es die erste Lesung und eigentlich sollte es noch vor der Sommerpause durchs Parlament, was nun aber doch nicht passieren wird. Aber egal ob die finale Abstimmung nun vor oder nach der Sommerpause ist: Einen hieb- und stichfesten Gesetzesentwurf in so kurzer Zeit zu generieren ist unmöglich. Und wenn es um einen verfassungskonformen Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung geht allemal.
Sind die Gutachten denn irgendwo veröffentlicht?
Soweit ich weiß, nicht. Sind aber per IFG angefragt: https://fragdenstaat.de/anfrage/gutachten-der-bundestags-juristen-zum-geplanten-gesetz-zur-vorratsdatenspeicherung/. Aber der Bundestag rückt Arbeiten des wissenschaftlichen Dienstes oft nicht raus…
KEINE Einsichtnahme in Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste des BT nach dem IFG!!! siehe OVG 12 B 3.12
Und alles ohne VDS. Wie geht das???
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Also braucht man diese doch nicht liebe SPD zur Aufklärung. Was ist jetzt mit dem Argument?
Möglicherweise ist das von Maas ja so gewollt. Ein besonders großer Fan war er ja eh nicht. Ähnlich wie die CSU die Maut für alle vermutlich demnächst der bösen EU anlasten kann, kann Maas sich gegenüber Gabriel behaupten.
Mir sind verfassungsrechtliche Lücken ehrlich gesagt schnurz, ein Instrument der anlasslosen Massenüberwachung widerspricht einem aufgeklärten Menschenbild.
Selbst wenn mit juristischen Kniffen eine formale Gesetzesvariante zu konstruieren wäre, so wäre sie immer noch moralisch verwerflich.
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