Christian Stöcker: Warum der Sperren-Streit Zeitverschwendung ist

Keine Frage, Netzpolitik.org ist ein Nischenblog. Die Themen und Debatten hier sind oft doch reichlich speziell. Aussenstehende und fachfremde Politiker sind da schnell überfordert. Und dann neige speziell ich mitunter noch zur Erklärbärigkeit und furchtbar langen Sätzen, die niemand lesen will – Das muss nicht sein!

Denn zum Glück gibt Christian Stöcker und Spiegel Online. In seinem Kommentar „Kampf gegen Kinderpornografie im Web: Warum der Sperren-Streit Zeitverschwendung ist“ fasst Stöcker noch einmal alle Argumente der Diskussion kurz, knapp und vor allem allgemeinverständlich zusammen:

EU-Kommissarin Malmström plädiert im Kampf gegen Kinderpornografie für Web-Sperren – jetzt wittern auch Befürworter in Deutschland wieder ihre Chance. Doch die Blockade ist das falsche Mittel: Es gibt mindestens sieben gute Gründe dafür, die Debatte endgültig zu beenden.

Netzpolitik.org-Leser erfahren bei SpOn zwar nicht viel Neues, aber man kann den Kommentar ja auch prima ausdrucken und verteilen, als Gedankenstütze verwenden oder zwecks Empowerment Politikern zukommen lassen.

Danke Christian!

19 Ergänzungen

  1. Leider musste ich im Müncher Merkur noch einen Kommentar des stellvtr. Chefredakteurs lesen, der erklärt hat, warum im Nachhinein Löschen niemals so gut sein kann wie im Vorherein Filtern. Damit hat sich der gute Mann zwar zum Tor der Monats qualifiziert, aber den lesen vermutlich mehr Leute….Es bleibt dabei: Nicht nur in den Online-Medien präsent sein, auch Leserbriefe an Printmedien schreiben! Wobei der SpOn-Beitrag wirklich sehr gut ist.

  2. Wie sich die Zeiten doch ändern. Vor einem Jahr wäre ein Artikel mit dieser Grundaussage auf SpOn vermutlich undenkbar gewesen.
    Ich denke, dass ist definitiv ein Erfolg. Nur ausruhen sollte man sich auf diesem nicht und die im Artikel genannten Argumente ständig weiter kommunizieren. Auf das sie auch den dicksten Betonkopf knacken…

    1. Katharina Borchert, die das Online-Angebot der WAZ-Gruppe wesentlich mit aufgebaut und geprägt hat und dort bis Ende letzten Jahres Chefredakteurin war, fängt am 1. April bei SPON an. Wahrscheinlich richtet sie sich bereits ein.

      Zufall, dass die WAZ gerade jetzt auf demselben Niveau kommentiert wie Brand und Wiedemeyer?

  3. „…der erklärt hat, warum im Nachhinein Löschen niemals so gut sein kann wie im Vorherein Filtern…“

    Die gleiche Argumentation ist mir heute in einem Kommentar einer WAZ Lokalzeitung über den Weggelaufen… bin fast am Kaffee erstickt…

  4. Der Tagesspiegel hatte heute auch einen ganz ordentlichen Kommentar auf der Titelseite. Die Debatte des letzten Jahres ist also nicht ganz spurlos an den Mainstreammedien vorbeigegangen. Zumindest mal wird das Thema in diesem Jahr nicht erst mit einigen Wochen Verspätung aufgegriffen und man liest nicht nur hanebüchenen Unsinn. Ausruhen kann man sich darauf sicher nicht, ein Grund zur verhaltenen Freude ist es für mich schon.

  5. @TomD: Das dürfte die BKA-Argumentation sein („Sperren sind besser, weil gelöschte Seiten nach 5 Tagen woanders auftauchen“ – Bitte nicht fragen …).

    Ich wundere mich ohnehin, wie deutlich sich BKA-Chef Ziercke diesbezüglich gegen den erklärten Willen seines Dienstherren positioniert. Man könnte es auch als offenen Sabotageversuch werten. Es ist mir unverständlich, warum das Innenministerium hier nicht längst ein deutliches Machtwort gesprochen hat.

  6. @5: Weil das Innenministerium am liebsten so lange die Füße still halten möchte, bis via EU die Forderung kommt die Sperren umzusetzen. Da ist die Einlassung des ‚Fachmannes‘ Ziercke lediglich die mediale Hintergrundmusik die den gemeinen Konsumenten bei der Stange halten soll. Denn wenn der oberste Polizist dieser Meinung ist dann wird das schon seine Richtigkeit haben.

    passender Captcha: borders manufacturers

  7. nur mal langsam.

    wenn deutsches verfassungsrecht tangiert wird, hat ja wohl karlsruhe ein wort mit zu sprechen.

  8. @markenware: Ich kommentiere ja ungern öffentlich Personalien, aber: Die WAZ kehrt eigentlich nur auf ihre alte Linie zurück. Siehe auch http://odem.org/zensur/faq.html#waz

    Christian Stöcker war zudem bereits bei SpOn, als Borcherts Wechsel noch gar nicht bekannt war. Wie ich hörte, soll Ihre Verantwortung auch nicht direkt im redaktionellen Bereich liegen. Jochen Voß schrieb bei DWDL:

    In ihrer neuen Position soll Borchert an der Schnittstelle zwischen Redaktion und dem kaufmännischen Bereich den Ausbau der publizistischen Online-Angebote der Spiegel-Gruppe vorantreiben.

    Wie auch immer, ich begrüße die Entwicklung ,)

    Was die WAZ betrifft, ist es natürlich schade um viele gute Ideen und Projekte [1]. Andererseits sind die Perspektiven bei der WAZ nach dem Kahlschlag ohnehin überschaubar. Leider auch für die Kollegen vom Print.

    [1] Siehe auch:

    * http://www.videopunks.de/auf-zu-neuen-ufern
    * http://www.videopunks.de/flip-tagebuch-2

  9. Da ich unsere Politiker trotz nachhaltiger Demonstration des Gegenteils NICHT für komplette Idioten lernresistent halte, bleibt nur eine Schlussfolgerung:
    Es geht TATSÄCHLICH, und ausschließlich um die Implementierung einer Zensurinfrastruktur. Kinderpornografie ist allenfalls ein Kollateralnutzen, falls überhaupt. Die Argumente der Sperrbefürworter entbehren in ihrer holzschnittartigen Floskelhaftigkeit und Unwahrheit so dermaßen jeder Schlüssigkeit, dass auch mangelnde Information nicht mehr als Ursache ausreicht. Kurz nachdenken müsste in den meisten Fällen schon reichen.
    Man sollte also langsam aufhören, die Befürworter der Sperren in Politik und Medien mit Argumenten von Löschen und weiterer Polizeiarbeit zu überzeugen. Das wissen die selbst am besten.

    Statt dessen sollte man ihnen offensiv vorwerfen, nach dunkelstem chinesischen Vorbild Zensur einführen zu wollen und dazu scham- und mitleidlos entsetzlich mißhandelte Kinder zu instrumentalisieren.

  10. Nur mal so nebenbei: Censilia-kritische Kommentare finden sich derzeit auch in der Süddeutschen, dem Stern, und sogar der FAZ. Offenbar scheinen viele Journalisten in den letzten Monaten dazugelernt zu haben.

  11. @10: Wo bleibt dann aber die Höflichkeit ohne die keiner der verehrten Damen und Herren auch nur zuhört?

  12. Neben der bekannten Cambridge-Studie hätte Stöcker auch auf die jüngste Pressemitteilung des Internetverbandes eco hinweisen sollen:

    Die seit Mai 2009 fortgeschriebene Statistik der Beschwerdestelle, die eco mit zusammen mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia e. V. unter dem Portal internet-beschwerdestelle.de betreibt, verzeichnet für in Deutschland gehostete kinderpornografische Internetseiten eine Erfolgsquote von 100 Prozent. Die Herunternahme erfolgt in jeweils binnen Stunden oder Minuten. Im Ausland gespeicherte Angebote sind zu 50 Prozent binnen 5 Tagen, zu 93 Prozent binnen zwei Wochen und der Rest danach offline.

    Das nimmt der Behauptung des BKA, „Löschen statt Sperren“ funktioniere nicht, ziemlich den Wind aus den Segeln.

  13. Kommentar aus der Bildzeitung: http://www.bild.de/BILD/news/standards/kommentar/2010/03/31/kommentar.html

    Es gibt ein Gesetz, nach dem Internetseiten mit Kinderpornografie zu sperren sind. Es wird nicht angewandt. Die Justizministerin ist dagegen.

    Das ist ein Skandal!

    Jetzt fordert die EU-Kommission: Sperrt endlich die schweinischen Seiten!

    Die Justizministerin sagt wieder: Nein!

    Das ist ein Skandal hoch zwei!

    Es lohnt sich wirklich den ganzen Kommentar durchzulesen. Dan sieht man auch, auf welchem Niveau sich die Propaganda für den Durchschnittsbürger bewegt. Leute, die für so was empfänglich sind, kann man mit Argumenten nicht erreichen.

  14. @link: Ach, dieser „Kommentar“ ist selbst für die meisten Bildleser zu dumpf. Man muss sich wirklich nicht mit jedem Unsinn auseinandersetzen.

    Fast positiv überrascht war ich hingegen von diesem Stück bei Bild.de: Wie legt man der Kinderporno-Mafia das Handwerk?.

    Für Bild-Verhältnisse ist das vergleichsweise ausgewogen. Gut, „Hybrid-Sperren“ wie im UK sind zwar auch keine Lösung, ebenso wenig, wie die von Prof. Hoeren angesprochenen Kreditkarten-Daten, aber man kann nicht alles haben.

    Um Kreditkarten-Daten als Hebel nutzen zu können, müsste es zunächst einen nennenswerten kommerziellen „Markt“ geben. Für eben diesen gibt es aber nach wie vor keine belastbaren Quellen. Ganz im Gegenteil. Aus dem Umfeld eines an der Uni Hannover laufenden Forschungsprojekts war auf der CeBit als erstes Zwischenergebnis zu hören, dass es den behaupteten Markt nicht gibt. Damit läuft auch der gute alte „follow the money“-Ansatz leider leer ,(

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