Wir hatten darüber berichtet, dass in der Schweiz eine Ausweitung von Vorratsdatenspeicherung und anderen Überwachungsmaßnahmen vor der Tür steht. Am letzten Montag wurde im Ständerat die zugehörige Änderung des “Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs” (BÜPF) debattiert. Die Gesetzgebung ist noch nicht endgültig abgeschlossen und das Gesetz wurde bisher nicht einfach durchgewunken. Auch steht die Diskussion im Nationalrat, der das gleiche Prozedere wie der Ständerat noch einmal durchlaufen wird, noch an. Aber schon jetzt ist absehbar, dass die Vorratsdatenspeicherung aller Voraussicht nach intensiviert, das Bundestrojaner-Äquivalent der Schweiz und IMSI-Catcher weiter eingesetzt und der persönliche Geltungsbereich erweitert werden soll.
Die Digitale Gesellschaft in der Schweiz (nicht das gleiche wie der deutsche Verein Digitale Gesellschaft) hat im Vorfeld des drohenden Gesetzes eine Vielzahl an Infomaterialien zusammengestellt, zum Beispiel ein Dossier: „Totalrevision BÜPF und in der Geschäftsdatenbank des Bundes“, eine Beschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung und eine Auflistung von Daten und Straftaten zur Vorratsdatenspeicherung.
Zusätzlich wurde gestern ein zusammenfassender Report zu den Überwachungsaktivitäten der Kantone und des Schweizer Dienstes Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) veröffentlicht, der Swiss Lawful Intercept Report. Er beinhaltet einen Rückblick über die letzten Jahre mit einem kontinuierlichen Anstieg an Überwachung sowie eine Statistik, die Überwachungsmaßnahmen den damit investigierten Straftaten zuordnet und nach Kantonen aufschlüsselt. Es ergibt sich daraus unter anderem, dass schwere Straftaten keinen signifikanten Teil dessen ausmachen, was mit Überwachungsmaßnahmen aufgeklärt wird. In allen relevanten Kantonen, in denen es mehr als 200 Fälle angeordneter Überwachungsmaßnahmen gab, wurden diese mehr als zur Hälfte für die Aufklärung von Drogenhandel oder Vermögensdelikten genutzt:
Bisher kam es in der Schweiz noch nicht zu einer breiten Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Wir hoffen, es wird noch gelingen, mehr Bewusstsein in der Bevölkerung zu schaffen. Gleichzeitig schielen natürlich auch auf die VDS im eigenen Land. Der EuGH soll vermutlich noch vor Ostern darüber entscheiden, ob die Europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung grundrechtswidrig ist, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2010 die damalige deutsche Umsetzung der VDS-Richtlinie für verfassungswidrig erklärt hatte. Aber auch wenn der EuGH in dem Sinne entscheidet, dass die Richtlinie nicht in ihrer Form umgesetzt werden darf, können wir uns nicht sicher fühlen, denn bei den Überwachungsfanatikern in der großen Koalition zeichnet sich ab, dass man dann nicht auf die Vorratsdatenspeicherung verzichten, sondern sie lieber so lange rhetorisch anpassen will, bis sie laut dem erwarteten Urteil doch noch durchführbar wäre.
Unseren Nachbarn in der Schweiz wird die Entscheidung des EuGH nicht direkt nützen, da sie keine EU-Mitglieder sind. Aber als argumentatorische Basis würde ein gutes Urteil sicher helfen, wenn die Mitglieder von Digitale Gesellschaft wie angekündigt zur Not bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorgehen wollen.
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