Maas ist überrascht von Spitzelfällen und will Rechtsgrundlagen deutscher Geheimdienste prüfen

Wo der V-Mann die Selektoren lesen darf: BND-Neubau in Berlin. Bild: Georg Kroemer. LIzenz: Creative Commons BY-NC-ND 2.0.

Justizminister Maas will eine Reformierung der rechtlichen Grundlagen deutscher Geheimdienste prüfen. Das statuierte er gegenüber der Nachrichtenagentur dpa:

Wir müssen kritisch überprüfen, was unsere Geheimdienste machen […] Es darf keine rechtsfreien Räume geben – weder für die ausländischen noch für die inländischen Nachrichtendienste

Dabei stellte er auch in Aussicht, die Pläne des BND für den Ausbau der Überwachung sozialer Netzwerke nicht zu akzeptieren. Der deutsche Geheimdienst hatte im Juni mitgeteilt bekommen, statt 300 Millionen Euro für die “Strategische Initiative Technik” vorerst nur sechs Millionen bewilligt zu bekommen. Im Rahmen dieser Initiative sollten neben der Netzwerk-Überwachung auch andere Technologien wie die Erkennung biometrischer Merkmale vorangetrieben werden. Vor der Bewilligung weiterer Gelder forderten Mitglieder des Haushaltsausschusses im Bundestag jedoch, der Dienst solle im Herbst einen Bericht über die bisherigen Vorbereitungen der Initiative sowie eine “ausführliche Darlegung und Begründung” der Maßnahmen vorlegen.

Auch an anderen Stellen wurde der BND wiederholt kritisiert, so bei einer Anhörung von Verfassungsrechtlern im NSA-Untersuchungsausschuss und in einer Studie der stiftung neue verantwortung und des  Brandenburgischen Instituts für Gesellschaft und Sicherheit, die mangelnde Kontrollmöglichkeiten und einen rechtsfreien Raum monierten.

Beinahe amüsant ist, dass Maas die Überwachungsvorhaben des BND mit der Vorratsdatenspeicherung vergleicht:

Wir würden dadurch an einen Punkt gelangen wie bei der Vorratsdatenspeicherung – wo nämlich völlig anlasslos Daten und Informationen erfasst werden. Soziale Netzwerke komplett und wahllos in Echtzeit zu überwachen, wäre eine sehr umfassende Totalausspähung. […] Aus einem vermeintlichen Sicherheitsinteresse alles und jeden komplett überwachen zu wollen, ist in einem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat völlig inakzeptabel.

Denn eine kurze Rückblende zeigt, dass Maas nicht immer so überzeugt von der Unangemessenheit der Vorratsdatenspeicherung war. Im Januar wurde bekannt, dass er während des Wartens auf das Vorratsdatenspeicherungsurteil des Europäischen Gerichtshofes, das letztlich die europäische Richtlinie für unrechtmäßig erklärte, vorsorglich einen Gesetzesentwurf für Deutschland vorbereitete, um diesen im Zweifelsfall schnellstmöglich auf den Weg bringen zu können. Auch wenn er das in einem vor Kurzem geführten Interview bei Jung & Naiv etwas anders darstellt:

Das [Vorratsdatenspeicherung] finde ich nicht so gut. Deshalb habe ich ja auch kein Gesetz dazu gemacht. Der Europäische Gerichtshof hat dazu ein Urteil erlassen. Er hat die Richtlinie kassiert, die es dazu gibt – und das ist die Grundlage für ein Gesetz, das wir hätten machen müssen, und gesagt, das ist alles null und nichtig, weil es gegen das Recht auf Privatheit und Datenschutz in Europa verstößt. Und deswegen gibt es auch kein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung.

Im gleichen Interview hatte er auch gelobt, dass es in Deutschland klare Regeln für den Datenschutz – auch bei Geheimdiensten – gebe:

Beim Datenschutz zum Beispiel, was den öffentlichen Datenschutz angeht, was Behörden abgreifen dürfen von Bürgerinnen und Bürgern, dafür gibt es bei uns klare Regeln – bis hin zu den Geheimdiensten. In den USA gibt es nach dem 11. September 2001 Gesetze, die den Geheimdiensten alles ermöglichen: alles abzugreifen vom Briefverkehr bis hin zur Internetkommunikation. Das ist nicht die Linie, die ich für richtig halte, und deswegen will ich das auch nicht in Europa.

Vielleicht ist Maas in der kurzen Zwischenzeit spontan bewusst geworden, dass es doch nicht so klare Regeln gibt. Immerhin gibt er gegenüber der dpa auch seine Überraschung amerikanische Spitzel bei deutschen Behörden zu:

Das hat mein Vorstellungsvermögen überstiegen. Das geht nicht. Das muss beendet werden.

Wir hätten da einen Vorschlag, damit Maas sich endlich auf eine fundiertere Meinung zur Überwachung stützen kann und diese nicht immer wechseln und der Stimmungslage anpassen muss: Zur Aufklärung der Dimension der NSA-Affäre und der Involvierung deutscher Dienste Edward Snowden nach Deutschland holen und ihn vor dem NSA-Untersuchungsausschuss befragen. Und nicht vorschlagen, er solle doch in die USA zurückkehren, wo ihn sicher kein fairer Prozess und ein Leben in Freiheit, sondern eine lebenslange Haftstrafe erwarten würde.

 

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