Wer ist eigentlich für Netzpolitik zuständig? Bundesregierung so: „Keine Ahnung, ist eben Querschnittsthema“

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Schon oft haben wir uns gefragt, wer in der Bundesregierung eigentlich für Netzpolitik und Digitale Agenda zuständig ist. Schlau sind wir nicht geworden. Angefragte Ministerien haben zunächst verwirrend, dann gar nicht mehr geantwortet. Der eigens eingerichtete Ausschuss trägt zwar die Digitale Agenda im Namen, durfte aber nicht am Entwurf des gleichnamigen Vorhabendokuments mitarbeiten.

Bezeichnend ist, dass nicht nur wir nicht herausbekommen, wer eigentlich was tut bzw. tun soll, sondern auch die Bundestagsabgeordneten von den Kompetenzen und Nichtkompetenzen verwirrt sind. Halina Wawzyniack, netzpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, und weitere Mitglieder ihrer Fraktion haben eine Kleine Anfrage gestellt, um Licht ins Dunkel zu bringen.

Ein großer Teil ihrer Fragen beschäftigte sich damit, welche Abteilungen jeweils jedes Ministeriums in welcher Personalstärke mit netzpolitischen Themen befasst sind. Die Antwort für alle 15 Ministerien sowie für das Bundeskanzleramt fiel kurz und gleich aus – man weiß es nicht und beruft sich auf den beliebten Euphemismus „Querschnittsthema“:

Netzpolitische bzw. IT-Themen sind Querschnittsthemen in allen Bundesressorts.
Abteilungen der Ressorts sind mehrmals im Jahr mit solchen Themen befasst. Eine Erhebung der mit netzpolitischen Themen befassten Vollzeitäquivalenten ist der Bundesregierung nicht möglich, da grundsätzlich keine thematische Statistik über Arbeitszeitanteile der Mitarbeiter in den Ressorts geführt wird.

Ähnlich inhaltsfrei antwortet die Bundesregierung auch darauf, welche Ministerien bei der Umsetzung der sieben Handlungsfelder der Digitalen Agenda federführend und unterstützend sind.

In allen Handlungsfeldern der Digitalen Agenda 2014 – 2017 sind mehrere Bundesressorts betroffen. Die Digitale Agenda 2014 – 2017 ändert dabei nichts an den bestehenden Ressortzuständigkeiten. Die Frage, welche Bundesministerien zu beteiligen sind, ist abhängig von der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Maßnahme und ergibt sich aus Anlage 6 zu § 45 Absatz 1, § 74 Absatz 5 GGO.

Erhofft man sich Klarheit von einem Blick in die zitierte GGO – Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien – wird man enttäuscht. Die Bundesministerien sind zuständig, wo sie eben zuständig sind. Also das Landwirtschaftsministerium, wenns um Landwirtschaft geht, das Justizministerium, wenns um die Prüfung von Rechtsnormen geht und so weiter.

Greift man sich konkrete Maßnahmen aus der Digitalen Agenda heraus, merkt man schnell, dass diese allgemeine Formulierung schnell zu einer Zuständigkeitwucherung führt und an dieser Stelle nicht hilfreich ist. Am Beispiel „Digitale Lebenswelten in der Gesellschaft gestalten“ erschließt sich intuitiv, dass die Liste der Ministerien, die nichts mit dem Thema zu tun haben, eher kurz ausfällt. Und wer dann die Federführung hat, lässt sich nicht ohne Weiteres und eine gewisse Willkür erraten. Diese Ratlosigkeit spiegelt sich in der Antwort allzu deutlich wieder, das findet auch Wawzyniack:

Auf die Fragen, wer in der Bundesregierung genau mit der Umsetzung der digitalen Agenda betraut ist, zeigt sich die Bundesregierung mutwillig oder fahrlässig ahnungslos. Offensichtlich weiß nicht mal die Bundesregierung, wer genau sich bei ihr mit netzpolitischen Themen beschäftigt. Es zeigt sich, dass die gewählte Variante, weder ein eigenständiges Ministerium noch einen koordinierenden Staatsekretär im Bundeskanzleramt einzusetzen, die denkbar schlechteste war. Ob die digitale Agenda angesichts dieses Kompetenz-Wirrwarrs mehr als Ankündigungspolitik wird, darf getrost bezweifelt werden.

Im letzten Frageblock wollen die Abgeordneten wissen, warum noch kein Bundesminister an einer Sitzung des Ausschusses Digitale Agenda teilgenommen hat. Das ist bei regulären Sitzungen an sich kein ungewöhnliches Verhalten, mit Ausnahme der Vorstellung von „Vorhabenplanungen“. So wie die „Digitale Agenda“ eines sein sollte. Dass sich auch hier niemand der Herren Minister blicken ließ, begründet man schließlich damit, „dass der Ausschuss Digitale Agenda nicht federführend tätig wird.“ Wawzyniack bringt das Signal, das von dieser Aussage ausgeht, auf den Punkt:

Deutlicher kann man kaum sagen, dass dieser Ausschuss nichts zu sagen hat.

Die Antwort in maschinenlesbar kopierfreundlichem Format

Kleine Anfrage der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Dr. Andre Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE betreffend

„Netzpolitische Zuständigkeiten und Aufgabenverteilungen innerhalb der Bundesregierung“

– Drucksache 18/2463

Frage 1: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit netzpolitischen Themen befasst?

Frage 2: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Bundesministerium des Innern mit netzpolitischen Themen befasst?

Frage 3: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mit netzpolitischen Themen [sic]

Frage 4: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit netzpolitischen Themen befasst?

Frage 5: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit netzpolitischen Themen befasst?

Frage 6: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Bundesministerium für Bildung und Forschung mit netzpolitischen Themen befasst?

Frage 7: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Bundesministerium der Finanzen mit netzpolitischen Themen befasst?

Frage 8: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit netzpolitischen Themen befasst?

Frage 9: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit netzpolitischen Themen befasst?

Frage 10: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Bundesministerium der Verteidigung mit netzpolitischen Themen befasst?

Fragen 11: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Bundesministerium für Gesundheit mit netzpolitischen Themen befasst?

Frage 12: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit mit netzpolitischen Themen befasst?

Frage 13: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit netzpolitischen Themen befasst?

Frage 14: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Auswärtigen Amt mit netzpolitischen Themen befasst?

Frage 15: Welche Abteilungen sind in welcher Personalstärke (Angaben bitte in Vollzeitäquivalenten) im Bundeskanzleramt mit netzpolitischen Themen befasst?

Antwort:
Die Fragen 1 bis 15 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Netzpolitische bzw. IT-Themen sind Querschnittsthemen in allen Bundesressorts.
Abteilungen der Ressorts sind mehrmals im Jahr mit solchen Themen befasst. Eine Erhebung der mit netzpolitischen Themen befassten Vollzeitäquivalenten ist der Bundesregierung nicht möglich, da grundsätzlich keine thematische Statistik über Arbeitszeitanteile der Mitarbeiter in den Ressorts geführt wird.

Frage 16: Welches Ministerium ist jeweils federführend für die unter Punkt „I. Digitale Infrastruktur genannten Maßnahmen der Digitalen Agenda“ und welche Ministerien sollen jeweils thematische Zu- oder Vorarbeiten leisten?

Frage 17: Welches Ministerium ist jeweils federführend für die unter Punkt „II. Digitale Wirtschaft und digitales Arbeiten“ genannten Maßnahmen der „Digitalen Agenda“ und welche Ministerien sollen jeweils thematische Zu— oder Vorarbeiten leisten?

Frage 18: Welches Ministerium ist jeweils federführend für die unter Punkt „III. Innovativer Staat“ genannten Maßnahmen der Digitalen Agenda und welche Ministerien sollen jeweils thematische Zu- oder Vorarbeiten leisten?

Frage 19: Welches Ministerium ist jeweils federführend für die unter Punkt „IV. Digitale Lebenswelten in der Gesellschaft gestalten“ genannten Maßnahmen der „Digitalen Agenda“?

Frage 20: Welches Ministerium ist jeweils federführend für die unter Punkt „V. Bildung, Forschung, Wissenschaft, Kultur und Medien“ genannten Maßnahmen der „Digitalen Agenda“ und welche Ministerien sollen jeweils thematische Zu- oder Vorarbeiten leisten?

Frage 21: Welches Ministerium ist jeweils federführend fitr die unter Punkt „VI. Sicherheit,
Schutz und Vertrauen für Gesellschaft und Wirtschaft genannten Maßnahmen der Digitalen Agenda“ und welche Ministerien sollen jeweils thematische Zu- oder Vorarbeiten leisten?

Frage 22: Welches Ministerium ist jeweils federführend für die unter Punkt „VII. Europäische und internationale Dimension der Digitalen Agenda“ genannten Maßnahmen und welche Ministerien sollen jeweils thematische Zu- oder Vorarbeiten leisten?

Antwort:
Die Fragen 16 bis 22 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

In allen Handlungsfeldern der Digitalen Agenda 2014 – 2017 sind mehrere Bundesressorts betroffen. Die Digitale Agenda 2014 – 2017 ändert dabei nichts an den bestehenden Ressortzuständigkeiten. Die Frage, welche Bundesministerien zu beteiligen sind, ist abhängig von der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Maßnahme und ergibt sich aus Anlage 6 zu § 45 Absatz 1, § 74 Absatz 5 GGO.

Frage 23: Warum hat der Bundesminister für Wirtschaft und Energie bislang an keiner Sitzung des Ausschusses Digitale Agenda teilgenommen?

Frage 24: Warum hat der Bundesminister des Innern bislang an keiner Sitzung des Ausschusses Digitale Agenda teilgenommen?

Frage 25: Warum hat der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur bislang an keiner Sitzung des Ausschusses Digitale Agenda teilgenommen?

Antwort
Die Fragen 23 bis 25 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

In den Sitzungen des Ausschusses ist regelmäßig die Leitung der Bundesressorts, insbesondere der Kernressorts Bundesministerium des Inneren, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und Bundesministerium für Wirtschaft und Energie präsent. In der Regel sind die jeweiligen Bundesminister nicht persönlich in den Ausschüssen des Deutschen Bundestags anwesend, sondern lassen sich durch die zuständigen Parlamentarischen Staatssekretäre vertreten. Ausnahmen sind beispielsweise die Vorstellung einer Vorhabenplanung. Hinzu kommt in diesem Fall, dass der Ausschuss Digitale Agenda nicht federführend tätig wird.

4 Ergänzungen

  1. Kann man sich eine bessere Bankrotterklärung wünschen?
    Jede weitere Zeile erübrigt sich. Für die Nutzer: Der große Bruder auf der anderen Seite des großen Teichs hat längst die Obliegenheiten des Bundes übernommen. Bleibt nur noch, die (NICHT) zuständigen Damen und Herren von ihren Ämtern zu befreien. – Die können dann ja in Berlin den Bahnhofsvorplatz fegen. Für 1 € pro Tag.

  2. Ein Feld, in dem man den Putativakteuren eine Komplettlähmung vorwerfen kann, dann auch noch „Querschnitt“sthema zu nennen…

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.