USA: Abstimmung im Parlament über Einschränkung der Macht der Geheimdienste

Auch wenn sich die Empörung über die Spionagetätigkeiten der amerikanischen Geheimdienste innerhalb der USA in Grenzen hält, scheint sich nun erster Widerstand in politischen Kreis zu bilden. So wird heute über eine Gesetzesänderung abgestimmt, der die Totalüberwachung der Geheimdienste einschränken würde und nur noch die gezielte Überwachung von Verdächtigen erlauben würde. Ebenso findet eine Abstimmung über das sogenannte „Defense Appropriations Bill“, quasi den Haushaltsplan der Geheimdienste, statt.

Der von Justin Amash, John Conyers, Jr., Thomas Massie, Mick Mulvaney, und Jared Polis eingebrachte Änderungsantrag, untersagt den Geheimdiensten die grenzenlose Sammlung und Speicherung von Daten und limitiert die Datensammlung auf Personen, die bereits Teil einer Untersuchung sind. Der Gesetzestext im Wortlaut:

This Order limits the collection of any tangible things (including telephone numbers dialed, telephone numbers of incoming calls, and the duration of calls) that may be authorized to be collected pursuant to this Order to those tangible things that pertain to a person who is the subject of an investigation described in section 501 of the Foreign Intelligence Surveillance Act of 1978 (50 U.S.C. 1861).

Spiegel Online fast den eingebrachten Verfassungszusatz wie folgt zusammen:

„Es untersagt der NSA und anderen Diensten, Abschnitt 215 des Patriot Act zu nutzen, um Daten, auch Telefondaten, zu sammeln, die Personen zugeordnet sind, die nicht von einer Untersuchung nach Abschnitt 215 betroffen sind“


Bisher berufen sich die NSA und andere Geheimdienste auf Abschnitt 215 des Patriot Acts, der es ihnen erlaubt alle „für eine Untersuchung relevanten Daten“ sammeln und speichern zu dürfen. Durch die Definition des Wortes „relevant“ des amerikanischen Geheimgerichts FISC handelt es sich hierbei aber faktisch um alle Daten, die NSA und Co. zu fassen kriegen. Diese Praxis soll mit dem Verfassungszusatz eingeschränkt werden.

Wie die EFF schreibt, hält sie den Änderungsantrag, der vom Republikaner Justin Amash eingebracht wird, für einen wichtigen Schritt die Überwachungspraktiken der NSA einzuschränken. Aus diesem Grund ruft sie dazu auf, sich für die Gesetzesänderung einzusetzen und seinen Vertreter im Kongress davon in Kenntnis zu setzen. Dazu wurde eigens die Plattform „Defund the NSA“ ins Leben gerufen, die es einem erleichtern soll mit seinem Vertreter im Kongress in Kontakt zu treten. Auch wenn wir als Deutsche bzw. Europäer keine direkten Vertreter im amerikanischen Kongress haben, kann es sicherlich nicht schaden, einige Abgeordnete per Twitter auf unsere Bedenken hinzuweisen.

Man sollte an dieser Stelle jedoch nicht zu viele Hoffnung in diesen Vorstoß einiger weniger Abgeordneter haben. Selbst wenn die Antrag vom Kongress verabschiedet werden sollte, muss er daraufhin noch den Senat passieren. Und das scheint nicht sehr wahrscheinlich, wie auch Spiegel Online klarstellt:

In einer gemeinsamen Erklärung aber haben die Demokratin Dianne Feinstein und der Republikaner Saxby Chambliss, die Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses im Senat, Amashs Vorstoß als „unklug“ kritisiert. Schließlich habe das in Frage stehende NSA-Programm dazu beigetragen, „zahlreiche terroristische Attacken gegen unsere Nation abzuwehren“.

Und zu guter Letzt müsste sowieso Barack Obama den neuen Verfassungszusatz unterzeichnen, was nicht sehr wahrscheinlich scheint.

Doch auch aus europäischer Sicht ist dieser Vorstoß von einigen amerikanischen Abgeordneten nicht mehr als ein Zeichen. Denn woran sich die amerkanische Politik am meisten stößt, ist die Tatsache, dass ein Auslandsgeheimdienst wie NSA auf einmal Daten der eigenen Bürgern sammelt. Die generelle Überwachung steht dabei überhaupt nicht zur Debatte, wie auch Kyle Maxwell schreibt:

This is the political reality in the US right now: the scandal is not that the NSA is fulfilling its chartered mission of collecting SIGINT on national security threats. At the risk of oversimplifying, the scandal is that the *Foreign* Intelligence Surveillance Act is being used for *domestic* surveillance.

Man scheint sich aber gerade für die Totalüberwachung zu rühmen, wenn General Michael Hayden, ehemaliger Direktor von NSA und CIA, sagt:

You’ve got a bunch of countries in Europe hyperventilating about America’s foreign intelligence operations. But the truth is that all nations conduct espionage. Nobody has claimed that America’s Bill of Rights, which protects the individual privacy of our citizens, was a global treaty. No one can claim that these nations aren’t doing similar things against America and many others. If some countries do have a legitimate compliant about our espionage activities, it’s frankly because we are just better at it than they are.

Das Problem, dass massenweise Daten europäischer oder aber auch afrikanischer oder asiatischer Bürger gespeichert und ausgewertet werden, welche in den USA gespeichert sind – in der Zeiten der Cloud ist das mehr die Regel als die Ausnahme – wird nicht vom geplanten Änderungsantrag bekämpft und scheint die amerikanische Politik auch nicht zu beunruhigen. Aufschlussreich zu diesem Thema ist eine Präsentation von Casper Bowden, ehemaligem Mitarbeiter bei Microsoft und jetzt unabhängiger Anwalt für Datenschutz und Privatsphäre, von der diesjährigen SIGINT, in der Bowden darlegt wie Geheimdienste an die Daten in der Cloud kommen.

Was es braucht um das Problem der Totalüberwachung europäischer Bürger zu unterbinden, sind nicht amerikanische Gesetze. Es sind europäische Datenschutzbestimmungen, welche Datenaustausch mit amerikanischen Behörden unterbindet und die Rechte europäischer Bürger stärkt. Bleibt nur zu hoffen, dass sich diese Nachricht bis ins Europäische Parlament verbreitet, wo ab Herbst die Verhandlungen über die neuen Datenschutzreform weitergehen.

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Eine Ergänzung

  1. Um möglicher Verwirrung entgegenzuwirken: Es handelt sich bei diesem Amendment nicht um einen Verfassungszusatz, sondern lediglich um eine Änderung der „Defense Appropriations Bill“.
    Darüber hinaus bilden Repräsentantenhaus und Senat den Kongress, entsprechend müsste der Senat nicht noch einmal zustimmen, sondern lediglich der Präsident unterschreiben. Außerdem würden sich Senat und Präsident nicht mit dem spezifischen Amendment auseinandersetzen, sondern mit dem vollständigen, vom Repräsentantenhaus verabschiedeten, Geheimdiensthaushalt.

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